Klimawandel: Skigebiete im Umbruch | tagesschau.de

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Stand: 05.03.2025 05:02 Uhr

Besucheransturm und Klimawandel: Die Skigebiete in den Alpen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Wie genau, zeigt eine exklusive Datenauswertung des BR. Es geht um Schneesicherheit und immer größere Kapazitäten.

Von Constanze Bayer, Georg Bayerle, Simon Wörz, BR

Skitrainerin Malin Friese ist an einem sonnigen Februartag im Skigebiet am Spitzingsee in Oberbayern unterwegs. Sie steht dem Skiclub in Miesbach vor und sitzt dort für die Grünen im Stadtrat. Spitzingsee ist ihr Haus-Skigebiet, hierher kommt sie mehrmals pro Woche mit ihren Kindern.

Seit sie hier in den 80er-Jahren selbst Skifahren gelernt hat, hat sich viel verändert: “Hinter uns sieht man den Roßkopf-Lift. Das war früher ein Tellerlift. Da hat man Fertigkeiten gebraucht, um überhaupt im Lift hochzukommen.” Außerdem fallen ihr besonders die Schneekanonen ins Auge. Beschneiung, sagt sie, sei das Thema: “Man weiß, wenn man hier nicht beschneien würde, könnte man nicht mehr überall hier fahren.”

Daten aus fast 40 Jahren ausgewertet

Dass sich Skigebiete in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben, ist Besuchern und Experten klar. Um diesen Wandel in konkrete Zahlen zu fassen, hat das Datenteam des Bayerischen Rundfunks Informationen über Skigebiete aus den vergangenen 40 Jahren ausgewertet. Grundlage dafür sind die Ski-Atlanten des ADAC und aktuelle Daten von schneehoehen.de.

Im ADAC-Skiatlas, der von 1986 bis 2019 fast jährlich erschien, werden beliebte Skigebiete aufgeführt, versehen mit kurzen Beschreibungen und technischen Informationen wie zum Beispiel Anzahl und Art der Lifte, Beförderungskapazitäten und Länge der Pisten. BR Data hat 183 Skigebiete in den deutschen und österreichischen Alpen ausgewertet, 35 davon in Bayern. Die Modernisierung und Industrialisierung der Skigebiete zeigt sich vor allem bei der Beschneiung und den Liftkapazitäten. Die Liftkapazität beschreibt, wie viele Menschen pro Stunde in einem Lift auf einen Berg fahren können.

Trend auch in Bayern

Zwischen 1993 und heute wurden die Liftkapazitäten in Deutschland um rund 15 Prozent gesteigert. In Österreich insgesamt um rund 56 Prozent, im Bundesland Tirol um rund 76 Prozent. Erreicht wurde das unter anderem dadurch, dass Schlepplifte durch bequemere Sessellifte oder später kleine Sessellifte durch größere ersetzt wurden, oft mit zusätzlichem Komfort wie einer Haube, um die Nutzer vor kaltem Wind zu schützen oder Sitzheizungen.

Auffällig ist: In der gleichen Zeit ist die Länge der Pisten, angegeben in Pistenkilometern, in Deutschland in etwa unverändert geblieben. In Österreich sind die Pistenkilometer zwar zwischen 1993 und 2025 um 30 Prozent gestiegen. Der Wert ist aber deutlich geringer als der Ausbau der Liftkapazitäten.

Umweltbelastung als Nebenprodukt beim Skifahren

Experten sehen sich durch die BR-Auswertung in ihren Beobachtungen bestätigt. Tobias Hipp begleitet im Bereich Naturschutz und Kartografie des Deutschen Alpenvereins (DAV) seit Jahren Modernisierungs- und Ausbauprojekte und dabei auch den Trend zu größeren Beförderungskapazitäten, vor allem in den österreichischen Skigebieten.

Der DAV kritisiert das nicht grundsätzlich. Hipp fordert aber mehr Gesamtkonzepte: “Die vielen Personen müssen ja anreisen. Und die reisen nach wie vor mit dem Pkw an. Das heißt, dass zum Beispiel entweder die Tourismusdestination oder der Seilbahnbetreiber auch Anreize haben soll, Verkehrskonzepte mitzuentwickeln, um die negativen Nebeneffekte des Skitourismus zu reduzieren.” Der Großteil der Emissionen beim Skifahren entstehe bei der Anfahrt. Erste Ansätze, das zu ändern, gibt es in einigen Skigebieten.

