Airbus, Thales und Leonardo wollen Champion fürs All

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Europas Weltraumindustrie steht vor einer grundlegenden Neuaufstellung. Ziel ist es, Überkapazitäten abzubauen und sich besser im verschärfenden Wettbewerb gegen den US-Konzern Space X zu behaupten. Inzwischen kristallisiert sich heraus, dass die drei großen europäischen Akteure – Airbus , Thales und Leonardo – auf jeden Fall enger zusammenrücken wollen, und sei es nur bei der gemeinsamen Entwicklung von Telekommunikationssatelliten. Das Vorhaben trägt den Namen „Projekt Bromo“ und wird auf höchster Managementebene diskutiert. Zu diskutieren gibt es viel, seien es Kosten, regulatorische Hürden und kartellrechtliche Auswirkungen, aber auch die Ausgestaltung künftiger ziviler und militärischer Verträge.

Thales und Leonardo haben schon vor knapp 20 Jahren in den Gemeinschaftsunternehmen Thales Alenia Space (TAS) und Telespazio einige Weltraumaktivitäten gebündelt. Im vergangenen Sommer hatten die drei Konzerne – samt Airbus – erstmals Gespräche bestätigt. Airbus und Leonardo haben einem Bloomberg-Bericht zufolge beratend die US-Banken Goldman Sachs und Bank of America mandatiert. Das Thema ist auch ein Politikum: An Airbus halten der deutsche, französische und spanische Staat substanzielle Anteile, an Thales der französische und an Leonardo der italienische. Zugleich geht es um militärstrategisch sensible Aktivitäten, der Weltraumsektor lebt traditionell von öffentlichen Aufträgen.

„Zu kleinteilig, fragmentiert und ineffizient“

In den Bereichen Weltraum und Verteidigung sei Europa „zu kleinteilig, fragmentiert und ineffizient, um beispielsweise mit den großen US-Akteuren zu konkurrieren“, hatte Airbus-Vorstandschef Guillaume Faury im November der F.A.Z. gesagt. Für den Weltraum brauche es einen „europäischen Champion“. Die laufenden „Sondierungsgespräche“ mit Thales und Leonardo drehten sich aber spezifisch um Satelliten und Satellitendienste und nicht um weitere Geschäftsbereiche wie Trägerraketen oder Verteidigung, betonte Faury am Donnerstag bei der Airbus-Bilanzpressekonferenz. Mutmaßungen, wonach bis zum Sommer mit Ergebnissen zu rechnen sei, wollte er nicht bestätigen. Grundsätzlich hält sich Airbus bedeckt mit Details zu den Gesprächen.

Das gilt auch für Thales, für Leonardo hingegen wenig. Dessen Chef Roberto Cingolani hatte kürzlich öffentlich von einem Treffen mit Faury berichtet und schon im Dezember gesagt, dass ihm konkret eine Konsolidierung nach dem MBDA-Modell vorschwebt. Der 2001 gegründete Rüstungskonzern gilt als eines der ganz wenigen gelungenen Beispiele für eine Konsolidierung in strategisch sensiblen Industriebereichen. Zwar gibt es zahlreiche europäische Kooperationen, etwa das Eurofighter-Konsortium, an dem auch Airbus und Leonardo beteiligt sind. Doch all das sind programmbasierte Zusammenschlüsse ansonsten unabhängiger Unternehmen. Das ist im Fall des MBDA-Konzerns anders, der in Deutschland bekannt ist für die Produktion des Marschflugkörpers Taurus.

Wird die Fusionskontrolle zum Problem?

MBDA befindet sich zu je 37,5 Prozent in den Händen von Airbus und des britischen Unternehmens BAE Systems. Die übrigen 25 Prozent hält Leonardo. Die Vorzüge bei MBDA liegen in der integrierten Konzernstruktur, die den nationalen Tochtergesellschaften viel Autonomie lässt, um die jeweiligen militärischen Bedürfnisse zu erfüllen. Eine solche Struktur hätte auch im Satellitenbau größere Chancen auf Verwirklichung als die Schaffung eines zentralisierten, monolithischen „Champions“, sagen Beobachter. Sie würde „zweifellos ein politisches und wirtschaftliches Gleichgewicht darstellen, das für die staatlichen und industriellen Interessengruppen akzeptabel wäre“, zitierte die französische Zeitung „Les Echos“ eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Syndex.

