Warum wir uns an Träume erinnern

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Stand: 07.03.2025 09:24 Uhr

Einige Menschen können sich nach dem Aufwachen gut an ihre Träume erinnern – andere nicht. Warum das so ist, zeigt eine Studie italienischer Forscher.

Warum können sich manche Menschen problemlos an ihre Träume erinnern, andere wiederum nicht? Dieser Frage ist ein Forscherteam aus Italien nachgegangen. Ihre Studie umfasste mehr als 200 Teilnehmer im Alter von 18 bis 70 Jahren, die 15 Tage lang täglich ihre Träume aufzeichneten, während ihr Schlaf und kognitives Verhalten mithilfe von tragbaren Geräten und psychometrischen Tests überwacht wurde.

Interesse an Träumen als ausschlaggebender Faktor

Eines der Hauptergebnisse der Studie ist, dass das Interesse an Träumen ein wesentlicher Faktor dafür ist, ob man sich daran erinnert, was man geträumt hat.

Der Schlafforscher und Leiter des interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster südlich von Landau, Hans-Günter Weeß, bestätigt, dass man sich eher an seine Träume erinnert, wenn man sich für die eigenen Träume interessiert und sich mehr mit ihnen beschäftigt.

Im Allgemeinen interessieren sich Frauen eher für ihre Träume als Männer. Frauen können sich in der Regel auch besser an ihre Träume erinnern als Männer. Diesen Geschlechtereffekt zeigen frühere Studien ganz deutlich.

Was das Alter betrifft, konnte die Studie keine Unterschiede feststellen. Dafür scheinen die Jahreszeiten einen gewissen Einfluss auf die Traumerinnerung zu haben: Im Winter konnten sich Teilnehmende schlechter an ihre Träume erinnern als im Frühjahr oder Herbst.

Traumerinnerung lässt sich trainieren

Weeß erklärt, dass man die Traumerinnerungsfähigkeit trainieren kann: “Das Erinnerungsvermögen kann man sich vorstellen wie einen Muskel.” Je mehr man diesen “Traumerinnerungsmuskel” trainiere, desto besser könne man sich erinnern.

Wenn jemand morgens nach dem Aufstehen direkt beginne nachzugrübeln, was er denn in der Nacht geträumt habe, dann wird er diesen Traumerinnerungsmuskel trainieren, so der Forscher. “Nach einer Dauer von drei, vier oder fünf Wochen wird er sich an viel, viel mehr Träume erinnern, als er das vorher getan hat.” Das bedeute aber nicht, dass wir durch die Erinnerung an Träume auch unsere sonstige Gedächtnisleistung verbessern oder trainieren können, sagt Schlafforscher Weeß.

Traumerinnerung kann in Psychotherapie helfen

Die Traumerinnerung kann auch für psychotherapeutische Ziele genutzt werden, da Träume in Zusammenhang mit dem Erleben und Befinden stehen. “Im psychotherapeutischen Prozess kann es durchaus ein Vorteil sein, wenn sich jemand an seine Träume erinnert.” Dadurch könne man auch eher Zugang zu seinen Emotionen finden und diese leichter be- oder verarbeiten, erklärt Weeß.

Da Trauminhalte oft etwas damit zu tun haben, was am vergangenen Tag erlebt wurde, kann man dem Traum laut Weeß möglicherweise eine reinigende und emotionsstabilisierende Funktion zuordnen. Andererseits sei es möglich, dass sehr belastende Träume, wie beispielsweise Albträume, einen negativen Einfluss auf das Befinden und die Emotionen am Folgetag haben.

Selbst bei “weißen Träumen”, bei denen man sich nicht an den Trauminhalt erinnern kann, kann dennoch ein emotionaler Eindruck verbleiben. Dieser kann sich in den ersten Stunden des Wachbewusstseins entweder positiv oder negativ auf das Befinden, insbesondere das emotionale Befinden, auswirken.

Interessant ist, dass ältere Menschen häufiger weiße Träume haben. Die Autoren der Studie fanden jedoch keinen Zusammenhang zwischen “weißen Träumen” und dem visuellen oder verbalen Gedächtnis. Das weist darauf hin, dass die Traumerinnerung nicht von allgemeinen Gedächtnisfähigkeiten abhängt.

Um sich an einen Traum zu erinnern, darf man nicht abgelenkt sein

Stattdessen haben die Forschenden festgestellt, dass Menschen ihre Träume nach dem Aufwachen häufiger vergessen, wenn sie anfällig dafür sind, dass ihre Gedanken nach dem Aufwachen schnell abschweifen. Das liegt daran, dass Informationen im Hirn einander behindern können. Wenn man also am Morgen direkt nach dem Aufwachen an Dinge denkt, die nichts mit einem Traum zu tun haben, ist es aufgrund dieser Überlagerung schwieriger, sich an Träume zu erinnern.

Hans-Günter Weeß betont, dass dies in der Gedächtnisforschung ein bekanntes Phänomen ist: Wenn wir etwas lernen und direkt danach mit anderen Dingen beschäftigen, vergessen wir das Gelernte eher. Wenn wir uns jedoch nicht mit anderen Inhalten ablenken, können wir uns das Gelernte besser merken.

Das sei der Grund, warum man dem Lernen direkt vor dem Schlafengehen einen positiven Effekt zuordne, so der Forscher: Wenn man die Vokabeln wiederhole, bevor man zu Bett gehe, dann könne dieser Inhalt gut abgespeichert werden: “Ich habe keine Interferenzen mehr, weil ich mich nicht noch mit anderen Dingen des Lebens beschäftige, was dann die Gedächtnisbildung beeinträchtigen könnte”, so Weeß.

Kreative Menschen erinnern sich besser an ihre Träume

Die Tendenz zu Tagträumen zeigt in der Studie einen weiteren klaren Zusammenhang mit der Fähigkeit, sich an Träume zu erinnern. Tagträumen bezeichnet den Prozess, bei dem die Aufmerksamkeit von der aktuellen Aufgabe oder dem aktuellen Gedanken abwandert und unkontrolliert auf andere Themen gerichtet wird. Beim Träumen und Tagträumen werden ähnliche Gehirnmechanismen und -strukturen genutzt.

Hans-Günter Weeß hat hierfür eine mögliche Erklärung: “Menschen, die kreativer sind, können sich besser an Träume erinnern. Kreative Menschen haben auch mehr Assoziationen, mehr Gedankenabschweifungen.” So könnte möglicherweise die Kreativität die Variable sein, die bessere Traumerinnerungsfähigkeit beim Gedankenabschweifen erkläre.