Die fünf NATO-Verbündeten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen und Italien wollen zu einem „pragmatischen und etwas groben Fahrplan“ über Sicherheitsgarantien für die Ukraine kommen. Das hat der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu nach Beratungen im früheren Militärkrankenhaus Val de Grace in Paris bekannt gegeben. „Die Sicherheit Europas steht an einem Wendepunkt“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die am Donnerstag verbreitet wurde. Es war das dritte Treffen der fünf Verteidigungsminister seit der Gründung des Formats nach der Wahl Donald Trumps im vergangenen November.
Die Fünfergruppe bekundete, für eine „fortgesetzte Rolle der USA bei der Unterstützung der Ukraine“ einzutreten, die NATO bleibe der Eckpfeiler der europäischen Sicherheit. Die Generalstabschefs der Fünfergruppe wurden beauftragt, Szenarien mit konkreten Einsatzplänen auszuarbeiten. Unter Führung der beiden Atommächte Frankreich und Großbritannien wollen die fünf Staaten den Vereinigten Staaten konkrete Angebote über eine mögliche Absicherung einer Waffenruhe beziehungsweise eines Friedensschlusses unterbreiten.
Zentrale Frage sei nicht die Entsendung europäischer Truppen
„Die wichtigste Sicherheitsgarantie liegt in der Stärke der ukrainischen Armee“, betonte Lecornu bei der gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwochabend. Die Unterstützung durch Munition, Material und Ausbildung für die ukrainischen Streitkräfte müsse über einen längeren Zeitraum gesichert werden. Lecornu wies die Vorstellung zurück, dass die wichtigste Frage die Entsendung europäischer Truppen sei.
Es gehe nicht darum, „die Arbeit der ukrainischen Armee zu übernehmen“. Die Absicherung der Waffenstillstandslinie sei Aufgabe der ukrainischen Streitkräfte, deutete Lecornu an. Zu den Einsatzszenarien zähle vielmehr die Stationierung der französisch-britischen schnellen Einsatztruppe Combined Joint Expeditionary Force an der polnisch-ukrainischen Grenze. Es gehe auch um die Sicherheit im Schwarzen Meer und die der ukrainischen Atomkraftwerke, so Lecornu.
„Solide Optionen“ für die Unterstützung der Ukraine
Darüber hinaus wolle man „eine Koalition der Willigen“ bilden, wie der britische Verteidigungsminister John Healey betonte. Bislang haben sich 15 Länder bereit erklärt, sagte Lecornu, wollte jedoch nicht präzisieren, um welche Länder es sich handelt. Am Dienstag hatten die Generalstabchefs aus 34 Ländern im Marine-Museum in Paris über Einsatzpläne beraten. Darunter waren die Vertreter aller NATO-Verbündeten mit Ausnahme der USA.
Der Ort war mit Bedacht gewählt: In den Anfängen der NATO zwischen 1952 und 1959 tagten die Verbündeten ganz in der Nähe. Bis 1966 war das Bündnis im Pariser Großraum beheimatet. Die Generalstabschefs vereinbarten, „solide Optionen“ zur Unterstützung der Ukraine und zur Abschreckung Russlands auszuarbeiten. Sie wollen bereits nächste Woche wieder zusammenkommen, dann allerdings im verkleinerten Format der 15 Willigen.
Verteidigungsminister kritisieren die EU-Kommission
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sagte: „Ich bin davon überzeugt, dass wir gestärkt werden, wenn wir jetzt handeln, wenn wir uns für die Sicherheit in Europa und darüber hinaus entscheiden und nationale Interessen überwinden.“ Die europäischen Länder müssten einheitliche Militärausrüstung in größerem Umfang und schneller als bisher beschaffen. Die Anforderungen an Waffensysteme sollten künftig nur einmal formuliert und dann über Rahmenverträge beschafft werden, so Pistorius. Er sprach sich zudem für einheitliche Zertifizierungsregeln für Waffensysteme aus.
Der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto mahnte bei der Pressekonferenz, man dürfe nicht nur über die besten Szenarien nachdenken. „Wir müssen uns auf alle Szenarien vorbereiten, auch auf die schlimmsten“, sagte er. Einen Bruch mit den USA wiesen insbesondere Italien und Polen zurück. „Wir können das westliche Bündnis nicht auf dem Altar der industriellen Autonomie opfern“, sagte der Italiener. Der polnische Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz sprach sich für eine Stärkung der transatlantischen Beziehung aus und sagte, die europäische Rüstungsindustrie verfüge derzeit nicht über die gleichen Produktionskapazitäten wie die USA.
Die vier Verteidigungsminister aus der EU übten kaum verhaltene Kritik an der EU-Kommission. Verteidigungskommissar Andrius Kubilius saß im Publikum. „Wir fordern, dass die Rüstungsindustrie nicht länger wie jede andere Branche behandelt wird“, sagte Lecornu. Die EU-Vorschriften, die die Waffenproduktion und -beschaffung behinderten, müssten abgeschafft werden, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der E5-Gruppe. „Wir wollen auf europäischer Ebene, aber auch in unseren Nationalstaaten deregulieren“, sagte Pistorius. Die EU-Kommission müsse ein „Vereinfachungspaket“ für die Rüstungsindustrie vorlegen.