Nicht nur die Oberfläche, auch die obersten zweitausend Meter des Meerwassers waren im Jahr 2024 so warm wie nie und erhitzen sich immer schneller. Das hat Folgen – an Land und in den Ozeanen.
Die Erde erhitzt sich immer weiter. Nachdem das Jahr 2024 schon das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen war und die 1,5-Grad-Marke erstmals überschritten wurde, geht es auch in diesem Jahr weiter mit den Rekorden. Der Januar war laut dem EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus der wärmste Januar seit Beginn der Aufzeichnungen.
Temperaturrekorde auch im Meer
Hitzerekorde verzeichnen dabei nicht nur die Temperaturen an Land, sondern auch im Meer. Die Meeresoberfläche war im vergangenen Jahr so heiß wie nie, erklärt Michael Mayer von der Universität Wien und dem Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage in Bonn. Er ist Meteorologe und Klimaforscher und einer der Autoren einer Studie, die das ermittelt hat. Die Meeresoberfläche war demnach im Jahr 2024 im Schnitt 0,6 Grad wärmer als in der Zeit von 1980 bis 2010.
“Das ist für das weltweite Oberflächentemperatur-Mittel schon eine gewaltige Abweichung”, ordnet Mayer ein. Vor allem, wenn man bedenke, dass die Meerestemperaturen insgesamt deutlich weniger schwanken als die atmosphärischen Temperaturen. “Für Meeresoberflächentemperaturen ist das schon ziemlich heftig.”
Eine aktuelle Veröffentlichung von Forschenden der Universität Reading kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Demnach erwärmt sich der Ozean heute sogar viermal schneller als noch vor vier Jahrzehnten.
Die Studie von Mayer und weiteren Forschenden geht aber darüber hinaus, wie der Ozeanograf und Klimaforscher Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg erläutert. Er war an der Arbeit nicht beteiligt, schätzt sie aber als gut gemacht ein. “Was sie hier gemacht haben gegenüber anderen Arbeiten, die ich kenne, ist, dass sie nicht nur die Oberflächentemperaturen angeschaut haben, sondern auch die Temperaturen in den obersten 2.000 Metern des Ozeans.”
Rekord auch in den oberen zweitausend Metern
Anhand dieser Temperaturen kann man sehen, wie viel Wärme und damit Wärmeenergie der Ozean in den vergangenen Jahren aufgenommen hat, erklärt auch Mayer. Denn der Ozean puffert den menschengemachten Klimawandel dadurch ab, dass er große Mengen Wärme aufnimmt. Diesen Energiegehalt im Ozean zu messen sei hilfreich, um Veränderungen im Klima zu zeigen, so der Klimaforscher. “Es ist schwierig, weil die globale Datenlage eine Herausforderung ist. Aber es ist wahrscheinlich die beste Metrik für die Quantifizierung, was mit dem Klima passiert, die wir haben.”
Und auch für den Wärmegehalt der obersten zwei Kilometer des Meeres sind die Ergebnisse dramatisch. Denn auch hier ist die Temperatur so hoch wie nie zuvor. Damit – das kann man modellieren – hat der Ozean enorm viel Wärme aufgenommen. “Das ist es auf jeden Fall Rekord für die letzten Jahrtausende”, so Mayer.
El Niño kühlt normalerweise ab
Auch wenn die Ergebnisse nicht überraschend waren, sind sie doch ungewöhnlich, erklärt Mayer. Denn bis 2024 war noch ein El Niño-Jahr. Normalerweise ist das Meer während dieses Wetterphänomens an der Oberfläche überdurchschnittlich warm, gleichzeitig kühlt sich der Ozean insgesamt aber ab, weil er durch die höheren Temperaturen mehr Energie an die Atmosphäre abgeben kann.
Trotz dieses Phänomens hat im vorigen Jahr der Wärmegehalt im Ozean in den obersten 2.000 Metern nicht abgenommen. “Es scheint so zu sein, dass das längerfristige Erwärmungssignal mittlerweile so stark ist, dass auch ein starkes El Niño-Ereignis nicht mehr ausreicht, um eine Delle im ozeanischen Wärmegehalt zu verursachen”, so Michael Mayer.
Steigender Meeresspiegel, mehr Zyklone
Unabhängig von absoluten Rekorden hat der heiße Ozean auch Folgen. Zum Beispiel dehnt sich wärmeres Wasser aus und braucht so mehr Platz. Noch ohne dabei den Beitrag vom Schmelzen der Landeismassen zu berücksichtigen, steigt so der Meeresspiegel. Ungefähr ein Drittel des erwarteten Anstiegs geht auf diese sogenannte thermische Expansion zurück. “Das ist für hunderte Millionen Menschen weltweit natürlich höchst problematisch”, sagt Mayer.
Dazu kommt: Wenn die Wassertemperaturen steigen, können sich mehr und stärkere tropische Zyklone und Hurricanes bilden. Diese werden in den nächsten Jahren noch mehr Verwüstungen anrichten.
Hitzewellen im Meer
Jochem Marotzke sieht allerdings die Probleme eher im Wasser als an Land, besonders durch sogenannte marine Hitzewellen. In großen Gebieten sei der Ozean hier bis zu fünf Grad wärmer als üblich. “Das ist enorm viel für einen Ozean. Das wird häufiger auftreten, und das geht auch nicht wieder weg”, sagt der Klimaforscher. Die Hitzewellen würden, im Gegenteil, noch intensiver und länger anhalten. Das sei besonders eine Belastung für die Ökosysteme im Ozean.
Denn Tiere und Pflanzen im Meer sind, ähnlich, wie Lebewesen an Land, an bestimmte Temperaturen angepasst. Fische könnten zwar theoretisch teilweise in andere Meeresgebiete oder größere Tiefe ausweichen, wo es noch kälter ist als an der Oberfläche. Dort ist aber nicht unbedingt ausreichend Nahrung vorhanden.
Besonders empfindlich reagieren auch Korallen auf die steigenden Temperaturen. Laut Weltklimarat IPCC werden auch bei einer Begrenzung der Erwärmung auf unter 1.5 Grad 70 bis 90 Prozent der Riffe mit Warmwasserkorallen absterben. Steigt die Temperatur auf über zwei Grad, sind es sogar 99 Prozent.
Der Sauerstoff geht aus
Dazu kommt auch noch anderes Phänomen: Wärmeres Wasser kann weniger gelöste Gase halten. Ähnlich wie bei warmen Mineralwasserflaschen die Kohlensäure, gast aus dem warmen Ozean Sauerstoff aus. Das ist vor allem für Tiere wie Fische, die sich viel bewegen und einen hohen Sauerstoffverbrauch haben, schon jetzt ein Problem.
Zukünftig könnten sich sogenannte Todeszonen, in denen es kaum Sauerstoff gibt und sehr wenig Leben möglich ist, weiter ausbreiten. Laut früheren Modellierungen wird der Sauerstoff in der Tiefsee über die nächsten 600 Jahre noch abnehmen, selbst wenn wir jetzt plötzlich gar kein CO2 mehr ausstoßen würden. Denn erst dann wird das wärmere Wasser mit dem geringeren Sauerstoffgehalt in den größeren Tiefen angekommen sein.
Auch zukünftig hohe Temperaturen
Was die nahe Zukunft der Meerestemperaturen angeht, ist Jochem Marotzke aber erst einmal optimistisch. “Wenn 2025 wieder ein Rekordjahr wäre in der Temperatur, dann wäre ich komplett überrascht und vor den Kopf geschlagen”. Insgesamt aber glaubt Klimaforscher Michael Mayer: “Der Aufwärtstrend geht weiter.”