Bis zum Jahr 2030 sollen von Europa aus keine Schadstoffe mehr in die Nord- und Ostsee, ins Mittelmeer und in den Atlantik gelangen. Dieses Ziel hat sich die EU gesetzt. Die 22 Meeresanrainerstaaten in der EU haben daher die Gesetze verschärft und an internationale Regeln angepasst, die verhindern sollen, dass Schiffe die Umwelt verschmutzen. Sie tun aber zu wenig dafür, dass die Gesetze eingehalten werden, kritisiert der Europäische Rechnungshof. Die Kontrollen seien unzureichend, die Sanktionen zu mild, und Verschmutzer müssten selten mit Strafe rechnen, steht im Sonderbericht dazu, der am vierten März erschienen ist. „Die Umsetzung hinkt hinterher“, sagte Rechnungsprüfer Nikolaos Milionis.
Woher kommt das Öl im Meer?
80 Prozent der EU-Meeresgewässer waren 2019 mit Schadstoffen belastet und 75 Prozent durch Abfälle verunreinigt, wie die Umweltagentur der EU damals feststellte. Schiffe gelten als eine der Hauptquellen für die Verschmutzung. Dennoch ist weitgehend unbekannt, kritisiert der Rechnungshof, wie viel Öl, Schadstoffe und Abfälle tatsächlich von Schiffen ins Meer gelangen oder wer die Verursacher sind.
Weltweit gelangen je nach Messmethode und Informationsquelle jedes Jahr zwischen einer und 4,5 Millionen Tonnen Öl in die Meere. Schiffe verlieren nicht nur bei Unfällen Öl, diese machen nur etwa 10 Prozent der Verschmutzungen aus. Viel häufiger lassen Schiffsbesatzungen einfach Öl im Meer ab oder reinigen auf hoher See ihre Tanks, dadurch gelangt etwa ein Drittel des Öls ins Wasser.
Die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs, EMSA, betreibt seit dem Jahr 2007 das Satellitenüberwachungssystem CleanSeaNet, das dabei helfen soll, Öl und Müll im Meer zu erkennen. Allerdings ist die Satellitenüberwachung nicht lückenlos. Zudem müssen die Mitgliedstaaten, wenn Bilder vor Ölteppichen oder -lecks warnen, die CleanSeaNet-Meldungen selbst überprüfen, und das möglichst schnell. In Deutschland geschieht dies in 30 Prozent der Fälle, EU-weit nur in sieben Prozent.
Das CleanSeaNet-Überwachungssystem erkennt nicht, wenn ein Schiff farblose Chemikalien oder Rückstände aus Abgasreinigungssystemen ins Meer verklappt. Daher empfiehlt der Europäische Rechnungshof, dass in der EU Methoden entwickelt werden, die auch solche Schadstoffe entdecken.
Verlorene Container und Fischfanggeräte
Bei Sturm und schwerer See gehen jedes Jahr in EU-Gewässern Container über Bord: 2023 waren es 50 Stück, 2021 über 1000, im Jahr 2019 fast 400. Sie setzen beispielsweise Kunststoffgranulat frei. Granulat, das auf See oder an Land verloren geht, ist die drittgrößte Quelle von Mikroplastik in der Umwelt. In den Jahren 2019 und 2020 gelangten 11 Tonnen beziehungsweise 13 Tonnen in die Nordsee.
Schlecht gesicherte Container können auf See auch weitere Unfälle verursachen, die wiederum Umweltkatastrophen hervorrufen. Und wenige werden wieder aus dem Meer geholt: Von den 1200 Containern, die von 2003 bis 2014 zwischen Atlantik und Nordsee im Meer versanken, wurden nur 49 geborgen.
Auf internationaler Ebene gibt es von 2026 an eine Meldepflicht für Containerverluste. In der EU müssen Kapitäne bereits heute den nächstgelegenen Küstenstaaten melden, wenn Container ins Meer fallen. Ein Garantie, dass alle Container im Meer erfasst würden, gebe es nicht, schreibt der EU-Rechnungshof.
Ähnliches gilt für Fischernetze und andere Fischfanggeräte, die verloren gehen oder zurückgelassen werden. 16 Prozent des Mülls, der an den Stränden gefunden wird, stammen nach Angaben der EU-Rechnungsprüfer aus dem Fischfang.
Fazit des EU-Rechnungshofs ist: Die Meeresanrainer in der EU werden ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht, wenn es darum geht, die Meeresökosysteme zu erhalten. Gesunde Meere seien aber die Voraussetzung für biologische Vielfalt, Fischbestände und die Fähigkeit der Meere, Kohlendioxid zu binden. Neben besserer Überwachung müssen nach Auffassung der Prüfer die EU-Staaten mehr Daten erheben und dies einheitlich, sodass sie vergleichbar und besser zugänglich sind. Nur so ließe sich verfolgen, ob die EU Fortschritte macht und ihre ambitionierten Ziele einhalten kann.