Wie Viren von Tieren auf Menschen übergreifen

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Stand: 10.03.2025 07:44 Uhr

Das Coronavirus war nicht der erste Krankheitserreger, der von einem Tier auf den Menschen übersprang. Einer Reihe von Viren ist in den vergangenen Jahrzehnten ein sogenannter Spillover gelungen.

Von Jan-Claudius Hanika, BR

Viren sind winzig, können aber große Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. Wissenschaftler schätzen, dass es Tausende Viren gibt, die in der Lage sind, plötzlich Menschen zu befallen. Diese Viren leben unentdeckt in Tieren und können scheinbar aus dem Nichts auf den Menschen übergreifen. Ein einziges solches Spillover-Ereignis kann eine weltweite Pandemie auslösen.

Spillover in Hessen: Marburg-Virus

Ein Beispiel für einen solchen Spillover ist das Marburg-Virus. 1967 brach in einem Labor eines Pharmaunternehmens in der hessischen Stadt Marburg eine tödliche Krankheit aus. Mehrere Mitarbeiter erkrankten innerhalb kurzer Zeit schwer und starben. Zu den Symptomen zählten rätselhafte Blutungen der Haut. Die Ursache der Krankheit war zunächst nicht zu finden. Nach drei Monaten entdeckten Forschende unter dem Mikroskop endlich den Erreger: ein Virus, das importierte Affen aus Uganda übertragen hatten. Diese hatten sich vermutlich bei einem Zwischenstopp während des Transports bei anderen Tieren angesteckt.

Rätselhaft und fast immer tödlich: Ebola

Ein anderes Spillover-Beispiel ist das Ebola-Virus. 1976 brach es erstmals in einer belgischen Missionsstation in der heutigen Demokratischen Republik Kongo aus. Viele Menschen, darunter auch belgische Nonnen, starben an der neuen, tödlichen Krankheit. Sie hatten hohes Fieber, blutigen Durchfall und blutiges Erbrechen. Neun von zehn Erkrankten starben. Die Forschenden identifizierten das Virus. Möglicherweise war es auf den Menschen beim Verzehr des Fleisches von Affen übergesprungen, das dort als Delikatesse gilt. Doch Ebola tötet auch Affen, sie sind anscheinend nur Zwischenwirte des Virus. Der eigentliche Ursprungswirt ist bis heute unbekannt.

Sprung von der Maus zum Menschen: Hanta-Virus

1993 traten in den USA plötzlich Todesfälle wegen schwerer Lungenentzündung auf. Die Opfer waren jung und lebten in einem sehr ländlichen Gebiet in einem Reservat amerikanischer Ureinwohner. Zuvor hatten sie keine Anzeichen von Krankheiten gezeigt. Nach intensiven Untersuchungen wurde die Krankheitsursache entdeckt: ein bisher unbekanntes Virus aus der Familie der Hanta-Viren.

Überträger waren Nagetiere, insbesondere die Hirschmaus. Ein ungewöhnlich mildes und regenreiches Jahr hatte dafür gesorgt, dass die dort wachsenden Pinyon-Kiefern extrem viele Zapfen trugen. Die Mäuse konnten sich den ganzen Winter über von Kiefernzapfen und Pinienkernen ernähren. Daraufhin verzehnfachte sich die Nagetierpopulation. So kam es häufiger zu Kontakten zwischen Menschen und Mäusen und deshalb dann zum Spillover.

Mangos, Schweine und Flughunde: Nipah-Virus

Im Jahr 1999 trat in Malaysia erstmals eine rätselhafte Krankheit auf. Die Patienten waren geistig verwirrt, kamen ins Krankenhaus und fielen ins Koma. Nach drei oder vier Tagen starben einige von ihnen. Alle erkrankten Schweinezüchter waren aus einem bestimmten Ort. Das führte die Forscher auf die Spur, woher die neue Krankheit stammte. Direkt neben den Schweineställen stand ein großer Mangobaum, dessen Früchte in das Gehege darunter fielen und von den Schweinen gefressen wurden. Diese Früchte enthielten aber auch das vorher unbekannte Nipah-Virus.

Flughunde, die mit diesem infiziert waren, hatten ebenfalls von den Mangos gefressen und die Krankheitserreger auf diesen hinterlassen. Eine der beiden Flughund-Arten, die das Nipah-Virus übertrug, ist vor allem in Indonesien heimisch. Doch dort wurden 1997 große Teile ihres Lebensraums durch Brandrodung zerstört. Weil Flughunde sich vor Rauch fürchten, flohen sie Richtung Malaysia.

Spillover-Ereignisse: Antwort auf menschliches Handeln

Das bekannteste und in jüngster Zeit folgenreichste Spillover-Ereignis ist das Coronavirus SARS-CoV-2. Es löste die Covid-19-Pandemie aus. Nach den ersten Fällen Ende 2019 in Wuhan in China verbreitete sich das Virus rasend schnell weltweit und verursachte Millionen von Todesfällen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand stammt es sehr wahrscheinlich von Fledermäusen und sprang über einen Zwischenwirt, möglicherweise ein Wildtier auf einem Markt, auf den Menschen über.

Diese Beispiele zeigen: Spillover-Ereignisse sind die Antwort auf menschliches Handeln. Krankheitserreger springen über, wenn wir in die natürlichen Lebensräume wilder Tiere eindringen und diese zerstören. Damit werden auch zukünftige Pandemien wahrscheinlicher. Die Gesundheit der Menschheit ist untrennbar mit der Gesundheit des Planeten verbunden.