So passen sich Eisbären an den Klimawandel an

3

Stand: 27.02.2025 06:32 Uhr

Die eisfreie Zeit in der Arktis dauert immer länger. Das macht es Eisbären immer schwerer, Nahrung zu finden. Einige der Raubtiere suchen nach neuen Strategien, um zu überleben.

Auf dem Packeis fallen die weißen Eisbären kaum auf. Auch sonst sind die bis zu 450 Kilogramm schweren Riesen perfekt angepasst an das arktische Leben: Ihr dichter Pelz aus hohlen Haaren und eine bis zu elf Zentimeter dicke Speckschicht unter der Haut halten die Wärme effektiv im Körper.

Die Raubtiere ernähren sich vor allem von Robben, die in den Polargebieten zahlreich vorkommen. Trotzdem sagt Meeresbiologe Hauke Flores vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven: “Eisbären in der Arktis stehen insgesamt ziemlich unter Druck durch den Klimawandel.”

Der gefährdet vor allem die Ernährung von “Ursus maritimus”, so der wissenschaftliche Name der Eisbären. Die Tiere verbringen Herbst und Winter auf dem Packeis des Polarmeeres. Darunter schwimmen zu dieser Zeit Ringelrobben mit ihren Jungtieren. Die Säugetiere müssen regelmäßig an Eislöchern auftauchen, um Luft zu schnappen. Dort lauern die Eisbären den fettreichen Robben auf. Denn die liefern genug Energiereserven, mit denen die oft mehr als zwei Meter großen Polarbären den eisfreien Sommer überstehen können.

Meer bleibt länger eisfrei

Seit 1979 hat sich die eisfreie Zeit in den arktischen Meeresgebieten um drei Wochen verlängert – und die Entwicklung setzt sich fort. “Die Eisbären können zum Teil nur noch schwer ihre Jagdgebiete erreichen, weil das Eis einfach zu früh aufbricht und zu dünn ist”, sagt Meeresbiologe Flores.

Besonders trifft das die weiblichen Tiere, die erst nach der Geburt und der ersten Jungtierpflege am Ende des Winters mit der Jagd beginnen. Den Eisbären bleibt also weniger Zeit, um Robben zu fangen. Stattdessen müssen sie länger als früher auf dem Festland bleiben.

Dort begegnen die Menschen entsprechend häufiger den Respekt einflößenden “Nanuq”, wie die Grönländer die Tiere nennen. Das führt zuweilen zu Fehleinschätzungen. Johannes Lang, Biologe an der Universität Gießen, leitet gemeinsam mit Kollegen das seit 1988 laufende Karupelv-Valley-Project im Nordosten Grönlands. “Die einheimischen Jäger dort schütteln regelmäßig den Kopf, wenn sie von Forschern hören, dass es dem Eisbären schlecht geht. Denn sie sehen viel mehr Eisbären als früher”, berichtet er.

Wissenschaftler haben beobachtet, dass manche Eisbären an Land gezwungenermaßen auf andere Nahrungsquellen ausweichen und im Sommer etwa die Eier von Gänsen, Enten oder Seeschwalben fressen.

Einige Bestände schrumpfen, andere nicht

Die Weltnaturschutzorganisaion IUCN schätzt, dass es in der ganzen Arktis zwischen 22.000 und 31.000 Polarbären gibt. Niemand konnte all diese weit verstreut lebenden Tiere bisher genau erfassen. Die Eisbären-Experten-Gruppe der IUCN listet in ihrem jüngsten Bericht 20 Teilpopulationen zwischen Nordsibirien, Spitzbergen, Grönland, dem nördlichen Alaska und Nordkanada auf.

Einige dieser Bestände schrumpfen nachweislich, andere bisher nicht. Für viele fehlen auch belastbare Daten. Trotzdem gehen manche Forschende davon aus, dass die Eisbären bis Ende dieses Jahrtausends aussterben könnten, wenn der Klimawandel ungebremst weitergeht.

Andererseits haben Wissenschaftler festgestellt, dass manche Eisbären an Land gezwungenermaßen auf andere Nahrungsquellen ausweichen. Das Karupelv-Valley-Project hat beobachtet, dass Eisbären im Sommer die Eier von Gänsen, Enten oder Seeschwalben fressen. Ähnliche Berichte gibt es von der norwegischen Insel Spitzbergen. “Das traurige an dieser ganzen Geschichte ist: Das ist nicht nur schlecht für die Vögel, die ihre Brut verlieren”, sagt Biologe Johannes Lang. “Auch dem Eisbären hilft es nicht sehr viel weiter. Noch so viele Eier können die Robben als Energielieferanten nicht ersetzen.”

Tiere werden leichter und kleiner

Auf Spitzbergen und im Norden Kanadas haben Forschende sogar beobachtet, dass Eisbären an Land mittlerweile Rentiere jagen. Allerdings können sie kaum über längere Strecken schnell laufen. Sonst überhitzen sie wegen ihrer dicken Wärmeschutzschicht.

Ein Rentier bringt zwar deutlich mehr Beute als die Vogeleier. Aber die Bären verbrauchen bei der Jagd nach den Hirschen deutlich mehr Energie. Am Ende sei das wenig effektiv, urteilt Biologe Lang. Zumal die weißen Räuber Robben oft im gemächlichen Vorbeigehen packen, also für eine große Portion Nahrung wenig Energie aufwenden müssen.

All das führt dazu, dass es Eisbären in einigen Teilpopulationen heute schlechter geht als vor einigen Jahrzehnten. Das hat zum Beispiel eine Studie des Alaska Science Centers für Tiere in der Hudson Bai im Norden Kanadas festgestellt. “Als ich in den frühen 1980er-Jahren anfing, in dieser Population zu arbeiten, waren die Bären einfach größer und länger. Und wir sehen jetzt viel weniger Jungtiere, weniger Weibchen, die trächtig sind”, sagt Andrew Derocher, Biologe an der University of Alberta im kanadischen Edmonton.

Er und seine Mitarbeitenden haben die Bären in der Hudson Bai genau erfasst: Der Bestand ist von 1.200 Exemplaren vor zwanzig Jahren auf heute etwa 800 gesunken. Im Moment, sagt Derocher, scheint er sich auf diesem Niveau zu stabilisieren. “Aber unsere große Sorge ist, dass wir zu einem Punkt kommen könnten, an dem diese Population sich nicht mehr selbst erhalten kann.” Das könnte passieren, wenn das Meereis weiter zurück geht.