Die Lust an der Schuldenpolitik

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Es ist eine merkwürdige Dynamik, die sich in der Diskussion um die Aufrüstung breitmacht. Viele bekannte Ökonomen ergreifen öffentlich das Wort, wie wichtig es sei, dass Deutschland mehr Geld in die Verteidigung stecke. Im Inhalt ist das angemessen angesichts der Bedrohung aus Moskau und der Verirrungen in Washington.

Ein plausibler Grund aber, warum Ökonomen sich mit Zitatschnipseln in diese Debatte einmischen, ist nicht ersichtlich. Ökonomisches Fachwissen verleiht keine besondere Kompetenz, die militärische Gefährdung abzuschätzen. Man fragt auch nicht Förster, ob es gefährlich sei, ein Auto ohne Bremsen zu fahren. Dass ein Krieg gefährlich und teuer wäre und dass Verteidigungsvorsorge nottut, sagt der gesunde Menschenverstand.

Es ist der Druck der öffentlichen Geldgeber von Forschungsinstituten nach Sichtbarkeit, der nicht wenige Ökonomen antreibt, alles und nichts zu kommentieren, nicht selten nur ausgestattet mit ihrer Meinung oder ihrem Empfinden von Gerechtigkeit. Das galt zu Zeiten der Pandemie, und es gilt heute. Es ist auch die Nachfrage der Medien, die das Mitteilungsbedürfnis anstachelt. Spötter sagen, das Dilemma der omnipräsenten Ökonomen habe begonnen, als sie sich Pressesprecher zulegten.

Vorsicht bei Interpretationen von Militärausgaben

Hilfreicher als persönliche Bekenntnisse zur Verteidigung sind die Arbeiten des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, wo Ökonomen um Moritz Schularick versuchen, mehr Licht in das ökonomische Dunkel um militärische Ertüchtigung zu bringen. Die Kieler liefern Annäherungen etwa dazu, wie viel Geld Deutschland oder Europa aufbringen müssten, um einen Ausfall Amerikas aus- und Wladimir Putin fernzuhalten. Die Zahl von 400 Milliarden Euro über zehn Jahre, die plus zusätzliche Einsparungen im Haushalt den zusätzlichen Finanzbedarf für Deutschland beschreibt, stammt aus Kiel. Sie ist ein hilfreicher Anhaltspunkt in der Debatte. Ob 400 Milliarden Euro reichen, um Putin in Schach zu halten, weiß letztlich niemand.

Doch auch bei den Kielern ist Vorsicht geboten. Der offenkundige Wunsch nach einer Verteidigungswende überdeckt manche Annahme. So plakativ gewiss, wie die Forscher es beschreiben, ist es nicht, dass mehr Militärausgaben das Wachstum fördern. Andere Institute sehen in den Mehrausgaben einen kurzfristigen Konjunkturimpuls und auf mittlere Frist eine Last für das Wachstum.

Ein Großteil der Verteidigungsausgaben ist eben Konsum: Abschreckung kostet, ohne einen direkten monetär bezifferbaren Nutzen hervorzu­bringen. Produktivitätssteigerungen durch Größenvorteile der militärischen Produktion oder technische ­Innovationen, die mittelfristig das Wachstum heben könnten, müssen sich erst einmal einstellen. Ein verkrustetes Deutschland ist da nicht mit einem marktfreundlichen Amerika zu vergleichen. Nicht viele der vom Staat für Forschung verausgabten Euro bringen Patente hervor.

Wichtig ist die Einordnung durch Ökonomen, wenn es um die Finanzierung der militärischen Ertüchtigung geht. Als dauerhafte Kernaufgabe des Gemeinwesens ist, Verteidigung aus regulären Steuereinnahmen zu finanzieren. Nur für einen Notfall wie jetzt sind Schulden angebracht, um die Steuerlast über die Zeit zu glätten. Der Kompromiss von Union und SPD sieht vor, den Löwenanteil der Verteidigungsausgaben dauerhaft mit Schulden zu finanzieren. Zu betonen, dass das nur eine Übergangslösung sein darf, stünde jedem Ökonomen gut zu Gesicht.

Die Qualität der Beratung leidet, wenn Berater Kompromisse vorwegnehmen

Fatal wird es, wenn politisierte Ökonomen wider besseres Wissen beraten. Ifo-Präsident Clemens Fuest hat offenbart, dass er in dem Ökonomenpapier für die Sondierer in Berlin den schädlichen Schuldentopf von 500 Milliarden Euro für Infrastruktur nur geschluckt habe, um den Sozialdemokraten die Aufrüstung schmackhaft zu machen. Die Aufgabe, Kompromisse zu finden, fällt in der Demokratie aber den gewählten Volksvertretern zu. Aufgabe von Ökonomen ist es, Kosten und Nutzen von Optionen aufzuzeigen. Die Qualität der Beratung leidet, wenn Berater Kompromisse vorwegnehmen.

Wertvoller als geschmeidige Politikberatung wäre es, die Risiken der neuen deutschen Lust an der Schuldenpolitik für die Währungsunion aufzuzeigen. Dass Deutschland den finanzpolitischen Stabilitätsanker hebt, hat die Kapitalmärkte – bislang – nicht in Panik versetzt. Mit den gestiegenen Kapitalmarktzinsen aber geraten auch Länder wie Italien oder Frankreich unter Druck. Zufriedenheit über das starke Signal für Verteidigung darf nicht davon ablenken, dass die Einigung der Sondierer auch Sprengstoff für das Gefüge innerhalb der Währungsunion birgt.