Europa will nach Eklat von Trump und Selenskyj einen Friedensplan entwerfen

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Der britische Premierminister Keir Starmer hat bei einem europäischen Gipfeltreffen in London am Sonntag einen Friedensplan für die Ukraine in Aussicht gestellt. Starmer sagte, es gebe zwischen den Beteiligten, also auch zwischen Washington und Kiew, nun Einigkeit darüber, dass Frankreich, Großbritannien und „ein oder zwei weitere Staaten“ mit der Ukraine einen Vorschlag ausarbeiten, wie ein dauerhafter Frieden erreicht werden könne. Dieser Plan solle dann mit den Vereinigten Staaten erörtert werden. Starmer sagte am Ende des Treffens, es sei darum gegangen, „unsere Partner“ hinter diesen Absichten zu versammeln.

Zunächst gehe es darum, die Ukraine „in eine möglichst starke Lage“ zu versetzen, damit sie „aus einer Position der Stärke“ heraus über Waffenstillstand und Frieden verhandeln könne. Wenn es eine Vereinbarung geben solle, dann müsse sich die Ukraine verteidigen können. Es gelte, aus dem „schwachen Abkommen von Minsk“ nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 zu lernen, das Russland unzureichend bewehrte Vereinbarungen jederzeit brechen könne.

„Koalition der Willigen“ für Truppen in der Ukraine

Eine „Koalition der Willigen“ müsse anschließend durch die Entsendung von Truppen die Einhaltung des Friedens in der Ukraine sichern helfen. Großbritannien und einige andere Länder seien bereit, Bodentruppen und Flugzeuge zu diesem Zweck zu entsenden. Schließlich brauche es dann „die starke Rückendeckung der USA. Starmer deutete an, dass Trump dafür habe Wohlwollen erkennen lassen in den Telefonaten, die er mit ihm am Wochenende führte.

Teilnehmer des Ukraine-Gipfels in London am Sonntag
Teilnehmer des Ukraine-Gipfels in London am SonntagReuters

Am Freitag war es beim Besuch Selenskyjs im Weißen Haus zu einem Eklat gekommen. Starmer bemüht sich nun, zwischen den Präsidenten Trump und Selenskyj zu vermitteln. Es gehe darum, den Westen wieder auf einen gemeinsamen Weg zu einem Waffenstillstand und Frieden für die Ukraine zu bringen. Starmer versammelte am Sonntag die Staats- und Regierungschefs der großen und einiger kleinerer europäischer Staaten in London. Auch die Spitzen von EU und NATO, der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau und der Außenminister der Türkei, Hakan Fidan, reisten an. Am Morgen führte Starmer Telefonate mit den Präsidenten der drei baltischen Staaten.

Ursprünglich hatte Starmer die europäischen Verbündeten über seine Begegnung mit Trump vom vergangenen Donnerstag informieren wollen. Nun kam es ihm darauf an, „Brücken zu bauen“ über die Differenzen, die am Freitag zwischen Selenskyj und Trump aufgetreten waren. Mit beiden hatte Starmer vor dem Sonntagsgipfel jeweils zweimal gesprochen, Selenskyj war am Samstagnachmittag zu einer längeren Konsultation in die Downing Street gebeten worden.

König Charles III. empfängt Selenskyj

Selenskyj verließ den Gipfel nach zwei Stunden, um per Hubschrauber nach Sandringham zu fliegen, wo er von König Charles III. empfangen wurde. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Ende des Treffens, es werde einen Vorschlag der Europäer schon in den nächsten Tagen geben. Es sei den Europäern auch klar, dass es jetzt „über eine längere Zeit hinweg“ stark steigende Verteidigungsausgaben geben müsse. „Wir müssen auf den schlimmsten Fall vorbereitet sein.“ NATO-Generalsekretär Mark Rutte sagte, dass einige Länder angekündigt hätten, ihre Verteidigung zu stärken. Bundeskanzler Olaf Scholz bekannte sich in London abermals zur finanziellen und militärischen Unterstützung der Ukraine. Frieden in der Ukraine werde erreicht, indem Russland den Krieg beende.

König Charles III. empfängt am Sonntag Wolodymyr Selenskyj auf dem Landsitz Sandringham.
König Charles III. empfängt am Sonntag Wolodymyr Selenskyj auf dem Landsitz Sandringham.dpa

Starmer wiederholte die Einschätzung, die sicherheitspolitische Lage stehe an einem historischen Scheidepunkt. Der Premierminister ging in einem BBC-Interview auch auf seine Beurteilung der Szene im Oval Office am vergangenen Freitag ein. Natürlich habe er sich „unbehaglich gefühlt“, als er gesehen habe, wie Trump und Vizepräsident J. D. Vance auf Selenskyj eingeredet und ihn bevormundet hätten. Aber dann habe er „die Ärmel hochgekrempelt und zum Telefonhörer gegriffen“ und mit Trump und Selenskyj gesprochen.

Am Samstagabend unterzeichneten Selenskyj und die britische Finanzministerin Rachel Reeves ein weiteres Darlehen in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro für die Ukraine. Am Sonntag kündigte Starmer an, die Ukraine werde umgerechnet weitere rund zwei Milliarden Euro erhalten, um in Großbritannien fast 5000 zusätzliche Flugabwehrraketen kaufen zu können. Auch andere Teilnehmer an der Konferenz hätten weitere Hilfen zugesagt.

Frankreichs Präsident Macron hat laut eigenen Angaben nach dem Eklat in Washington sowohl mit Trump als auch mit Selenskyj gesprochen und sie zur „Rückkehr zur Ruhe“ aufgerufen. Am Samstag schlug er gegenüber der Zeitung „Le Parisien“ einen „strategischen Dialog“ mit den europäischen Partnern vor, die nicht über Atomwaffen verfügen. „Wir haben einen Schutzschild, sie nicht“, sagte Macron und fügte hinzu: „Sie können nicht länger von der nuklearen Abschreckung der USA abhängen.“ Der Zeitung „Le Journal du Dimanche“ sagte Macron, es würde zwischen fünf und zehn Jahren dauern, eine von der NATO unabhängige europäische Verteidigung aufzubauen.