USAID-Stopp bedroht Afrikas Entwicklung und Stabilität

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Addis Abeba ist eine hochmoderne Stadt. Hochhäuser mit Lichterketten ragen im Zentrum in den Himmel, auf riesigen Monitoren flimmert Werbung in allen Farben. Ministerpräsident Abiy Ahmed will die äthiopische Hauptstadt in ein Dubai von Afrika verwandeln. Zugleich aber zählen Millionen Äthiopier zu den ärmsten Menschen auf der Welt. Der Stopp der amerikanischen Entwicklungshilfe trifft sie unmittelbar. Das aufstrebende Äthiopien war bisher der größte Empfänger von Zahlungen der amerikanischen Behörde USAID in Afrika südlich der Sahara.

Am 20. Januar hatte der amerikanische Präsident Donald Trump eine Zahlungspause von 90 Tagen angeordnet, um die Entwicklungsprogramme zu überprüfen. Die Frist ist noch nicht vorbei. Doch schon in der vergangenen Woche kündigte die Regierung 5800 von 6200 mehrjährigen Verträgen. Die Finanzierung werde „im Interesse der amerikanischen Regierung“ beendet, hieß es. Selbst die Zukunft von Erfolgsgeschichten wie PEPFAR, das von dem ehemaligen republikanischen Präsidenten George W. Bush 2003 begonnene Programm zur Eindämmung von HIV-Aids, ist ungewiss.

Armut: Entwicklungshelfer rechnen mit dramatischen Folgen

Die Vereinigten Staaten spielten bisher die dominierende Rolle in so gut wie allen Bereichen der Entwicklungsarbeit auf dem afrikanischen Kontinent. Elf Milliarden Dollar schickten die USA im vergangenen Jahr in die afrikanischen Länder südlich der Sahara, knapp ein Drittel der gesamten Verpflichtungen von USAID in der Region.

In der Behörde und ihren Außenstellen, in privaten Hilfsorganisationen, die als sogenannte Nichtregierungsorganisationen dennoch öffentlich gefördert wurden, und in Forschungsinstituten herrscht jetzt großes Entsetzen. Verzweifelte Mitarbeiter von USAID in Amerika mussten in kürzester Zeit ihren Arbeitsplatz räumen. In Afrika tätige Hilfsorganisationen setzten eilig Pressekonferenzen an. Schnell verfasste digitale Nachrichten lassen die Fassungslosigkeit erahnen. Die Entsandte einer Hilfsorganisation in Goma, der Millionenstadt in Ostkongo, die kürzlich von Rebellen übernommen wurde, schickte über Whatsapp nur einen Einzeiler: „Viele Verträge in Kongo wurden gekappt, unserer auch.“

Demonstranten in Washington fordern eine Beibehaltung der Programme (Anfang Februar).
Demonstranten in Washington fordern eine Beibehaltung der Programme (Anfang Februar).Reuters

Ein Ende der amerikanischen Entwicklungshilfe in Afrika könnte dramatische Folgen haben, fürchten Entwicklungshelfer. Die Zahl der Afrikaner, die als „extrem arm“ eingestuft werden, könnte sich bis 2030 um fast 19 Millionen erhöhen, hat inmitten großer Unsicherheit das Institute for Security Studies in Südafrika mithilfe einer Prognose-Plattform der Universität Denver berechnet. Das sind mehr Menschen, als derzeit in den afrikanischen Megametropolen Kinshasa oder Lagos leben. Schon im kommenden Jahr würden fast sechs Millionen Menschen zusätzlich unter die von der Weltbank definierte Armutsgrenze fallen, also weniger als 2,15 Dollar am Tag zur Verfügung haben.

Selbstheilungskräfte statt Almosen?

Doch an der Bedeutung der ausländischen Regierungshilfe für die Entwicklung afrikanischer Länder scheiden sich schon lange die Geister. Vor 15 Jahren sorgte die sambische Ökonomin Dambisa Moyo mit dem Bestseller „Dead Aid – Warum Entwicklungshilfe nicht funktioniert und was Afrika besser machen kann“ für rege Debatten.

