Wie die Grünen schon die Oppositionsrolle üben

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Die Bilanz der 2024 wegen gewalttätiger Proteste abgesagten Aschermittwochsveranstaltung der Grünen im baden-württembergischen Biberach zogen die Gerichte: Mehr als 40 Strafurteile haben die Richter mittlerweile gegen Bauern verhängt, die damals vor der Biberacher Stadthalle randalierten. Der Mann, der die Scheibe eines gepanzerten Dienst­wagens zertrümmerte, steht noch vor Gericht. Ministerpräsident Winfried Kretsch­mann zwangen die Bauern damals sogar zur Rückfahrt nach Stuttgart, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir konnte, immer wieder niedergebrüllt, nur draußen auf dem Gigelberg vor den aufgebrachten Bauern sprechen, die ihre Subventionen für den Agrardiesel zurück haben wollten.

In diesem Jahr ist alles anders beim nun Politischen Aschermittwoch der Grünen: Vor der Halle ist nicht ein Traktor zu sehen, nur ein paar Demonstranten vom Deutschen Gewerkschaftsbund protestieren für den Erhalt der Tarifbindung. Özdemir führt am Vormittag ein dem Vernehmen nach ziviles Gespräch mit Vertretern des Bauernverbandes. Die Halle ist besser abgeschirmt mit Absperrgittern als im Jahr zuvor. Die Welt hat sich seit dem März 2024 dramatisch weitergedreht: Die Grünen sind schon fast in der Opposition, der Nochbundesbildungs- und Landwirtschaftsminister Özdemir bereitet sich seit Herbst auf die Landtagswahl 2026 vor. Er will Ministerpräsident werden.

Noch dürften die Grünen im Bund gebraucht werden

Für die Abstimmungen über das Sondervermögen und die Änderung der Schuldenregeln werden die Grünen in den kommenden Wochen vom künftigen Bundeskanzler und von den wohl künftigen Regierungsparteien Union und SPD dringend benötigt. Während sich in Berlin die grüne Bundestagsfraktionsführung von CDU-Chef Friedrich Merz und SPD-Chef Lars Klingbeil die Beschlüsse aus den Sondierungsverhandlungen erläutern lässt, belassen es die Redner in Biberach fast beim typischen grünen Aschermittwochsthemenmix: softe Attacken auf den politischen Gegner und Bekenntnisse zu grünen Grundsätzen. Jeder Redner spricht allerdings die schreckliche Mannheimer Amokfahrt an, es gibt eine Gedenkminute – an solche Gewalttaten dürfe man sich nie gewöhnen, heißt es.

Die grüne Bundesvorsitzende Franziska Brantner hält an ihrem Drehbuch fest, mimt eine Tagesschau-Sprecherin und malt eine Dystopie für das Jahr 2030 aus: Die Tankstellenkette für E-Fuels, gegründet vom ehemaligen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), sei insolvent; auf den Straßen demonstrieren die „Faschos for Future“. Das Publikum hält sich mit ausgelassenen Lachsalven vornehm zurück. Das Schuldenthema streift Brantner nur kurz.

Kretschmann hält Migrationsthema nach wie vor für sehr relevant

Ministerpräsident Kretschmann gibt seiner Partei vor allem für die kommenden Jahre und auch für den drohenden Richtungsstreit zwischen Realos und Parteilinken über den Kurs in der Opposition ein paar Hinweise zum Thema Migration: Es sei „kein Narrativ“, wenn Lehrer berichteten, dass sie mit der Integration von Flüchtlingskindern überfordert seien und sie für den Bildungsaufstieg ihrer Schüler zu wenig tun könnten. Ohne Ordnung gebe es in der Migrationspolitik keine Humanität. „Es gibt ein Recht auf Asyl, daran wollen wir festhalten. Ein Bürgerrecht auf Freizügigkeit gibt es nicht. Wir haben keine Weltregierung, deshalb gibt es auch keine offenen Grenzen.“

Dann sagt Kretsch­mann – er bezeichnet sich als Anhänger der Schuldenbremse – etwas zu den Ergebnissen der Sondierungsgespräche in Berlin: Dass die Schuldenbremse angesichts der Weltlage „in dieser Starrheit nicht funktioniere“, sei schon lange bekannt, deshalb habe Robert Habeck hierzu vor der Wahl Vorschläge gemacht. „So schnell den Kurs zu wechseln, ist kein Ausweis von Verlässlichkeit.“ Es müsse jetzt dringend geklärt werden, warum nur noch ein Prozent des Verteidigungshaushalts aus dem Bundesetat gedeckt werden soll. Man könne auch nicht an den Anfang von Verhandlungen über eine Koalition das Signal setzen, es lasse sich einfach alles finanzieren. „Politik findet immer unter Knappheitsbedingungen statt.“

Cem Özdemir spricht kurz das Scheitern der Ampel an. Das sei keine Regierung mit „netten Leuten“ gewesen. Jetzt müssten die Grünen in der Opposition sich wie eine Regierung im Wartestand verhalten; er hoffe, dass die künftige Bundesregierung nicht scheitere. Das bedeutet: Die Grünen werden sich kompromissfähig verhalten. Dann widmet Özdemir sich der widersprüchlichen Schuldenpolitik der Union: „Die Union hat wegen 60 Milliarden Euro vor dem Verfassungsgericht geklagt, jetzt sollen 600 Milliarden verfassungskonform sein.“

So fahrlässig dürfe man nicht Wahlkampfversprechen umgehen. Das könne die CDU auch nicht mit der jüngsten Entwicklung der Trump-Administration erklären. „Die müssten doch schon lange wissen, dass sie mit Trump nicht eine Mutter Teresa vor sich haben. Statt sich mit der Internationalen des Irrsinns zu befassen, die Elon Musk gerade aufbaut, beschäftigen sich CDU und CSU mit den ‚Omas gegen Rechts‘.“