Wie Botox in der Schmerztherapie eingesetzt werden kann

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Stand: 06.03.2025 06:31 Uhr

Botox wird nicht nur für ästhetische Zwecke eingesetzt, sondern auch gegen Schmerzen. Eine neue Studie zeigt, wie sich das Toxin verändert, wenn es in Nervenzellen eindringt – eine Erkenntnis, die helfen könnte, die Anwendung weiter zu verbessern.

Behandlungen mit Botox zählen zu den häufigsten ästhetischen Eingriffen. Jährlich wird das Nervengift laut Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC) mehr als 20.000 Mal zu Schönheitszwecken injiziert. Die Behandlung ist schnell durchgeführt, und nach wenigen Tagen setzt die Wirkung ein. Die Gesichtsmuskeln werden gelähmt, Falten so geglättet.

Weniger bekannt ist, dass Botox auch in der Medizin zur Schmerzbehandlung eingesetzt wird. Ein Schweizer Forschungsteam hat nun herausgefunden, wie das Gift in die Nervenzellen gelangt – ein Fortschritt, der zukünftige Anwendungen verbessern könnte.

Botox: nicht nur für die Schönheit

Besonders häufig wird Botox genutzt, um die Zornesfalte zwischen den Augenbrauen zu beseitigen, Krähenfüße an den Augenwinkeln zu glätten oder hängende Augenlider zu straffen. “Die Wirkung setzt meist nach etwa drei Tagen ein und hält dann aber monatelang an”, erklärt der Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Florian Sandweg von der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie: “Die Menschen fühlen sich besser, werden positiver wahrgenommen, weil sie entspannter aussehen. Das führt oft zu einer subjektiven Verbesserung des Wohlbefindens und kann sogar psychologisch positive Effekte haben.”

Ein starkes Gift, das sicher eingesetzt werden kann

Für viele geht es nicht nur um Ästhetik – ihr Aussehen belastet sie psychisch. In solchen Fällen kann Botox helfen. Richtig dosiert und von Fachärzten angewendet, gilt es als sicher, so Sandweg: “Um jemanden mit Botox zu töten, müsste er 3.000 Fläschchen trinken. Wir verwenden in der ästhetischen Medizin jedoch maximal eines pro Behandlung”.

Botox glättet nicht nur Falten – es wirkt auch tiefer

Botox, wissenschaftlich als “Botulinum-Neurotoxin A” bekannt, ist das Gift eines Bodenbakteriums. Es dringt in Nervenzellen ein und lähmt Muskeln, potenziell auch die Atemmuskulatur. Doch in Schönheitsbehandlungen und medizinischen Anwendungen ist es hundertfach verdünnt. Studien weisen darauf hin, dass Botox auch bei Depressionen helfen könnte.

Der Psychiater Tillmann Krüger von der Medizinischen Hochschule Hannover erklärt: “Unsere bevorzugte Hypothese ist die Facial-Feedback-Theorie. Gesichtsausdrücke sind nicht nur Ausdruck unserer Emotionen, sondern der Ausdruck wird auch ans Gehirn zurückgemeldet. Wenn das Gesicht lacht, weint, zornig oder traurig guckt, wird die dahinterstehende Emotion verstärkt. Botox könnte hier ansetzen.” Patienten, die unter Depressionen leiden, können eine Überaktivität von “Trauer”-Muskeln haben, die dann durch Botox verringert wird und somit auch positiv auf die Empfindungen wirkt.

Wirksam gegen bestimmte Schmerzen

Allerdings ist Botox zur Behandlung von Depressionen nicht zugelassen und wird nur im Rahmen von Studien eingesetzt. Offiziell anerkannt ist es jedoch für medizinische Anwendungen wie die Behandlung schmerzhafter Nackenverspannungen, Migräne und Spastiken – etwa als Folge eines Schlaganfalls. “In der Medizin ist dieses Toxin besonders wichtig, vor allem in der Neurologie und teilweise in der Urologie, da es von den meisten Menschen gut vertragen wird und gute Ergebnisse liefert”, so Krüger.

Botox-Protein verändert seine Form in Nervenzellen

Ein Schweizer Forschungsteam um den Biochemiker Richard Kammerer vom Paul-Scherrer-Institut hat nun herausgefunden, wie Botox in Nervenzellen eindringt. Die Forscher froren Proben des Botox-Proteins während dieses Vorgangs bei minus 160 Grad ein und sahen sich die Form des Proteins mit einem Elektronenmikroskop an. “Unsere wichtigste Erkenntnis war, dass Botox seine Struktur verändert, sobald es an einen Rezeptor bindet.”

Schneller wirkende Schmerzmittel denkbar

Außerhalb der Zelle ist das Protein zunächst kompakt, quasi kugelförmig. Sobald es sich an die Zellmembran anheftet, streckt es sich, um einzudringen. Innerhalb der Zelle, wenn es sich von der Membran löst und dorthin wandert, wo es dann chemisch wirksam wird, wird es wieder kompakt. Kammerers Team will nun an einer Botox-Variante arbeiten, die bereits in der gestreckten Form vorliegt und so schneller in die Zelle eindringen und wirken könnte: “Wir hoffen, verbesserte Botox-Varianten herstellen zu können, die schneller wirken, aber dennoch die langanhaltende Wirkung beibehalten.”

Schnellere Wirkung – ein Vorteil?

Fachärzte wie Florian Sandweg begrüßen diese Entwicklung, etwa bei Migräne und anderen Schmerzen, sehen aber keinen entscheidenden Vorteil. “Natürlich wäre es schön, wenn Patienten sofort nach der Injektion eine Veränderung spüren. Aber ich halte diesen Vorteil für jetzt nicht so sehr entscheidend.”

Botox wirkt auf Falten und möglicherweise auch auf Emotionen

Botox sollte zudem bei der Faltenbehandlung nicht übermäßig eingesetzt werden. Die Facial-Feedback-Theorie besagt ja, dass wir nicht nur lächeln, weil wir glücklich sind, sondern uns auch glücklicher fühlen, wenn wir lächeln. Zu viel Botox könnte daher nicht nur die Mimik, sondern auch das emotionale Empfinden beeinflussen. Psychiater Tillmann Krüger warnt: “Eine übermäßige Anwendung kann zu einer gewissen Leblosigkeit im Gesicht führen, und das könnte sich auch ein Stück weit auswirken, dass jemand so gar keine Emotionen mehr spürt.”