Im Bundesrat könnte es auf die FDP ankommen

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In der FDP hat in dieser Woche eine Besprechung der Bundesebene mit Vertretern der Länder stattgefunden. Es ging um die drängende Frage, wie sich die Partei zur geplanten Schuldenaufnahme für Rüstung und Infrastruktur positioniert.

Bei der Abstimmung am Dienstag im Bundestag kommt es weniger auf die FDP, sondern vor allem auf die Grünen an. Völlig offen ist jedoch, was drei Tage später im Bundesrat passiert. Dort könnte ein Szenario eintreten, in dem der Ausgang von der Zustimmung jener beiden Länder abhängt, in denen die FDP mitregiert: Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

Bei dem Treffen am Mittwoch sei man sich einig gewesen, dass die FDP die Schuldenpläne von Union und SPD nicht mittragen dürfe, heißt es. Auch die Ländervertreter hätten diese Linie vertreten, allerdings mit einer entscheidenden Einschränkung: Das gelte nur für diejenigen Landesverbände, die zur Sitzung kamen. Das Fernbleiben von Rheinland-Pfalz wurde in Berlin als Signal gewertet.

Aus dem Landesverband heißt es jedoch, man habe aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen können. Mit Christian Dürr, dem Fraktionsvorsitzenden der FDP im Bundestag, stehe man in engem Austausch. Gleichwohl spricht manches dafür, dass die FDP in Rheinland-Pfalz zustimmt. Das Land hat im Bundesrat vier von 69 Stimmen, ebenso viele wie das von einer Deutschland-Koalition regierte Sachsen-Anhalt.

In Mainz liegt die Entscheidung bei Schmitt

Ein Ausscheren von Rheinland-Pfalz wä­re nicht überraschend, der Landesverband unterscheidet sich von anderen. Vor neun Jahren führte Volker Wissing die Partei in Mainz in eine Koalition mit SPD und Grünen. Der FDP, die seitdem die Ressorts Wirtschaft und Justiz besetzt, kommt die Rolle der Anwältin für die Interessen der Wirtschaft zu. In der fein austarierten Dynamik der Koalition gibt es für die Liberalen immer wieder Gelegenheit, sich zu profilieren. Wie Grüne und SPD würde man am liebsten nach der Landtagswahl im kommenden Jahr gemeinsam weiterregieren.

Nachdem Verkehrsminister Volker Wissing im vergangenen Jahr aus der FDP austrat, gilt Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt als aussichtsreiche Nachfolgerin für den Landesvorsitz. Bei Schmitt liegt die Entscheidung, ob die FDP dem Vorhaben im Kabinett zustimmt. Im Falle einer Ablehnung würde sich das Land gemäß dem Koalitionsvertrag enthalten. In der Landesregierung geht man davon aus, dass die Entscheidung nicht regulär am Dienstag im Kabinett, sondern unter Umständen erst am Freitagmorgen beim sogenannten Bundesratsfrühstück in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin getroffen wird.

Im Gespräch mit der F.A.Z. schildert Schmitt ihre Abwägungen. „Die Aufweichung der Schuldenbremse und der Beschluss des Sondervermögens für Infrastruktur sind einerseits eine gigantische Verschuldung. Das muss man so deutlich sagen. Andererseits bin ich Ministerin für Wirtschaft und Verkehr in Rheinland-Pfalz. Ich sehe, wie viel Investitionsbedarf es im Land gibt, und das entscheidet auch über unsere Zukunftsfähigkeit“, so Schmitt. „Ich argumentiere aus einer Regierungsverantwortung heraus. Dem Land wäre es schwer zu vermitteln, dass wir ohne Weiteres so viel Geld ziehen lassen, das dringend gebraucht wird.“

Gegen die Verschuldung: Christian Dürr und Christian Lindner am Donnerstag bei der Sondersitzung im Bundestag
Gegen die Verschuldung: Christian Dürr und Christian Lindner am Donnerstag bei der Sondersitzung im BundestagReuters

Die Zustimmung der FDP in Rheinland-Pfalz hänge von der genauen Ausgestaltung der Grundgesetzänderung ab, so Schmitt: „Es kommt auf die Details an. Dabei ist entscheidend, ob es um kluge, zusätzliche Investitionen und nicht um konsumtive Ausgaben geht.“ Das Sondierungspapier von Union und SPD habe den Eindruck vermittelt, dass man mit den frei werdenden Mitteln laufende Kosten decken wolle. „Es braucht zudem das Bekenntnis zu deutlichen Struktur­reformen und den Willen, Einsparungen und Priorisierung im Haushalt vorzu­nehmen“, fordert Schmitt.