Fast flächendeckend Kunstschnee

Neben den Liften stehen Beschneiungsanlagen im Fokus von Modernisierung und Anpassung, auch am Spitzingsee, meint Peter Lorenz im BR-Politikmagazin kontovers. Er war im Skigebiet Spitzingsee Geschäftsführer und sitzt heute im Aufsichtsrat der Betreibergesellschaft: “Ohne Beschneiung bringt man die Qualität der Pisten nicht mehr her.” Nach einer Insolvenz im Jahr 2003 wurden in das Skigebiet rund 20 Millionen Euro investiert: neue, bequemere Lifte, die mehr Menschen befördern können, Pistenraupen, Schneekanonen.

In Österreich, das zeigen die Angaben in den Skiatlanten, haben die wichtigen Skigebiete deutlich früher angefangen zu beschneien. Schon Ende der 80er-Jahre hat jedes dritte Skigebiet im Skiatlas angegeben, dass Schneekanonen zum Einsatz kommen. Ab Mitte der 90er-Jahre hat Bayern nachgezogen, der Ausbau der Beschneiung nahm erheblich an Fahrt auf. Nach den Angaben im letzten ADAC-Skiatlas konnten in beiden Ländern 2019 über 76 Prozent beziehungsweise 92 Prozent der Skigebiete beschneit werden.

Deutsche Skigebiete haben fast aufgeholt

Doch nicht in allen Lagen lohnt sich die Beschneiung: In Oberbayern am Spitzingsee wurde 2015 entschieden, die Gondelbahn auf den Taubenstein nur noch im Sommer zu betreiben. Einer der Gründe: Für das steinige Terrain hätte man sehr viel Schnee gebraucht – in Zeiten des Klimawandels wäre das mit künstlicher Beschneiung möglich, aber teuer gewesen. Weil die Besucherzahl aber aufgrund der Infrastruktur, wie zum Beispiel der Parkplatzkapazitäten, nicht beliebig gesteigert werden kann, hätte sich der Aufwand nicht gelohnt, erklärt Lorenz.

Klimakrise am Berg – technisch nicht lösbar

In der Vergangenheit mussten Skigebiete vor allem in Deutschland umdenken, meint Jürgen Schmude von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er forscht zu Nachhaltigkeit und Tourismuswirtschaft. “Wir hatten eine Phase, die mittlerweile ausklingt, in der man überzeugt war, dass sich das Problem der Klimakrise mit technischen Lösungen lösen lässt. Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass das auf Dauer in vielen Destinationen eben nicht die Lösung sein kann.”

Wichtig sei das auch, weil immer neue Investitionen in technische Anlagen zu höheren Preisen für Skitouristen führt. In Österreich kommen die vor allem aus dem Ausland, insbesondere den Niederlanden und Deutschland. Das zeigen etwa Übernachtungszahlen der für den Skitourismus wichtigen Bundesländer in Österreich: Ausländische Besucher machen in Tirol, Salzburg und Vorarlberg bei Übernachtungen die deutliche Mehrheit aus.

Auch im Sommer sind die Berge wichtig

Das Skigebiet Spitzingsee ist dagegen vor allem bei Einheimischen oder Tagestouristen beliebt. Die würden sich gerade an schönen Tagen in Richtung des Parkplatzes stauen, erzählt Marlin Friese, die Vorsitzende des örtlichen Skiclubs im BR. Auch für sie stellt sich die Frage, wie weit die Investitionen in moderne Anlagen in der Zukunft noch helfen werden: “Wie viel kann man sinnvoll investieren und mitgehen? Wann holen uns die Temperaturen tatsächlich ein? Bei erhöhten Temperaturen kann man keinen Schnee machen.” In Spitzingsee ist auch das Sommergeschäft wichtig – nicht zuletzt, um unabhängiger vom Skifahren zu sein.