Warum China „Kaiser Trump“ nach Oval-Office-Eklat nicht kritisiert

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Die Angriffe des amerikanischen auf den ukrainischen Präsidenten bieten der Pekinger Propaganda viel Stoff. Das Ereignis im Weißen Haus zeige, dass „den USA nicht zu trauen ist“, verbreitete Chinas Auslandssender CGTN. Zu dieser Einsicht solle nun auch Taiwan kommen. Zudem müsse man sich fragen: „Wo ist Europa? Wo ist jetzt die NATO?“ Allen sei nun klar, dass „die NATO die hart arbeitenden Europäer nicht repräsentiert, sondern eine militärische Satellitenorganisation ist, mittels der Amerika die Fäden zieht“. Soweit, so erwartbar nutzte Chinas Propagandasender die Situation aus.

Doch Donald Trump selbst wird persönlich nicht angegangen. Das Außenamt in Peking wollte am Montag keinen Kommentar zum Wortgefecht zwischen Wolodymyr Selenskyj und Trump abgeben. Ein Sprecher wiederholte lediglich die Formel, dass China weder Schuld am Krieg habe, noch Partei ergreife und „alle Friedensbemühungen unterstützt“.

Doch selbst hält sich die Volksrepublik im Hintergrund. Peking will den amerikanischen Präsidenten nicht gegen sich aufbringen, der sich China gegenüber bislang zahm verhält. Zudem steht Trumps Haltung zur Ukraine weitgehend im Einklang auch mit der Haltung Pekings, dass etwa die NATO-Osterweiterung mitschuldig am Krieg sei. Schließlich stützt Washington neuerdings Chinas Verbündeten in Moskau und spaltet Europa und die USA – ein lange gehegtes Ziel der Chinesen.

Vorübergehende Entspannung scheint möglich

Zum anderen fürchtet Peking selbst die Rache des Mannes im Weißen Haus und hofft weiter auf einen Deal. „China weiß dieses Mal viel besser, wie man mit Trump umgeht, und wird dessen transaktionale Natur viel besser ansprechen können“, sagte der gut vernetzte ehemalige Chefredakteur Wang Xiangwei der „South China Morning Post“ am Montag in der Zeitung. „Die Konfrontation zwischen beiden Ländern wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen“, betont Wang. „Aber derzeit sehen wir eine Phase relativer Ruhe, und beide Seiten erwarten, dass sie Dinge besprechen können.“

So scheint nicht ausgeschlossen, dass es zwischen Amerika und China zu einer vorübergehenden Entspannung kommt. Während Peking wahrnimmt, dass eine Erwärmung der Beziehungen zwischen den USA und Russland auf Kosten der Volksrepublik gehen könnte, hält sich die Besorgnis darüber laut verschiedenen Beobachtern wohl in Grenzen. Nach einem Telefonat zwischen Staats- und Parteichef Xi Jinping und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hieß es vergangene Woche jedenfalls von chinesischer Seite, die Beziehungen zwischen China und Russland würden „nicht von einer dritten Partei beeinträchtigt“. Die russische Seite teilte mit, die Beziehung zu Peking sei „nicht von außen beeinflussbar“. Wie häufig, hält Peking sich die Möglichkeiten offen, ohne sich zu exponieren.

China hofft auf einen Deal mit Trump

Gegenüber Trump setzt Peking derzeit eher auf Zurückhaltung. Eine Anleitung dazu stellte jetzt Ren Yi ins Internet, der prominente Enkel des früheren Parteichefs der Provinz Guangdong: Selenskyj habe Trumps „Amerika Zuerst“-Interessen ignoriert, schrieb Ren seinen mehr als zwei Millionen Followern im chinesischen Internet. Ironisch fügte er hinzu: „Die wichtigste Aufgabe für die Zukunft ist herauszufinden, wie man den Imperator Trump zufriedenstellen kann. Wie kann man Kaiser Trump gefallen? Wie kann man Kaiser Trumps Zweifel ausräumen?“ Peking achtete darauf schon zur Amtseinführung Trumps, als die Chinesen zum ersten Mal überhaupt einen Vizepräsidenten zu der Zeremonie nach Washington schickten.

Trump wiederum sprach zuletzt immer wieder respektvoll über Xi: „Ich mag Präsident Xi sehr. Ich habe ihn immer gemocht“, sagte Trump vor wenigen Wochen, und dass er sich darauf freue, „mit China auszukommen“. Es war ein ganz ähnlicher Wortlaut wie ihn Xi zuvor laut offiziellen Verlautbarungen formuliert hatte: dass China und die USA einen Weg finden müssten, „miteinander auszukommen“.

Gerüchte über einen „Deal“ zwischen Trump und Peking halten zwar viele für verfrüht und unrealistisch. Den Chinesen aber wäre ein Geschäft durchaus recht. Seit Trumps Wahlsieg sollen sich chinesische Vertreter in Washington die Klinke in die Hand geben, um entsprechende Möglichkeiten auszuloten. Trumps bisherige Zusatzzölle und Handelsbeschränkungen hält der frühere Chefredakteur Wang Xiangwei etwa für „Verhandlungstaktik“. Auch die jeweiligen chinesischen Gegenmaßnahmen und Zölle seien noch „moderat und zurückhaltend“. In einem ungewöhnlichen Schritt ließ die Staatsführung am Montag als Reaktion auf die neuesten US-Zölle das Staatsmedium „Global Times“ schreiben, China „prüft entsprechende Gegenmaßnahmen“, ohne wie üblich direkt zu reagieren.

Und auch zur Ukraine lässt Peking andere zu Wort kommen. So erschien am Montag in der Staatsnachrichtenagentur Xinhua ein seltener Bericht aus Kiew, in dem der chinesische Reporter einen weinenden Ukrainer zitierte, dessen Sohn an der Front vermisst wird: „Dies ist ein Albtraum, und schlimmer noch, die Vereinigten Staaten haben uns jetzt verraten.“ Einen anderen Ukrainer zitiert Xinhua mit den Worten, die USA hätten die Ukraine betrogen: „Wir sind in die Falle getappt“. Dass aber Trump der Urheber der Falle ist, so weit geht man nicht. Dazu ist Amerikas Präsident zu unberechenbar – und für China derzeit auch zu wertvoll.