Markus Söder kann aufatmen. Sofern die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD nicht scheitern, wird Robert Habeck in einigen Wochen sein Büro im Bundeswirtschaftsministerium räumen. Aus Sicht des bayerischen Ministerpräsidenten war der Grünen-Politiker zuletzt eine Art Staatsfeind. Nach dem schlechten Wahlergebnis der Grünen stellt sich die Frage nach einer weiteren Regierungsbeteiligung nicht mehr. Im Wirtschaftsministerium wird entweder jemand von der Union oder der SPD sitzen. Doch wird damit automatisch die in Unionskreisen so geächtete grüne Wirtschaftspolitik enden? Es spricht einiges dafür, dass diese Erwartung unrealistisch sein könnte.
Anders als die FDP wollen CDU/CSU am deutschen Klimaziel festhalten. Seit 2021 steht im Klimaschutzgesetz, dass Deutschland im Jahr 2045 unter dem Strich keine CO2-Emissionen mehr ausstoßen soll. Die große Koalition von Angela Merkel (CDU) reagierte damals auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das weitergehende Maßnahmen zum Erreichen des Pariser Klimaziels gefordert hatte.
Klimaneutralität 2045 bedeutet aber: In besagtem Jahr dürfen in Deutschland keine Gasheizungen mehr laufen (zumindest nicht mit Erdgas), keine Verbrenner mehr fahren (zumindest nicht mit Benzin oder Diesel) und keine Stahlöfen mehr mit Koks angefeuert werden. Auch die nächste Bundesregierung wird daher darauf hinwirken müssen, dass klimaschädliche durch klimafreundliche Technik ersetzt wird und es ausreichend Ökostrom für Privathaushalte und Industrie gibt.
CDU und CSU vertrauen auf den Emissionshandel
Die Union will für den Schutz des Klimas vor allem auf den Emissionshandel der EU setzen. Der beruht darauf, dass man zum Nutzen fossiler Energien Verschmutzungsrechte braucht, deren Zahl von Jahr zu Jahr sinkt, wodurch ihr Preis steigt und der Umstieg auf andere Techniken attraktiver wird. Unter Ökonomen ist unstrittig, dass der Emissionshandel das effizienteste Instrument zum Klimaschutz ist.
Es gibt aber berechtigte Zweifel daran, ob die Politik die gezielte Verteuerung klimaschädlichen Verhaltens durchhält. Achim Wambach vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat vor einiger Zeit für die F.A.Z. durchgerechnet, dass schon 2027 allein der CO2-Preis für das Heizen mit Gas eine Durchschnittsfamilie 1000 Euro im Jahr kosten könnte. An der Tankstelle könnte der CO2-Aufschlag für einen Liter Benzin 60 Cent betragen. Wambachs Fazit: „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Politik das nicht durchhält.“
Statt allein auf die Lenkung durch den CO2-Preis zu setzen, könnte sich also auch eine CDU-geführte Bundesregierung gezwungen sehen, Privathaushalte und Unternehmen mit Zuschüssen zu klimafreundlichem Verhalten zu bewegen. Zum Beispiel beim Heizen: In ihrem Sofortprogramm verspricht die CDU, die Reform des Gebäudeenergiegesetzes der Ampelkoalition rückgängig zu machen. Kern dieser Reform war, dass in Großstädten von Mitte 2026 an nur noch klimafreundliche Heizungen wie Wärmepumpen eingebaut werden dürfen, in kleineren Städten ab Mitte 2028.
Hohe Antragszahlen durch Geschwindigkeitsbonus
Das aktuelle Förderprogramm belohnt Hauseigentümer, die schneller aktiv werden mit einem Geschwindigkeitsbonus. Zuletzt sind die Antragszahlen deutlich gestiegen. Auch in der Union weiß man, dass die Bürger solche Zuschüsse schätzen. Nachdem Unionsfraktionsvize Jens Spahn im November noch markig sagte: „Wir beenden die habeckschen Subventionsprogramme“, schlagen andere in der Partei heute zurückhaltendere Töne an.
Man wolle den „Rucksack der Überregulierung abstreifen“, sagt der Klimapolitiker Andreas Jung und verspricht: „Es wird weiter Unterstützung für den Einbau einer Wärmepumpe geben – aber auch für anderen Formen klimafreundlichen Heizens.“ Das dürfte vor allem auf Holzpellet- oder Infrarotheizungen zielen, die das aktuelle Gesetz nur mit diversen Einschränkungen erlaubt.
Auch auf Subventionen für Unternehmen wird eine CDU-geführte Regierung kaum verzichten können. Nicht nur, weil einst der CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier die Fördertöpfe für Batterie- und Chipfabriken sowie für die Herstellung von Wasserstoff gemeinsam mit seinen Kollegen aus anderen EU-Ländern eingeführt hat. Auch die CDU-Ministerpräsidenten haben ein großes Interesse daran, mithilfe von großzügigen Zuschüssen Unternehmen nach Deutschland und speziell in ihr Bundesland zu lotsen. In Sachsen-Anhalt hofft CDU-Landesvater Reiner Haseloff immer noch darauf, dass Intel dort seine Chipfabrik baut, auch wenn die Steuerzahler dafür mindestens 10 Milliarden Euro zuschießen müssten – eine Summe, die selbst der Industriepolitik zugeneigte Ökonomen als zu hoch ansehen.
Hohe Subventionen für klimafreundliche Techniken
Die vermutlich verlorenen 600 Millionen Euro Zuschuss zur Fabrik des insolventen Batterieherstellers Northvolt flossen auch deshalb, weil CDU-Ministerpräsident Daniel Günther auf ein Zeichen des Aufschwungs für diese strukturschwache Gegend in Schleswig Holstein hoffte. In Nordrhein-Westfalen wiederum kämpft CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst gemeinsam mit dem Bund darum, dem Stahlhersteller Thyssen-Krupp mit einem Milliardenzuschuss die Umstellung auf Wasserstoff schmackhaft zu machen.
Und dann ist da noch die Digitalwirtschaft, die die CDU „mit souveränen KI- und Cloudanwendungen“ vorantreiben will. Es ist davon auszugehen, dass das geplante eigenständige Digitalministerium auch da mit Fördermitteln nachhelfen will. Ohnehin würde die CDU im Bund nicht alleine regieren, sondern sie müsste mit der SPD Kompromisse schmieden. In ihrem Wahlprogramm haben die Sozialdemokraten nicht weniger, sondern mehr Industriepolitik gefordert. Dass die Netzentgelte auf den Strompreis insbesondere für energieintensive Unternehmen sinken sollen, darin sind sich Union und SPD einig.
Die Sozialdemokraten wollen zudem eine Prämie für „Zukunftsinvestitionen“ und einen Deutschlandfonds für den Bau von Strom-, Wärme- und Wasserstoffnetzen sowie Ladesäulen einführen. Den Absatz von Elektroautos wollen sie mit einem Steuerrabatt für in Deutschland produzierte Fahrzeuge fördern. In diesem Punkt könnten die Verhandler sich schnell einigen. Im Wahlkampf stellte Markus Söder eine „neue E-Mobilitätsprämie“ sowie vergünstigten Ladestrom in Aussicht. Wenn es um das Überzeugen bayerischer Wähler und BMW-Mitarbeiter geht, wird auch der CSU-Chef zum Vertreter grüner Wirtschaftspolitik.