In jüngerer Zeit ist es ruhiger geworden um das Thema. Andere Formen der Entwicklungszusammenarbeit, wie die Stärkung der lokalen Wirtschaft mit privatem Geld, sei es über private Beteiligungsgesellschaften (Private Equity) oder Wagniskapital, drängten nach vorne. Mit viel Furore begann 2018 die Zeit einer panafrikanischen Freihandelszone, um den Handel innerhalb des Kontinents und damit die Wirtschaft anzukurbeln. Selbstheilungskräfte statt Almosen, lautet die Devise.

Die Hauruck-Entscheidung in Washington zeigt jetzt aber, wie sehr afrikanische Staaten auch heute noch von der Hilfe westlicher Staaten und vor allem von den USA abhängen. Nach Angaben des Center for Global Development beziehen sieben afrikanische Staaten mehr als ein Fünftel der empfangenen Entwicklungshilfe von USAID: Äthiopien, Demokratische Republik Kongo, Liberia, Sudan, Südsudan, Somalia und Uganda. In diesen Ländern steuere USAID einen so hohen Teil zum Bruttonationaleinkommen bei, dass der Wegfall einem „größeren wirtschaftlichen Schock“ gleichkommen könnte, sorgt sich das Institut.

Liberia zeigt, wie wichtig Amerikas Geld ist

Wie groß der Schock wird, hängt auch davon ab, wie Gerichte in Amerika entscheiden. In dieser Woche entschied der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, dass die Trump-Regierung zwei Milliarden Dollar Hilfsgeld für bereits geleistete Arbeit freigeben müsse. Bis Montag soll die Regierung die Zahlungen auf den Weg bringen. Andere Klagen sind in Amerika anhängig, um USAID zu bewahren.

Ein Beispiel für die Bedeutung des amerikanischen Geldes ist Liberia. Der Staat an der Westküste des Kontinents wurde 1847 von freigelassenen und zurückgekehrten Sklaven aus den Vereinigten Staaten gegründet. Die gemeinsame Geschichte führte dazu, dass Liberia eines der ersten Empfängerländer von USAID wurde. 1961 besuchte der damalige Präsident John F. Kennedy die Hauptstadt Monrovia. Mitten im Kalten Krieg wollte er die Beziehungen zu den unabhängig gewordenen afrikanischen Staaten stärken. Als Zeichen der Solidarität finanzierten die Amerikaner ein großes Krankenhaus in Monrovia, das JFK Medical Center.

Bis heute befindet sich der Staat, das Gesundheits- und das Bildungswesen in Liberia am Tropf von USAID. 900 private Hilfsorganisationen sind teils mit öffentlichem Geld in dem Land mit 5,5 Millionen Einwohnern aktiv. Der Wiederaufbau nach dem langen Bürgerkrieg, der 2003 endete, kommt nur schleppend voran.

Mehr als 260 Millionen Dollar für Hauptsitz von Zentralbank

Große Hoffnungen lagen auf den seither demokratisch gewählten Präsidenten – Ellen Johnson Sirleaf, der ersten gewählten Präsidentin in Afrika, dem einstigen Fußballstar George Weah und dem jetzigen Staatschef Joseph Boakai. Alle drei traten mit dem Versprechen an, die Wirtschaft zu beleben und die Korruption zu bekämpfen. Doch auf spürbare Fortschritte warten die Liberianer bis heute. Das JFK Medical Center befindet sich in einem desolaten Zustand. Im vergangenen Jahr musste das Krankenhaus die Öffentlichkeit um Hilfe bitten, weil nicht einmal mehr Medikamente und Verbandsmaterial vorhanden waren.

Bright Simons, ein ghanaischer Unternehmer und Vizepräsident der Denkfa­brik IMANI Center for Policy and Education, spricht von einer „bizarren Situation“. Bei allem Leid, das der Stopp von USAID für die Menschen bedeute, wirft der amerikanische Rückzug für ihn einige grundsätzliche Fragen neu auf.

