Jetzt will auch die CDU einen Erfolg

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Nach den Ankündigungen von Friedrich Merz, dass er mit der SPD 500 Milliarden Euro Schulden für die Infrastruktur und unbegrenzt viele Schulden für die Verteidigung ermöglichen will, klingt es ein wenig überraschend: Aber der wichtigere Teil der Verabredungen zwischen Union und SPD steht noch aus. Jedenfalls sieht man das in der CDU so.

Dort herrscht Unruhe. Es geht nicht um eine Revolte gegen die Führung wegen der überraschenden Ankündigungen vom Dienstagabend. Aber vom Abgeordneten bis hinauf in das neunköpfige Sondierungsteam der Union ist die Erwartung groß, dass nach dem Schuldenteil, der den Sozialdemokraten weit entgegenkommt, jetzt Forderungen von CDU und CSU erfüllt werden.

In Unionskreisen hofft man, dass bis zum Wochenende Klarheit herrscht. Die Zeit drängt. Nicht nur wegen der sich dramatisch zuspitzenden Weltlage oder wegen der wirtschaftlich schlechten Lage Deutschlands. Die Union hat es eilig, weil sie ihren verunsicherten Mitgliedern und Wählern möglichst schnell zeigen will, dass auch sie sich durchsetzen kann. Erwartet wird vor allem ein Beleg dafür, dass von den im Wahlkampf versprochenen Einsparungen etwas verwirklicht wird. Hier steht eine Reform des Bürgergeldes ganz oben auf der Tagesordnung. Das zweite große Thema ist die Begrenzung illegaler Migration.

„Einige wackeln“

Einer der das in diesen Tagen deutlich ausspricht, ist Alexander Föhr. Er ist seit zehn Jahren Kreisvorsitzender der CDU in Heidelberg, ein wichtiges Amt in der baden-württembergischen CDU. 2021 trat Föhr bei der Bundestagswahl an, schaffte es aber nicht nach Berlin. Dann rückte der 1980 in Heidelberg geborene Föhr 2023 nach ins höchste deutsche Parlament. Bei der jüngsten Bundestagswahl trat er wieder an, gewann den Wahlkreis Heidelberg – und muss trotzdem seine kurze bundespolitische Karriere beenden, noch bevor sie richtig begonnen hatte. Das neue Wahlrecht macht ihn zu einem derjenigen Abgeordneten, die trotz Wahlkreissiegs kein Mandat bekommen, weil das Zweitstimmenergebnis der CDU in Baden-Württemberg nicht reicht. Sechs Abgeordneten im Südwesten erging es so.

Dennoch braucht der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz Föhr, dringend sogar. Denn der Mann, der hofft, bald ins Kanzleramt einzuziehen, will seine verfassungsändernden Schuldenpläne noch mit den Mitgliedern dieses Bundestages beschließen, um nicht in die Abhängigkeit von AfD und Linkspartei zu geraten.

Föhr ist ein einsichtiger Christdemokrat. Dass die Milliarden für die Bundeswehr durch eine Ausnahmeregelung bei der Schuldenbremse beschafft werden sollen, findet er richtig. Sogar das Sondervermögen für die Infrastruktur könne man erklären, sagt Föhr der F.A.Z. „Aber der 180-Grad-Schwenk nach der Wahl ist schwer erklärbar.“ Föhr erinnert daran, dass man den Wählern gesagt habe, zunächst wolle man die bestehenden Strukturen ändern und sparen. Erst danach hätte man weitersehen müssen, findet der Abgeordnete. Deswegen komme es jetzt sehr darauf an, dass in den nächsten Tagen Forderungen der Union erfüllt würden. „Wir sind für einen Politikwechsel angetreten“, sagt Föhr. „Bisher ist der nur schwer erkennbar.“ Auch viele Bundestagsabgeordnete der Union wollten solche Ergebnisse sehen. Auf die Frage, ob er denke, dass nicht alle Unionsabgeordneten für den Merz-Plan stimmten, sagt Föhr: „Einige wackeln.“

Markus Grübel sieht das Schuldenmanöver von seinem Parteivorsitzenden Merz gelassener. Auch Grübel stammt aus Baden-Württemberg, war sechs Legislaturperioden im Bundestag und scheidet mit dem Beginn der nächsten freiwillig aus. Er wird bald 66 Jahre alt. „Ich habe immer gesagt: Die CDU ist keine ideologische Partei“, heißt er die Vereinbarung von Union und SPD gut. Er sehe das bisher Geplante „als pragmatischen Ansatz, mit der SPD zu Ergebnissen zu kommen“. Wer ihn auf Widersprüche zum CDU-Wahlkampf anspreche, dem antworte er mit dem (Konrad Adenauer zugeschriebenen, aber nicht schriftlich belegten) Satz: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“

Verärgert über Klingbeils Aussage

Zwischen diesen beiden Polen befinden sich die CDU und Friedrich Merz gerade. In einer Fraktionssitzung, in der es kritische und fragende Anmerkungen gab, versuchte Merz, den Abgeordneten die Vereinbarung mit den Sozialdemokraten zu Wochenbeginn zu erklären. Teilnehmerberichten zufolge hob er vor allem auf die neue Lage ab, die sich am Freitag der vorigen Woche ergeben habe. Er berichtete, dass der sozialdemokratische Finanzminister Jörg Kukies der Sondierungsrunde deutlich gemacht habe, wie ernst die Haushaltslage sei. Zum anderen verwies Merz Teilnehmerberichten zufolge auf den Auftritt des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, der im Weißen Haus den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj abgekanzelt hatte, um die dramatischen Herausforderungen in der internationalen Politik zu beschreiben.

Damit argumentierte am Donnerstag auch CDU-Mann Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion und Mitglied des Sondierungsteams. „Bedauerlicherweise“ sei man nicht mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet. Nur mit dieser hätte die Union ihre Wahlversprechen komplett umsetzen können, sagte Frei im ZDF. Klang das noch so, als hätte die Union ihren angekündigten Sparkurs nur der SPD wegen verlassen, sagte Frei anschließend: „Man muss auf Situationen, die sich verändern oder dramatisch beschleunigen – zum Beispiel die außen- und sicherheitspolitische Lage in unserem Land – Antworten finden.“ Das hörte sich schon nicht mehr so an, als hätte man ohne SPD auf Kurs bleiben können.

Nun also kämpft das Sondierungsteam der Union, um den verunsicherten Parteifreunden und Wählern ein paar Trophäen präsentieren zu können, die sie den Sozialdemokraten abringen wollen. Ganz oben auf der Tagesordnung steht die Migration, allem voran das Versprechen von Merz, vom ersten Tag seiner Kanzlerschaft an jeglichen illegalen Migranten, auch wenn sie Asyl haben wollen, an der deutschen Grenze zurückzuweisen.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil machte in der ARD aber deutlich, dass seine Partei „keine faktischen Grenzschließungen mitmachen werde“. Zwar hatte Merz schon am vorigen Wochenende in der F.A.S. gesagt, dass es ihm nicht um Grenzschließungen gehe. Vermutlich wissen die beiden Herren schon, dass sie bei diesem Thema eine Lösung finden müssen, mit der Merz sich sehen lassen kann. Erstmal wardie CDU am Donnerstag verärgert über Klingbeils Aussage.