In einem verstörenden Sprechakt, der mehr einer politischen Show glich als einer öffentlichen Bekanntmachung, kündigte der Leiter der amerikanischen Umweltbehörde EPA, Lee Zeldin, an diesem Mittwoch die, wie er sagte, „größte Deregulierungsmaßnahme der amerikanischen Geschichte“ an. Verpackt in 31 Einzelmaßnahmen soll das Wahlversprechen Donald Trumps eingelöst und Umweltschutzregularien abgeschafft oder radikal abgeschwächt werden.
Würden die Maßnahmen so umgesetzt werden, was angesichts drohender (und schon angekündigter) Gerichtsprozesse längst noch nicht klar ist, wäre das wahrhaftig eine Kernschmelze der Umwelt- und Klimaschutzgesetzgebung im Land. Und der US-Präsident würde sich einmal mehr als effektiver Lobbyist und das schärfte politische Instrument der amerikanischen Öl-, Gas- und Kohlekonzerne erweisen. In Lee Zeldins Trumpschen Duktus: „Wir treiben einen Dolch ins Herz der Klimareligion und setzen damit Amerikas Goldenes Zeitalter in Gang.“
Gesunder Menschenverstand und Wissenschaft
Grenzwerte für Luftschadstoffe wie Methan, Stickoxide, Ozon oder Quecksilber werden infrage gestellt, die Abwassergrenzwerte aus fossilen Kraftwerken und der Schwerindustrie sollen fallen, die Schadstofflimits für Verbrennerfahrzeuge toleranter geregelt werden. Vor allem aber soll auch das in der Obama-Administration von der EPA in Kraft gesetzt „Endangerment finding“ vom Tisch gewischt werden. Mit diesem Beschluss aus dem Jahre 2009, der auf ein zwei Jahre vorher mit fünf zu vier Stimmen gefasstes Urteil des US-Supreme Courts zurückgeht, wurde die konsequente Bekämpfung von sechs Luftschadstoffen durch die Industrie eingeleitet.
Dazu zählen auch die Grenzwerte für die beiden wichtigsten Treibhausgase Kohlendioxid und Methan, die seither als wichtigster regulatorischer Hebel für den amerikanischen Klimaschutz dienen. „Billionen von Dollar“ hätten die Regularien die Amerikaner gekostet, nichts als „versteckte Steuern“ seien die Umweltschutzbestimmungen gewesen. Deshalb versprach Zeldin seinen Landsleuten jetzt: „Sie sollen sich wieder ein Auto leisten können, ihre Häuser und Wohnungen heizen und auch wieder eine Firma gründen können.“ Das Paradoxe an Zeldins Versprechen war, wie er in einem begleitenden Gastbeitrag für das Wall Street Journal den Hinweis unterbrachte, man wolle bei alledem nicht nur dem „gesunden Menschenverstand“ und den Gesetzen, sondern auch „der Wissenschaft folgen“.
Rückabwicklung des Umweltschutzes
Welchen Verstand, welche Gesetze und welche Wissenschaft er gemeint haben könnte ließ er offen. Das EPA jedenfalls, seine eigene Behörde, die immer wieder in den vergangenen Jahrzehnten die wissenschaftlichen Befunde zu den Gesundheitsgefahren und Klimarisiken von Schadstoffen veröffentlichte, hat noch in einem seiner jüngsten Fortschrittsberichte vorgerechnet, wie sich die Abgasregeln nur für einen dieser Schadstoff für die Amerikaner auszahlen: Mehr als 4500 frühzeitige Todesfälle jährlich würden durch die Senkung der Gesundheitsrisiken verhindert, 46 Milliarden Dollar an Krankheitskosten allein bis zum Jahr 2032, die ohne Restriktionen durch schadstoffbedingte Lungenleiden und Krebserkrankungen entstehen würden. Die Folgen des Öko-Kahlschlags wären konsequenterweise: mehr Schadstoffe, mehr Risiken, mehr Leiden.
Nach der drohenden Selbstdemontage der wissenschaftlichen Basis im Land durch Elon Musks „DOGE“-Aktionen wäre der Kahlschlag des Umwelt- und Gesundheitsschutzes der nächste Schritt in einer boshaften Rückwärtsbewegung des intellektuellen Kapitals. Ein beispielloser Akt ideologisch getriebener Autoaggression. Geschichts- und gewisenlos. Die seinerzeitige Entscheidung der EPA vor sechzehn Jahren fußte nicht nur auf einem Gerichtsurteil, sondern auf einer mehr als zwanzigjährigen Forschung, die insbesondere die US-Klimatologie weltweit an die Spitze führte. Doch auch sie kämpft derzeit ums Überleben, der Klimawandel wie der Umweltschutz haben für die Trump-Administration offensichtlich keinerlei Bedeutung. Und um dem eigenen Volk das Ausblenden der Risiken schmackhafter zu machen, denen sie mit der Rückabwicklung des Umweltschutzes ausgesetzt werden, haben große Teile der US-Republikaner bereits damit begonnen, die Erderwärmung infolge des Öl- und Gasverbrennens als ein willkommenes Geschenk des Himmels zu preisen. Wärmer sei doch immer besser als kälter, hallt es durch Elon Musks Propagandaplattform X.