„Wie kann es sein, dass sich afrikanische Staaten bis heute ganz selbstverständlich bestimmte Leistungen, etwa im Gesundheits- oder Bildungswesen, von OECD-Staaten finanzieren lassen?“ In seinem Heimatland Ghana gebe die Regierung mehr als 260 Millionen Dollar für einen neuen Hauptsitz der Zentralbank aus, anstatt mit dem Geld Gesundheit oder Bildung zu finanzieren. 260 Millionen Dollar ist mehr, als das westafrikanische Land im Jahr 2023 von USAID erhalten hatte. „Und niemand wundert sich darüber“, sagt Simons.

Landwirte in Ghana lernen Anbaumethoden für dürreresistentes Saatgut

Eines der USAID-Vorzeigeprojekte in Ghana heißt „Feed-the-Future“. Geschult werden Landwirte im trockenen Norden des Landes über klimaverträgliche Anbaumethoden, geliefert werden dürreresistentes Saatgut, Dünger und Kleinkredite. Eine schwere Dürre im vergangenen Jahr habe fast ein Drittel seiner Farmerträge zunichtegemacht, sagt Alhaji Sulemana Ibrahim am Telefon. Es hätte noch schlimmer kommen können, wenn es das USAID-Programm nicht gegeben hätte, setzt der Kleinbauer hinzu. Dank der Unterstützung habe er die Erträge seiner Mais- und Sojaplantagen über längere Zeit gesteigert. In seiner Umgebung hätten 17.000 Bauern Bargeld von USAID erhalten, um die harte Dürrezeit zu überbrücken.

Die Region ist Ghanas „Brotkorb“, von dort stammen traditionelle Grundnahrungsmittel wie Yamswurzeln. Trotzdem wurde die Gegend kaum entwickelt. Kleinbauern, die sich keine Bewässerungssysteme leisten können, dominieren die Landwirtschaft. Die meisten Bewohner leben in einfachen Lehmhäusern, so wie Ayishetu Mohammed.

Eine USAID-Lieferung mit medizinischem Material zur Ebola-Bekämpfung wird in der Hauptstadt von Liberia, Monrovia, entladen (August 2014).
Eine USAID-Lieferung mit medizinischem Material zur Ebola-Bekämpfung wird in der Hauptstadt von Liberia, Monrovia, entladen (August 2014).REUTERS

Die 38 Jahre alte Ghanaerin bringt mit Müh und Not ihre Familie mit ihrem kleinen Feld durch das Leben. USAID habe ihr unter anderem Saatgut für Kuhbohnen und Moringa-Pflanzen (Meerrettichbaum) gegeben, die auch bei Trockenheit gedeihen, berichtet sie. Mit einer Ernte, die sie auf dem lokalen Markt verkauft, verdiene sie umgerechnet 640 Dollar. Über die Zukunft macht sie sich jetzt große Sorgen „Wenn USAID die Hilfen stoppt, muss ich zur Subsistenzlandwirtschaft zurückkehren, mit der ich meine eigene Familie kaum ernähren kann.“

Auf der anderen Seite des Kontinents, in Addis Abeba, ärgert sich Sisay Sahlu über das große Jammern, das über das mögliche Ende von USAID ausgebrochen ist. Der Journalist ist einer der wenigen, die daran öffentlich in Äthiopien Kritik üben. In den sozialen Medien nannte er die USAID-Programme ein „lukratives Geschäft für einige wenige Personen und für korrupte Beamte“. Wer in den amerikanisch finanzierten Projekten eine Beschäftigung finde, habe das große Los gezogen, ergänzt er bei einem Feierabendbier in der Stadt. „Aber eine Person, die halbjährlich 50 Kilo Weizen erhält, ist immer noch so arm wie vorher.“ Milliarden Dollar seien über Jahre hinweg nach Äthiopien geflossen, viele seiner Landsleute seien trotzdem bitterarm. Er ist überzeugt, dass ein Großteil des USAID-Geldes in den Gehältern für Mitarbeiter und in hohen Tagessätzen für Berater lande.

