Die Hamburger stutzen die Ampelparteien

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Der Mann, dem die SPD einen ihrer seltenen Wahlsiege verdanken kann, wird auf der Wahlparty seiner Partei mit „Peter, Peter, Peter, Peter, Peter . . .“-Rufen empfangen. „Die Lage war für uns knifflig“, sagt Peter Tschentscher. Er ist seit 2018 Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg und wird dies nach Lage der Dinge auch bleiben.

Dabei habe man zwei Wahlkämpfe gleichzeitig führen müssen. Den einen, um im Bund Erfolg zu haben, den anderen, um in Hamburg Erfolg zu haben. Nur Letzteres gelang den Sozialdemokraten. „Hamburg ist anders“, konstatiert Tschentscher.

Anders ist Hamburg allein schon deshalb, weil es kein Flächenland, sondern mit seinen fast zwei Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Deutschlands ist. Und eine rote Hochburg. Die bleibt Hamburg auch nach diesem Wochenende. Aber diese Tatsache kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um das zweitniedrigste Ergebnis der SPD in der Stadt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs handelt.

Ergebnisse der Bürgerschaftswahlen in Hamburg seit 1946

SPD

Grüne

CDU

Linke

AfD

FDP

Das hat vermutlich auch mit bundespolitischen Einflüssen zu tun – wenngleich die Hamburger in Nachwahlbefragungen ihrem Senat – im Gegensatz zur auseinandergebrochenen Ampelkoalition im Bund – gute Noten geben. Anders ist es kaum zu erklären, weshalb die Sozialdemokraten nun aus sieben der vergangenen acht Wahlen in Deutschland geschwächt herausgehen.

Ein Politikwechsel steht wohl nicht an

Bei den Grünen ist es die zehnte Wahl in Folge mit Verlusten, bei der FDP sogar schon die 13. Wahl in Folge. Die Ampel im Bund und ihr Scheitern wirkt also immer noch nach – und so stutzen nun auch die Hamburger die ehemaligen Ampelparteien.

Das bisherige Hamburger Bündnis Rot-Grün bleibt aber für die Bürger klar Wunschoption Nummer eins. Das zeigen Umfragen nach der Wahl und auf die verweist Tschentscher noch am Sonntagabend.

Von einem Wunsch der Wähler nach einem „Politikwechsel“, den die CDU aus ihren Gewinnen herausliest, kann tatsächlich nicht die Rede sein. Allerdings könnte Tschentscher die Option mit der CDU nutzen, um in Verhandlungen mit den Grünen mehr durchzusetzen. Am Ende wird die SPD aber vermutlich ein großes Interesse daran haben, die Grünen als Juniorpartner zu behalten. In dieser Rolle dürften sie es schwerer haben, der SPD in Zukunft Platz eins streitig zu machen.

Heiß diskutiert wurde, ob die Bürgerschaftswahl am gleichen Tag wie die Bundestagswahl stattfinden soll. Dafür hatte die CDU plädiert, konnte sich aber nicht durchsetzen. Womöglich wäre dann der Abstand zwischen den Christdemokraten und den Sozialdemokraten in Hamburg geringer ausgefallen.

Selbst in Hamburg werden die hohen Mieten zum Problem

So aber verschlechtern sich im Vergleich zum Hamburger Bundestagswahlergebnis vor gut einer Woche alle größeren Parteien. Nur die SPD legt innerhalb von sieben Tagen deutlich zu.

Auch wenn die Bundespolitik eine Rolle gespielt haben dürfte, können doch offenbar viele Bürger zwischen den verschiedenen Wahlen unterscheiden. Und so profitiert die SPD etwa vom Amtsbonus Tschentschers. Zwei von drei Hamburgern sind mit seiner Arbeit zufrieden. Es zeigt sich: Hamburg wünscht sich auch personell ein Weiter-so.

Dabei haben die Einwohner durchaus Sorgen. Zum Beispiel, was die Mieten angeht. Hamburg gilt manchen zwar als Vorbild beim Wohnungsbau, dennoch ist es mittlerweile schwer geworden, eine Wohnung zu finden. Hier zeigen sich die Wachstumsschmerzen der Metropole.

Wahlentscheidende Themen vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg

Forschungsgruppe Wahlen

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Von diesem Thema profitiert die Linke, die ihr bislang stärkstes Ergebnis in Hamburg erzielt. Zweistellig in Westdeutschland, das ist für die Partei keine Selbstverständlichkeit. Erst recht nicht, nachdem sie sich in den vergangenen Jahren eher durch Streit als durch Geschlossenheit hervorgetan hatte. „Das Comeback geht weiter“, sagt der Bundesvorsitzende Jan van Aken am Wahlabend. Und: „Wir brauchen einen bundesweiten Mietendeckel.“

Ebenfalls ihr bislang stärkstes Ergebnis in der Stadt erzielt die AfD. In Hamburg, das aufgrund seines Hafens als „Tor zur Welt“ bezeichnet wird und als liberal gilt, kann die Partei aber nicht an ihre Erfolge aus den vergangenen Monaten anknüpfen.

Auffällig ist, dass die Wahlbeteiligung in Hamburg – wie schon bei anderen Wahlen zuletzt – gestiegen ist. Und das, obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Regierungswechsels im Vorhinein als gering angesehen worden war.

Vor allem der CDU gelingt es, ehemalige Nichtwähler zu mobilisieren. Aber auch SPD, AfD, Grüne und Linke tragen dazu bei, dass mehr Menschen in Hamburg von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen als noch vor fünf Jahren.