Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat sich bei einem Besuch in Paris positiv über die großvolumigen Schuldenpläne der sich abzeichnenden schwarz-roten Koalition geäußert. „Außergewöhnliche“ Zeiten erforderten „außergewöhnliche Maßnahmen“, sagte er am Donnerstag auf einer Podiumsdiskussion mit dem französischen Notenbankgouverneur François Villeroy de Galhau. Noch Anfang der Woche war Nagel, der SPD-Mitglied ist, in einer Grundsatzrede eher mit kritischen Tönen über die Berliner Schuldenpläne rezipiert worden.
Man müsse quasi auf Tagesbasis „schauen, was auf der anderen Seite des Atlantiks in der Nacht beschlossen oder angekündigt wurde“, sagte Nagel nun mit Verweis auf die Zollpolitik von Amerikas Präsident Donald Trump. Und ich sage es mal so, in wirklich aller Deutlichkeit: Was derzeit seitens der US-Administration passiert, das ist Wirtschaftspolitik aus dem Gruselkabinett“, fügte er hinzu. Deshalb sei er der Auffassung, „dass es eben die entsprechenden fiskalischen Maßnahmen erfordert, deshalb kann ich durchaus nachvollziehen, dass wir jetzt in diesen Sondierungsgesprächen zwischen der CDU und der SPD Maßnahmen auf dem Tisch haben, die in der Größenordnung exzeptionell sind“.
Der Bundesbankpräsident betonte, dass man sich „irgendwann“ dann auch wieder eng an den europäischen Schuldenregeln „orientieren“ müsse. Den Stabilitäts- und Wachstumspakt dürfe man nicht aufgeben. Er sei wichtig für das Vertrauen der Kapitalmärkte. „Aber es ist auch wichtig, dass wir reagieren in einer solchen Situation und gemeinsam in Europa uns wieder stärker oder noch stärker aufstellen“, stellte er klar. Zumal die geplanten Mehrausgaben für Infrastruktur und Verteidigung sich positiv auf die Wirtschaft auswirken könnten, auch wenn sie nun erst einmal durch den parlamentarischen Prozess müssten.
„kein Hundertmeterlauf, wahrscheinlich eher ein Mittelstreckenlauf“
„Man darf sich natürlich jetzt nicht davon Wunder erhoffen“, sagte Nagel. Um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, müsse der Fokus der Ausgaben wirklich auf zusätzlichen Investitionen liegen. Das sei „sicherlich kein Hundertmeterlauf, wahrscheinlich eher ein Mittelstreckenlauf“. Aus ökonomischer Sicht reiche es für eine Belebung allerdings mitunter auch, „dass man die negative Stimmung, die ja derzeit da ist, (dreht), dass man wieder das Licht am Ende des Tunnels sieht, dass man wieder die Sonne aufgehen sieht“, sagte Nagel.
Der Bundesbankpräsident mahnte gleichwohl, dass es die Politik nicht unterlassen dürfe, Deutschland „wieder wettbewerbsfähig aufzustellen“. Unter anderem müsse der Ausbau der Glasfasernetze dramatisch beschleunigt werden. Auch müsse man Zuwanderung so organisieren, dass sie das Ausscheiden von Arbeitskräften aufgrund des demographischen Wandels zumindest teilweise kompensiert. Was Reformen auf europäischer Ebene anbelangt, herrschte zwischen Nagel und seinem französischen Notenbankkollegen weitgehend Einigkeit. Der alte Kontinent müsse im Lichte der geopolitischen Herausforderungen vorankommen. Villeroy de Galhau erinnerte an die Empfehlungen aus dem Draghi-Bericht und appellierte daran, Großprojekte wie die Vertiefung der europäischen Kapitalmärkte endlich anzugehen.