Wehrbeauftragte Högl befürwortet Pistorius’ Wehrdienst-Modell

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Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), mahnt bei der Ausrüstung und personellen Aufstockung der Truppe mehr Tempo an. „Die personelle, materielle und infrastrukturelle Ausstattung der Bundeswehr muss schnell besser werden“, schreibt Högl in ihrem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht 2024. „Ungeduld ist geboten und Erwartungen sind gerechtfertigt.“ Die Bundeswehr müsse „vollständig einsatzbereit sein“ schreibt Högl vor dem Hintergrund der neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen Deutschlands.

Högl sieht aber positiv, dass es „überall (…) endlich Bewegung“ gebe. Die Bundeswehr erhalte mehr Geld und Waffen, auch gebe es Initiativen zur Personalgewinne und Strukturreformen zur Fokussierung auf den Kernauftrag. „Diese Anstrengungen waren enorm, die Ergebnisse jedoch (noch) nicht überall sichtbar, spürbar oder messbar“, schreibt Högl. Sie verglich die Bundeswehr mit einem Tankschiff, das lange Zeit zum Kurswechsel braucht. „Zeit, die wir nicht haben“, mahnt Högl.

Ihr Bericht bescheinigt der Bundeswehr in den zurückliegenden fünf Jahren „die wechselvollsten Jahre ihrer fast 70-jährigen Geschichte“. In diesen fünf Jahren habe sich der Kernauftrag der Bundeswehr vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hin zur Landes- und Bündnisverteidigung verändert. Die Bundeswehr sei „bereit, durch Stärke potenzielle Aggressoren abzuschrecken“. Nun werde mit Hochdruck daran gearbeitet, „die gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen zu bewältigen, die nicht selten auch auf Versäumnissen in der Vergangenheit beruhen“.

„Zur Verfügung stehende Gelder auch ausgeben“

Damit die deutschen Streitkräfte ihre vielfältigen neuen Aufgaben erfüllen können, mahnt Högl eine auskömmliche finanzielle Grundlage der Bundeswehr an. Im vergangenen Jahr seien nur 50,3 Milliarden Euro aus dem insgesamt 52 Milliarden Euro umfassenden regulären Verteidigungshaushalts genutzt worden. „Das Ministerium sollte in Zukunft sicherstellen, dass zur Verfügung stehende Gelder auch ausgegeben werden“, schreibt Högl. Zudem seien rund 19,8 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen bereitgestellt worden.

Das Verteidigungsministerium könnte künftig noch deutlich mehr Geld zur Verfügung gestellt bekommen. Union und SPD hatten in den Sondierungen für eine mögliche neue Bundesregierung zuletzt vereinbart, die Schuldenbremse für Wehrausgaben über einem Prozent der Wirtschaftsleistung auszusetzen. Unklar ist noch, ob die dafür nötige Grundgesetzänderung im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit bekommt.

Das Geld würde laut Högl dringend benötigt. Allein in der Infrastruktur habe der Gesamtinvestitionsbedarf Ende 2024 bei rund 67 Milliarden Euro gelegen. Kasernen und Liegenschaften seien „immer noch teilweise in einem desaströsen Zustand“. Es mangele aber auch an funktionstüchtigem Großgerät und Ersatzteilen, „was zum Teil auch aus der so wichtigen Abgabe von Material an die Ukraine resultiert.“

Personalmangel: Högl für Wehrdienst-Modell

Die Wehrbeauftragte beklagt zudem weiter einen gravierenden Personalmangel bei der Truppe. Dem eigenen Ziel der Bundeswehr, bis 2031 insgesamt 203.000 Soldatinnen und Soldaten zu haben, sei sie „erneut nicht nähergekommen“. Ende 2024 habe es 181.174 aktive Soldatinnen und Soldaten gegeben. Das Durchschnittsalter stieg von 32,4 Jahren aus 2019 auf nun 34 Jahre.

Eva Högl (rechts), Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, übergibt den Jahresbericht 2024 zur Lage der Bundeswehr an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD).
Eva Högl (rechts), Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, übergibt den Jahresbericht 2024 zur Lage der Bundeswehr an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD).dpa

Högl befürwortet darum das von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorgeschlagene Wehrdienst-Modell. Dieses nennt sie in ihrem Bericht einen „guten und richtigen Vorschlag“. Auf Grundlage eines Fragebogens, der von Männern verpflichtend und von Frauen freiwillig ausgefüllt wird, könnten dann die Musterung und Auswahl der geeignetsten und motiviertesten Bewerberinnen und Bewerber erfolgen, schreibt Högl weiter.

Die SPD-Politikerin betonte, sie befürworte „bereits seit Beginn ihrer Amtszeit ein sogenanntes Gesellschaftsjahr – also ein verpflichtendes Jahr für junge Frauen und Männer etwa im Umweltschutz, im sozialen Bereich oder bei der Bundeswehr.“ Die Ampel-Regierung hatte kurz vor ihrem Bruch im vergangenen November Pläne von Minister Pistorius für einen neuen Wehrdienst per Kabinettsbeschluss auf den Weg gebracht. Eine Befassung damit im Bundestag fand dann jedoch nicht mehr statt.

Eine Wiedereinführung der alten Wehrpflicht hält Högl dagegen nicht für umsetzbar. „Das würde die Bundeswehr überfordern.“ Es gebe aktuell nicht genügend Stuben sowie Ausbilder. Es sei daher „keine gute Idee“, die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht für junge Männer wieder einzuführen.

„Nur kleine Minderheit von Rechtsextremisten“ in der Truppe

Pistorius’ Pläne sehen vor allem vor, alle jungen Männer und Frauen anzuschreiben, um sie nach ihrer Bereitschaft und Fähigkeit zum Dienst bei der Bundeswehr zu befragen. Hauptziel ist, mehr Personal für die Bundeswehr zu rekrutieren. Eine Dienstpflicht lehnt Pistorius vorerst ab.

Högl berichtet in ihrer Jahresbilanz auch von rechtsextremistischen Vorfällen bei der Truppe, die aber nur eine „kleine Minderheit der Soldatinnen und Soldaten“ betreffe. So habe es diverse Vorfälle gegeben, bei denen Soldatinnen und Soldaten das umgedichtete Lied „L’amour toujours“ mit der Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gesungen haben, nachdem im Sommer ein ähnliches Video von Urlaubern auf Sylt bekannt geworden war.

Die Bundeswehr sei dagegen mit Disziplinarmaßnahmen wie Geldbußen bis zu Entlassungen vorgegangen. Zudem werden einzelne Vorfälle von Bundeswehrangehörigen aufgeführt, die den Hitlergruß zeigten.