Der Montag war ein Tag, an dem viele Amerikaner den Blick in ihre Depots bei Charles Schwab oder Fidelity vermieden, um jene rotgefärbten Zahlen mit negativem Vorzeichen nicht sehen zu müssen. Es war ein rabenschwarzer Tag für Aktien, deren führenden Indizes abrutschten: der S&P 500 um 2,7 Prozent, der Nasdaq Composite um 4 Prozent, der Dow Jones um gut 2 Prozent.
An Börsen weiß man nie, was Anleger bewegt und zu Massenbewegungen animiert. Aber eine Rolle spielte offenbar, dass Präsident Donald Trump in einem Fox-Interview am Sonntag eine Rezession nicht ausschließen wollte. Er sagte, die Wirtschaft der USA werde eine „Übergangsphase“ erleben. Finanzminister Scott Bessent war zuvor schon mit der Warnung ins Wochenende gegangen, dass die US-Wirtschaft in eine „Entgiftungsphase“ eintreten könnte, weil die Regierung von robusten Staatsausgaben zu mehr Ausgaben im Privatsektor übergehe. Man hatte sich den Eintritt in das von Trump versprochene Goldene Zeitalter anders vorgestellt.
Die Wortmeldungen signalisierten den Anlegern nicht nur, dass es etwas ungemütlich werden wird. Sie zeigten ihnen auch, dass Trump anders als während seiner ersten Amtszeit, als er auf Börsen reagierte, diesmal entschlossener ist, seine protektionistische Handelspolitik fortzusetzen. Alle Aufschübe, die er bisher gewährt hat, enden am 2. April. Das ist der Tag, an dem er sogenannte reziproke Zölle gegen alle Handelspartner verhängen will, neben den Zöllen, die er ausgesetzt hat und andere Zölle auf spezielle Güter, die er immer mal wieder in Gespräch bringt.
Ökonomen, ob links oder rechts, sind sich selten so einig wie in dieser Frage: Zölle und Handelskonflikte schaden. Die Universität Chicago Booth befragt regelmäßig ein Panel führender Ökonomen des Landes. In der jüngsten Umfrage waren mehr als 75 Prozent der Experten der Ansicht, dass Zölle und Handelskriege in den kommenden fünf Jahren zu einem messbar langsameren globalen Wachstum führen würden. Die Anleger an der Börse sehen das ähnlich, weshalb jedes Mal, wenn Trump mit neuen Zöllen drohte, die Kurse nachgaben, während sie sich erholten, wenn der Präsident Handelspartnern Zugeständnisse machte. Man kann die Volatilität der Börsen als Kurzatmigkeit deuten oder als Ergebnis der Konzeptlosigkeit der Trump-Regierung. Hätte Trump einen glaubwürdigen Plan präsentiert, bei dem kurzfristiger Schaden durch langfristige Erfolge mehr als kompensiert wird, dann wären die Aktienkurse gestiegen und nicht abgestürzt, schreibt Harvard-Ökonom Jason Furman auf X.
Droht den USA also eine Wirtschaftskrise? Die jüngsten Daten sehen nicht so schlecht aus. Der Arbeitsmarkt zeigte sich robust mit einer Arbeitslosenquote, die im Februar auf 4,1 Prozent geklettert war. Es würde ihn angesichts dieser Zahl wundern, wenn Amerikas Wirtschaft im ersten Quartal schrumpfe, so Furman. Die Inflation lag zuletzt bei 3 Prozent und machte keine Anstalten, sich der Zielmarke von 2 Prozent zu nähern.
Mehr sorgen müssen mittelfristige Aussichten machen: Amerikas Verbraucher sind deutlich besorgter als noch vor einem Monat, zeigt eine frische Umfrage der Universität von Michigan. Vor allem glauben fast 20 Prozent weniger als noch vor einem Monat, dass die Kaufbedingungen für langlebige Wirtschaftsgüter gut sind. Der Grund: Zölle. Ebenfalls auffällig: Die Inflationserwartungen für das kommende Jahr stiegen von 3,3 Prozent im letzten Monat auf 4,3 Prozent in diesem Monat. Dies ist der höchste Wert seit November 2023 und markiert zwei aufeinanderfolgende Monate mit ungewöhnlich starken Anstiegen. Die langfristigen Inflationserwartungen stiegen im Laufe des Monats ebenfalls auf 3,5 Prozent. Einer Umfrage der New York Fed zufolge glauben 27 Prozent der Haushalte, dass sich ihre finanzielle binnen des kommenden Jahres verschlechtern wird.
Unternehmer wie Konsumenten zögern, Geld auszugeben
Neben den Zöllen selbst fordert offenbar Unsicherheit ihren Tribut. Unternehmen zögern Investitionen hinaus, Konsumenten Kaufentscheidungen, solange unklar ist, wie sich die Handelskonflikte entwickeln. Ökonomen der Chicago Booth sehen Brexit als Vergleichsfall an. Unter Ökonomen herrsche Einigkeit darüber, dass der Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt zu Handelskonflikten in einer ehemals nahezu reibungslosen Handelsbeziehung führte. Die Folge waren weniger Handel und geringeres Produktivitätswachstum. Bemerkenswerterweise aber begann die Wirtschaft schon direkt nach der Brexit-Abstimmung zu lahmen, obwohl der Ausstieg erst 2020 vollzogen wurde. Der Hauptgrund war nach der Analyse der Autoren, dass das Vereinigte Königreich dreieinhalb Jahre lang öffentlich darüber debattierte, wie seine Handelsbeziehungen zu seinem größten Handelspartner aussehen sollten, und dabei zu verschiedenen Zeitpunkten sehr unterschiedliche Versionen präsentierte. Viele Unternehmen stellten daraufhin geplante Investitionen zurück oder stornierten sie.
In den USA könnte sich etwas ähnliches abspielen, mutmaßen die Autoren. Andere Ökonomen haben einen Indikator entwickelt, der die Unsicherheit misst, indem er die Häufigkeit bestimmter Wirtschaftsbegriffe in einschlägigen Medien registriert. Wenn Unsicherheit nach diesem Indikator gemessen besonders hoch war, waren die Aktienmärkte besonders volatil. Zugleich erwies sich der Indikator, wenn er hoch war, als Vorbote für geringere Beschäftigung und geringere Investitionsneigung. In den USA hat der Indikator in den letzten Wochen den höchsten Stand seit der Finanzkrise erreicht, wenn man von der Pandemiephase absieht.