Künstliche Inseln sollen den drohenden Untergang abwenden

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Das Wasser steigt, die Malediven drohen zu versinken. Die Regierung baut künstliche Inseln, um dem Schicksal zu entkommen – und schafft damit neue Probleme.

Weiße Traumstrände, Palmen und entspannte Lebenslust: Als sich 2015 die damalige Außenministerin der Malediven in einer Rede an die Vereinten Nationen wandte, provozierte sie solche Bilder in den Köpfen ihrer Zuhörer. Dunya Maumoon sprach von kleinen Kindern, die am Strand spielen, während Wellen um ihre Füße plätschern. Sie erzählte von der angenehm kühlenden Brise des Ozeans und dem Fischer, der hinaus aufs Meer blickt – nur um im nächsten Moment die blumig ausgemalte Idylle krachend einstürzen zu lassen. Beim Blick aufs Wasser könnten sie sich nicht vorstellen, “dass ebendiese Gewässer zu unserem nassen Grab werden”, sagte Maumoon.

Aber genauso düster wie von Maumoon beschrieben könnte es kommen, sollten die Prognosen der Wissenschaftler zutreffen. Seit ihrer Rede hat sich die Situation weiter verschlechtert: Der weltweite CO2-Ausstoß hat weiter zugenommen, die Malediven drohen buchstäblich zu versinken.

Denn die rund 1.200 Koralleninseln, die das Land bilden, liegen nur rund einen bis anderthalb Meter über dem Meeresspiegel. Wenn bis zum Jahr 2100 der Meeresspiegel, wie in den pessimistischsten Klimamodellen vorhergesagt, um einen ganzen Meter steigt, wären einige Teile der Malediven möglicherweise schon in zwei bis drei Generationen überspült.

Menschliches Leben könnte dort sogar schon vorher unmöglich werden: Wissenschaftliche Studien zeigen, dass rund 80 Prozent der Inseln bereits Mitte des 21. Jahrhunderts akut bedroht sind, weil auf ihnen das Süßwasser versalzt und ständige Überschwemmungen die Infrastruktur zerstören.

Erhebliche Teile der Mangrovenwälder ertrinken schon jetzt im Meer: Bei Flut werden immer größere Bereiche überschwemmt, das Salz im Wasser lässt viele der Bäume absterben, die bislang noch die Küsten schützten. Währenddessen sterben auch die Korallen, sie verkraften die zunehmende Hitze im Meer nicht. Der Tourismus- und Klimaexperte Harald Zeiss weist auf Forschungsergebnisse hin, die zeigten, dass schon bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad 70 bis 90 Prozent der Korallenriffe gefährdet sind. “Bei zwei Grad wären es nahezu 100 Prozent.”

Der Professor für Tourismusmanagement und Betriebswirtschaft leitet in Wernigerode (Sachsen-Anhalt) das Institut für nachhaltigen Tourismus. Er glaubt zwar nicht an einen vollständigen Untergang der Malediven bis 2100, aber er ist sich sicher: “Die Lebensbedingungen werden sich dramatisch verschlechtern.”

Und dadurch wird sich auf den Malediven einiges ändern. Zumal auch der Tourismus, der aktuell fast 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, in Gefahr ist. Zeiss zählt die einzelnen Parameter auf: Hitze lässt den Aufenthalt im Freien unangenehm bis gesundheitsgefährdend werden. Stürme und Überschwemmungen untergraben die Planungssicherheit für Reiseveranstalter. Sterben die Riffe, verschwindet eine der Hauptattraktionen für Urlauber.

Und irgendwann werde die Entwicklung wohl auch von Bürgerprotesten und Hungersnöten begleitet, sagt Zeiss: “Denn ohne Fischerei – Stichwort Riffe – wird das Überleben der Einwohner deutlich schwieriger.”