Ein verschwundener Palast, ein legendärer König und ein jahrhundertealtes Rätsel – Archäologen gelingt ein spektakulärer Fund.
Jahrhundertelang galt sein Palast als verloren – jetzt haben Archäologen ihn gefunden. Mittels einer Kombination aus Bodenradar, früheren archäologischen Ausgrabungen und Informationen aus einem Kunstwerk aus dem 11. Jahrhundert ist es Forschern zweier britischer Universitäten gelungen, den Hauptsitz von König Harold II. zu lokalisieren, dem letzten angelsächsischen Herrscher Englands.
Der Monarch war 1066 in der Schlacht von Hastings besiegt und brutal getötet worden. Wo Harold nach seinem Tod bestattet wurde, war danach nicht klar. Er ist der einzige englische Monarch, dessen letzte Ruhestätte ungewiss ist. Traditionell wird angenommen, er könnte in Waltham Abbey in Essex begraben worden sein. Einige mittelalterliche Quellen liefern jedoch Informationen, die dem widersprechen.
Sie legen nahe, dass der König möglicherweise in Bosham begraben wurde – wo sich einst sein Palast befunden habe. Tatsächlich wurden 1954 die Überreste eines hochrangigen angelsächsischen Mannes unter der Kirche von Bosham gefunden. Sie wurden jedoch nie wissenschaftlich untersucht – obwohl mehrere Merkmale mit dem übereinstimmen, was über Harold und seinen Tod bekannt ist.
Nicht nur dieser Fund legte nahe, dass sich der Palast von Harold II. in Bosham befunden hat. Zwei weitere entscheidende Hinweise führten die Forscher nun zum Palaststandort: Zum einen erwähnt die Angelsächsische Chronik, dass der König einen Palast in oder nahe Bosham besaß. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von frühmittelalterlichen Annalen aus dem angelsächsischen England. Eine erste Version der Chronik entstand vermutlich um das Jahr 890 am Hof von König Alfred dem Großen von Wessex.
Zum anderen zeigt der berühmte Teppich von Bayeux, wie Harold sich einem palastartigen Gebäude in Bosham nähert. Das mittelalterliche Kunstwerk ist als ein Bildbericht der normannischen Eroberung aus dem 11. Jahrhundert zu verstehen.
Doch diese mittelalterlichen Quellen zeigen nicht genau, wo sich der Palast in der Gegend von Bosham befunden hat. Erst die kürzlich durchgeführte Neuanalyse archäologischer Daten durch Wissenschaftler der Universitäten Newcastle und Exeter brachte den genauen Standort des Palastes ans Licht. Ein großer Graben, Spuren eines gefliesten Gebäudes und die Reste einer Toilette führten die Archäologen zum Fund. Vor allem die Toilette lieferte den entscheidenden Hinweis. Denn sie war im 11. Jahrhundert ein ausgesprochener Luxus, der nur der obersten Gesellschaftsschicht vorbehalten war.
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“Wenn man sich alle Beweise ansieht, besteht kein Zweifel daran, dass wir nun den Standort von König Harolds wichtigstem Machtzentrum identifiziert haben, das auf dem berühmten Teppich von Bayeux abgebildet ist”, erklärte Duncan Wright. Der Dozent für mittelalterliche Archäologie an der Newcastle University leitete in Zusammenarbeit mit Professor Oliver Creighton von der University of Exeter die archäologischen Arbeiten. Das Ergebnis der Arbeit wurde in der Fachzeitschrift “Antiquaries Journal” veröffentlicht.
Die archäologischen Untersuchungen haben ergeben, dass Harolds königlicher Palastkomplex etwa einen Hektar Land umfasste und aus mehreren Gebäuden bestand, darunter einer großen Holzhalle. Er befand sich neben einem Hafen und einer Kirche und war von einem 250 Meter langen und drei Meter breiten Graben umgeben.
Harold II. regierte nur neun Monate, doch sein Tod in Hastings hatte enorme Folgen: Die normannische Eroberung veränderte England für immer – politisch, kulturell und sprachlich. Doch das Jahr 1066 war nicht nur für England turbulent. Überall in Europa tobten Kriege: Frankreich, Deutschland, Dänemark, Schweden, Spanien, Portugal, Italien und Ungarn waren in blutige Konflikte verstrickt.
Harolds Niederlage war Teil eines größeren geopolitischen Machtkampfes. Während Wilhelm der Eroberer Unterstützung vom Heiligen Römischen Reich, Frankreich und dem Papst erhielt, musste sich Harold weitgehend allein behaupten – vielleicht mithilfe Dänemarks und Irlands.