China könnte die Chance nutzen

Schlimmer findet Sahlu die Folgen für die lokale Wirtschaft. Seine Eltern bewirtschaften auf dem Land einen kleinen Hof. In seiner Jugendzeit hat der Äthiopier beobachtet, wie im Ausland erzeugte Lebensmittel als USAID-Spenden verteilt wurden. Etliche ansässige Bauern hätten keinen Anreiz mehr gehabt, ihre Felder zu bestellen, sagt er. Im vergangenen Jahr deckte die amerikanische Behörde in Äthiopien ein kriminelles Netzwerk auf. Im großen Stil wurden die für die Ärmsten gedachten Essenspakete gestohlen und verkauft. Auch Regierungsmitglieder waren beteiligt. USAID stellte daraufhin die Lebensmittellieferungen ein.

Dass die Trump-Regierung sich auf die eigenen Interessen konzentrieren will, ist für Simons in Ghana nicht überraschend. Die USA folgten der Richtung, die die „neuen reichen Staaten“ – die großen Schwellenländer – längst eingeschlagen hätten, gibt er zu bedenken.

China, so warnen die deutsche, die kanadische und andere Regierungen, könnte die Chance wittern, seinen Einfluss in Afrika weiter auszubauen. In Liberia hatte die chinesische Regierung kürzlich angeboten, das Rundfunkgebäude zu renovieren, ein Gesundheitszentrum zu bauen und einen wichtigen Straßenabschnitt zwischen einer Brücke und dem Hafen zu teeren. Interesse daran, die mit dem amerikanischen Rückzug entstehenden Lücken zu schließen, wird auch der Türkei oder den Golfstaaten nachgesagt.

Wo soll künftig das Geld herkommen?

Langjährige Afrikakenner aber sind skeptisch. „Es ist durchaus eine Chance für China, aber nicht in dem Ausmaß, wie es einige erwarten“, sagt Eric Olander vom Fachmagazin „China Global South Project“. Wahrscheinlicher sei, dass China mit „schlagzeilenträchtigen Aktionen“ in manchen afrikanischen Ländern für Aufsehen sorge, ähnlich wie während der Corona-Pandemie, als die Volksrepublik Impfstoffe und Gesichtsmasken bereitstellte.

Das Center for Global Development wirbt dafür, dass andere westliche Geber wie Deutschland, Kanada, Japan oder Schweden einspringen. Doch werden auch in Berlin und anderswo ebenfalls die Finanzmittel gekürzt. Die Weltgesundheitsorganisation ist nach dem Austritt der USA geschwächt. Die Gesundheitsagentur der Afrikanischen Union hängt am Geldhahn der USA, der Weltbank und anderer nichtafrikanischer Geber. Private Stiftungen verhalten sich bislang zurückhaltend.

Das internationale System der Entwicklungszusammenarbeit werde nicht über Nacht verschwinden, sagt Simons, aber der Kurswechsel in Washington werde zu drastischen Verschiebungen führen. Die afrikanischen Länder hätten keine andere Wahl, als mehr eigenes Geld einzusetzen, wenn sie auf humanitäre Katastrophen reagieren und Instabilität vermeiden wollten. Inmitten hoher Unsicherheit und großer Not sieht er darin eine Chance. „Wenn die Regierung in Ghana Geld zur Verfügung stellt, werden wir in Ghana hoffentlich viel mehr lokale Akteure in Bereichen sehen, die derzeit von internationalen Hilfsorganisationen besetzt sind und wie in einer Blase arbeiten.“ Die Anpassung werde für viele Menschen schmerzhaft sein, sagt Simons. „Aber wenn man es richtig anstellt, könnten einige afrikanische Länder langfristig widerstandsfähiger sein als heute.“