In diesen Tagen spricht Schmitt regelmäßiger als sonst mit Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD). Er würde gern erreichen, dass Rheinland-Pfalz im Bundesrat zustimmt. Schweitzer ist Teil des Verhandlungsteams der SPD im Bund. Mit der FDP finden jedoch bislang keine Verhandlungen über die Ausgestaltung der Gesetzgebung im Bundestag statt, wie es heißt.

In Sachsen-Anhalt schauen derzeit alle auf Lydia Hüskens. Die 60 Jahre alte FDP-Politikerin hat ihre Partei 2021 zurück in den Landtag geführt und ist seither Ministerin für Infrastruktur und Digitales. In der Bundes-FDP hofft man, dass sich Hüskens in Magdeburg standhafter gegen den neuen Schuldenberg stellt, als ihre Parteifreunde aus Rheinland-Pfalz das tun. Sie soll die Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt zu einer Enthaltung bringen.

Hüskens selbst möchte sich dazu nicht äußern. Alles sei im Fluss, für Vorfestlegungen sei es noch zu früh, heißt es aus ihrem Umfeld. Aber in Magdeburg finden im Hintergrund natürlich bereits Gespräche statt. Denn eine Einigung im Bundestag gilt als das wahrscheinliche Szenario. Offen ist, ob es dann im Bundesrat auf Sachsen-Anhalt ankommt. Falls ja, wäre der Druck auf Hüskens immens.

Trägt Hüskens die Schuldenpakete mit?

Folgende Erwägungen könnten dann eine Rolle spielen: Für eine harte Haltung von Hüskens spricht das Erfordernis der Solidarität mit der Bundes-FDP, die den Weg in den Schuldenstaat ablehnt. Über Hüskens heißt es, dass sie bisher immer zum Kurs der Bundespartei gestanden habe. Zudem wird in Sachsen-Anhalt im nächsten Jahr gewählt, und die Aussichten der FDP sind, gelinde formuliert, bescheiden. Prinzipientreue und ei­gen­stän­diges Profil könnten in der verzweifelten Lage als hilfreich betrachtet werden.

Das Argument lässt sich aber auch umdrehen: Wenn dieses immens wichtige Vorhaben an der FDP scheitert, dürfte künftig jede leere Klopapierrolle auf der Schultoilette den Freien De­mokraten zugeschrieben werden. Zudem ist Hüskens als Infrastrukturministerin genau für die Bereiche zuständig, die stark von Schulden profitieren würden.

Regierungsintern hat Hüskens bisher den Eindruck vermittelt, dass sie die Schuldenpakete nicht mittragen wird. Von einer „Helm-auf-und-durch-Haltung“ ist die Rede. Doch im Fall der Fälle dürfte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mit hoher Intensität auf Hüskens einwirken. Auch über harte Szenarien wird in Magdeburg bereits gesprochen. Sachsen-Anhalt könnte im Bundesrat ähnlich wie Sachsen im März 2024 beim Thema Cannabis uneinheitlich und damit ungültig votieren.

Haseloff besitzt aber auch die Bazooka: Er könnte Hüskens kurz vor der Abstimmung entlassen, so wie es Brandenburgs Ministerpräsident Woidke im No­vem­ber mit seiner grünen Gesundheits­ministerin machte, um die Kranken­haus­reform zu stoppen. Haseloffs Re­gierung wäre damit nicht sofort am En­de, denn CDU und SPD verfügen im Landtag über eine Ein-Stimmen-Mehrheit. Die FDP wurde nur wegen der notorischen Quertreiber in der CDU-Fraktion mit ins Boot geholt.