Es ist der übliche Dreiklang in einem Gesetzentwurf, in diesem Fall aber eine rhetorische Bombe. In der sogenannten Formulierungshilfe für das verfassungsändernde Gesetz, mit dessen Hilfe Union und SPD unbegrenzte Milliardenbeträge für die Verteidigung beschaffen wollen, zudem ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur und eine Lösung der Schuldenbremse für die Länder, werden zunächst Problem und Ziel (Punkt A.) beschrieben. Dann wird die Lösung skizziert (Punkt B.).
Schließlich kommt Punkt C. Unter der Überschrift „Alternativen“ ist knapp zu lesen: „Keine. Der Finanzierungsbedarf für die Ertüchtigung der Bundeswehr und im Infrastrukturbereich kann ohne die Änderungen nicht rechtzeitig gedeckt werden.“
Was immer die CDU in ihren Programmen, was immer der Vorsitzende Friedrich Merz und seine Mannschaft in ihren Wahlkampfreden an anderen Finanzierungsvorschlägen für die großen Herausforderungen des Landes angekündigt haben, wollen sie jetzt per Bundestagsbeschluss als gegenstandslos den Archiven überantworten.
„Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit“
„Das benötigte Finanzierungsvolumen ist im Rahmen der geltenden Schuldenregel des Grundgesetzes nicht zu realisieren“, heißt es in der gerade einmal zwölf Seiten starken Formulierungshilfe. Durch die Neufassung des Artikels 109, Absatz 3 (in dem die Verschuldungsmöglichkeiten für Bund und Länder geregelt werden) und des Artikels 115, Absatz 2 (in dem die Grenzen der Kreditaufnahme geregelt sind) soll der Bund „ermächtigt“ werden, zusätzliche Haushaltsmittel „zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands“ aufzunehmen. Zur Begründung wird die Unsicherheit angeführt, ob Amerika sein „Engagement“ für die Sicherheit beibehält.
Die geplante Erhöhung der Mittel für die Verteidigung wird in dem Dokument nicht mit dem Verteidigungshaushalt verknüpft. Das dürfte eine Rücksichtnahme gegenüber denjenigen sein, die den Verteidigungs- und Sicherheitsbegriff weiter fassen wollen, als ihn nur auf Geld für Waffen zu beziehen. Den Grünen etwa könnte das eine Zustimmung im Bundestag erleichtern.
Das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen begründen CDU/CSU und SPD damit, dass die Infrastruktur ein maßgeblicher Standortfaktor sei, der die Wettbewerbsfähigkeit und die Wachstumsaussichten eines Landes wesentlich beeinflusse. Ein Konjunkturprogramm quasi.
Geändert werden soll dafür Artikel 143h des Grundgesetzes. Es gibt laut Formulierungshilfe einen „Aufholbedarf“ etwa bei der Verkehrsinfrastruktur und der Bildung. Insgesamt sei die wirtschaftliche Dynamik in Deutschland schwach. Das Sondervermögen über 500 Milliarden Euro sichere eine dauerhafte Finanzierungsgrundlage und „damit eine glaubwürdige Investitionsoffensive des Bundes zur Modernisierung Deutschlands“. 100 Milliarden Euro davon sind für Länder und Kommunen vorgesehen.
Was unter „Infrastruktur“ zu verstehen ist, wird nicht ausgeführt
Im Wahlkampf hatte Merz gesagt, dass künftiges Wirtschaftswachstum vieles finanziell kompensieren könne. Der Punkt wird nun beim Sondervermögen wieder aufgenommen. Das durch die Schulden generierte Wirtschaftswachstum werde die Kosten mittelfristig überkompensieren, heißt es in der Formulierungshilfe. „Unter den Rahmenbedingungen von höheren Wachstumsraten bleibt die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen auch bei höheren absoluten Schulden gewahrt.“
Was alles unter dem Begriff Infrastruktur zu verstehen ist, wird in der Formulierungshilfe nicht ausgeführt. Denn das dürfte noch Gegenstand von Verhandlungen vor allem mit den Grünen werden. Die hatten besonders auf den Klimaaspekt bei der Modernisierung Deutschlands hingewiesen. An einer Stelle des Papiers werden notwendige Investitionen auch bei der Dekarbonisierung genannt.
Hinsichtlich der Länder heißt es in dem Papier, „die bestehenden Handlungsmöglichkeiten der Länder reichen nicht aus, um den genannten Herausforderungen Rechnung zu tragen“. Deswegen werde man einen „sehr eng begrenzten strukturellen Verschuldungsspielraum“ in die Schuldenbremsen der Länder einbauen. Sie können sich dann künftig wie der Bund zu 0,35 Prozent des BIP verschulden.
Bis der neu gewählte Bundestag zusammentritt, ist der alte allerdings nicht nur „de facto“, sondern auch formal im Amt. So regelt es das Grundgesetz. In dieser Zwischenphase bleibt der alte Bundestag „mit all seinen Rechten und Pflichten bestehen“, wie im November die Wissenschaftlichen Dienste klarstellten. Es gebe „keine parlamentslose Zeit“.
Das zeigte sich schon 1998. Damals musste der abgewählte Bundestag über die Beteiligung der Bundeswehr am Kosovoeinsatz der NATO entscheiden – über die erstmalige Entsendung deutscher Soldaten seit Bestehen der Bundeswehr. Am 16. Oktober stimmte die Mehrheit des alten Parlaments für den Kriegseinsatz. Zehn Tage später kam der neue Bundestag zusammen.
Könnte die Linke damit argumentieren, dass die Verfassungsänderungen zu schnell beschlossen werden sollen? Zwischen erster und zweiter Lesung soll eine knappe Woche liegen.
Und unter Verweis auf Eile gelang es dem CDU-Politiker Thomas Heilmann schon, die Abstimmung über das Heizungsgesetz vorübergehend zu verhindern. Die damalige Formulierungshilfe umfasste allerdings 110 Seiten; auch deshalb bescheinigten die Richter dem Vorhaben, „komplex“ zu sein. Das wird man nach Lektüre der aktuellen Formulierungshilfe kaum sagen können.
Der ehemalige Verfassungsrichter Udo Di Fabio stellte im Deutschlandfunk außerdem klar: Dass es sich um eine „gravierende Maßnahme“ handele, mache sie „im Regulativen“ nicht komplizierter.