Die europäische Fusionskontrolle gilt bislang als Hemmschuh für eine Konsolidierung der Weltraumaktivitäten. Auf Industrieseite will man ein Umdenken in Brüssel erkennen, grenzüberschreitende Zusammenschlüsse nicht mehr so restriktiv zu behandeln wie bei der 2019 untersagten Großfusion der Zughersteller Siemens und Alstom. Eine größere Offenheit wird nicht zuletzt EU-Verteidigungs- und Raumfahrtkommissar Andrius Kubilius attestiert, wenngleich dieser nicht für Wettbewerbsrecht zuständig ist. Nun müssten den Ankündigungen aber auch Taten folgen, heißt es aus der Industrie. – zumal der Prozess langwierig und komplex sein dürfte, wie Airbus-Finanzchef Thomas Toepfer am Donnerstag hervorhob.

Der Handlungsdruck ist groß

Auch die Staaten sind gefragt. So versandeten frühere Konsolidierungsüberlegungen nicht nur wegen der Fusionskontrolle und divergierender Industrieinteressen, sondern auch wegen politischer Vorbehalte. Denn negative Beschäftigungseffekte sind im Zuge einer Konsolidierung unvermeidlich, wie es auch in der Syndex-Studie heißt. Airbus beschäftigt insgesamt rund 9000 Mitarbeiter in der Raumfahrt, davon etwa 3600 in Deutschland. Vor allem aber handelt es sich beim Satellitenbau um eine militärstrategisch sensible Domäne. Das erschwert eine landesübergreifende Verschmelzung. Selbst in der unternehmensinternen Entwicklung muss grundsätzlich jede Zeichnung von militärisch kontrollierten Gütern, die die Grenze passiert, genehmigt werden. Das ändert sich trotz neuer Bedrohungslage nur langsam.

Dabei ist der Handlungsdruck groß. Der Satellitenbau ist strukturell im Umbruch. Space X und andere Anbieter rollen den Markt auf mit kleinen, günstigen Leo-Satelliten, die eine geringere Übertragungszeit von Datenpaketen ermöglichen. Die traditionelle Kerndomäne der Europäer – große, schwere Geo-Satelliten – haben dadurch an Bedeutung verloren. In jüngster Zeit folgte ein Umsteuern, nachdem sich die Europäer lange auf dem hergebrachten Geo-Geschäft ausgeruht hatten. Airbus musste unlängst den Abbau von bis zu 2500 Stellen in seiner Rüstungs- und Raumfahrtsparte ankündigen. 2024 blieb sie mit einem Minus von rund 650 Millionen Euro defizitär. Insgesamt verdient der Airbus-Konzern getrieben durch die den Bau ziviler Flugzeuge 4,2 Milliarden Euro. Der Umsatz stieg um sechs Prozent auf gut 69 Milliarden Euro.

Der Weltraum wird indes geostrategisch immer wichtiger, wie nicht zuletzt der Einsatz der Starlink-Satellitenkonstellation von Space X im Ukraine-Krieg gezeigt hat. Politik und Militär in Europa sind deshalb bemüht, die eigene Industrie zu stärken und mehr souveräne Systeme zu entwickeln. Im Januar nannten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Raumfahrtverteidigung explizit als einen der „wichtigsten Schlüsselsektoren“ für den Aufbau von Verteidigungsfähigkeiten.

Das geplante europäische Starlink-Pendant Iris2 ist eine Antwort auf diesen gewachsenen Bedarf an weltraumgestützten Instrumenten, um militärische Bedrohungen besser zu erkennen und abzuwehren. Rund 85 Prozent des Vertragsvolumens sollen bis Ende dieses Jahres unterschrieben sein. Einsatzbereit soll Iris2 nach langem Streit um die Finanzierung und Arbeitsanteile aber frühestens 2030 sein.