EU verspricht Ukraine weitere weitere Unterstützung und Rüstungspläne

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Das Schicksal Europas stehe auf dem Spiel, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag in der ukrainischen Hauptstadt. Es war nicht das erste Mal, dass sie diesen Satz in Kiew sagte. Tatsächlich war ihr Solidaritätsbesuch in der ukrainischen Hauptstadt schon der neunte seit Februar 2022. Sie brachte anlässlich des dritten Jahrestags der russischen Vollinvasion allerlei Gäste mit. Auch EU-Ratspräsident António Costa, Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sowie zehn Staats- und Regierungschefs waren nach Kiew gereist. Weitere 24 wurden über Video zu ei­nem Treffen zugeschaltet.

Von der Leyen betonte in ihrer Rede die große Rolle der europäischen Staaten bei der Unterstützung der Ukraine in ihrem Freiheitskampf. „Bisher haben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten die Ukraine mit insgesamt 134 Milliarden Euro unterstützt.“ Das sei mehr Hilfe, als jeder andere geleistet habe, sagte sie – wohl auch an US-Präsident Donald Trump gerichtet.

Von der Leyen hält EU-Beitritt vor 2030 für möglich

Die EU-Kommissionspräsidentin wies auf bisherige Erfolge hin. So sei es mit europäischen Mitteln gelungen, die Haushaltslücke der Ukraine für 2025 zu schließen. Künftig werde die „schnelle Beschaffung von Waffen und Munition“ im Vordergrund stehen. Darüber hinaus kündigte von der Leyen an, eine neue Zahlung in Höhe von 3,5 Milliarden Euro schon im März zu leisten. Dabei handelt es sich um ein Darlehen, das mit Zinserträgen aus der Verwahrung von eingefrorenen russischen Vermögenswerten zurückgezahlt wird.

Weiter teilte die Kommissionspräsidentin mit, den ukrainischen und den moldauischen Strommarkt bis Ende 2026 vollständig in den europäischen Strommarkt zu integrieren. Laut von der Leyen beobachten Autokraten auf der ganzen Welt genau, ob es straflos bleibe, wenn man in sein Nachbarland einfällt und Grenzen verletzt. „Eine Investition in die Souveränität der Ukraine ist eine Inves­tition in die Verhinderung zukünftiger Kriege.“ Ein „gerechter und dauerhafter Frieden“ könne nur durch Stärke erreicht werden. Deshalb werde die EU die ukrainische Wirtschaft und die Energieversorgung stärken und weiter Truppen ausbilden und ausrüsten.

Für einen raschen und erfolgreichen Abschluss der EU-Beitrittshandlungen mit der Ukraine machte von der Leyen in Kiew zumindest vage Hoffnungen. „Ich schätze den politischen Willen, der vorhanden ist, sehr“, sagte sie über Reformbemühungen der Regierung in Kiew. Wenn diese im selben Tempo fortgesetzt würden, könnte das Land „vielleicht“ schon vor 2030 der EU beitreten. EU-Ratspräsident Costa nannte einen möglichen Beitritt die wichtigste Sicherheitsgarantie für die Zukunft der Ukraine.

Auch Staats- und Regierungschefs aus Spanien, Kanada, Dänemark, Estland, Finnland, Island, Litauen, Lettland, Norwegen und Schweden waren persönlich in Kiew. Gemeinsam mit dem ­ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hatten sie am Vormittag vor einem Mahnmal für die gefallenen Soldaten auf dem Maidan im Stadtzentrum Kerzen angezündet und Blumen niedergelegt.

Selenskyj spricht über Rohstoffabkommen

Unterdessen hieß es aus Kiew, die Verhandlungen über ein Rohstoffabkommen mit den USA seien weit fortgeschritten. „Die ukrainischen und amerikanischen Teams befinden sich in der finalen Phase der Verhandlungen über das Mineralienabkommen“, sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Olha Stefanischyna am Montag. Die Gespräche seien bislang „konstruktiv verlaufen, und fast alle wichtigen Details sind geklärt“.

Noch am Vortag hatte Präsident Selenskyj in einer Pressekonferenz seine vorherige Nichtunterzeichnung des Rohstoffabkommens begründet. Der Entwurf habe „nicht den Anforderungen entsprochen“. Selenskyj sagte, man könne zwar auch über Öl und Gas reden. Gleichzeitig müsse aber klar sein, dass die Ukraine dafür Sicherheitsgarantien bekomme. Zudem wies Selenskyj die angebliche Gesamtsumme der amerikanischen Hilfen von 500 Milliarden Dollar abermals zurück.

Er kritisierte, dass Washington eigene Hilfszahlungen nachträglich zu Krediten erklären wolle. „Wir können Finanzhilfen nicht als Schulden anerkennen“, äußerte er. Wohl auch als Reaktion auf den Vorwurf des amerikanischen Präsidenten Trump, der Selenskyj als Diktator bezeichnet hatte, bot der ukrainische Präsident seinen Rücktritt im Gegenzug für den Beitritt seines Landes zur NATO an. Priorität seien Sicherheitsgarantien für die Ukraine und ein NATO-Beitritt sei die beste Variante, sagte Selenskyj in einer Rede am Sonntag. Er habe nicht vor, jahrzehntelang zu regieren.

Derweil dauern die russischen Attacken aus der Luft auch gegen Städte fernab der Front an. In der Nacht zu Montag gab es abermals einen massiven Drohnenangriff. Von insgesamt 185 Drohnen habe die Flugabwehr 113 abschießen können, teilte das ukrainische Militär mit. 71 Drohnen seien vom Radar verschwunden und wohl von der elektronischen Luftabwehr abgefangen worden. Erst am Sonntag hatte die Ukraine den bislang größten russischen Drohnenangriff seit Kriegsbeginn gemeldet und dabei von 267 Angriffsdrohnen gesprochen. Kiew meldete derweil die Beschädigung einer russischen Ölraffinerie in Rjasan durch einen ukrainischen Drohnenangriff.

Die mögliche Rolle Erdoğans

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan empfing am Montag den russischen Außenminister Sergej Lawrow in Ankara – sechs Tage nachdem er an gleicher Stelle mit Selenskyj zusammengetroffen war. Erdoğan versucht, sich als Vermittler oder Gastgeber künftiger Friedensgespräche ins Spiel zu bringen. Das zielt zum einen auf das heimische Publikum, das die Türkei gern als aufstrebende Regionalmacht sieht. Zum anderen will Ankara seine strategische Bedeutung für die Europäer unterstreichen.

In einer Videobotschaft zum dritten Jahrestag des Kriegsbeginns vertrat Erdoğan denn auch Positionen, die von europäischer Seite angesichts der amerikanischen Kehrtwende wohlwollend zur Kenntnis genommen wurden. Er sprach sich „vehement“ für die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine aus. Der Weg „zu einem fairen und dauerhaften Frieden“ sei nur möglich, wenn „beide Seiten des Krieges gleichermaßen und gerecht vertreten sind“. Ein europäischer Diplomat in Ankara bemerkte gleichwohl, es sei bedauerlich, dass Erdoğan nicht von „der Türkei und der Europäischen Union“ als Teil der Lösung gesprochen habe. Angesichts des Vorgehens Trumps wird dem türkischen Vermittlungsangebot ohnehin eher wenig Aussicht auf Erfolg attestiert.

Lawrow sagte in der Pressekonferenz mit dem türkischen Außenminister Hakan Fidan, dass Russland den „Prozess“ mit der amerikanischen Regierung fortsetzen werde, und lobte die amerikanische Position als „kohärent“. Fidan sprach von einer „ergebnisorientierten“ und „gewichtigen“ Initiative Trumps. Die Türkei hofft auf eine Verbesserung der Beziehungen zu Washington und ist sichtlich bemüht, Trump nicht zu verstimmen.