Ein vergifteter Speer aus einem entlegenen Dschungel hätte nicht nur das Leben eines Monarchen beenden, sondern auch die britische Krone in eine andere Zukunft führen können.
Er war ein König, der das Empire durch seine Briefmarkensammlung betrachtete. Von den 56 Ländern, die das Britische Empire vor 100 Jahren umfasste, besuchte Georg V. nur eines: Indien. Die Berichte seiner Berater genügten ihm, um das Reich zu regieren, das mit 458 Millionen Untertanen das größte der Weltgeschichte war. Doch im Jahr 1929 erreichte ihn aus den Weiten seines Imperiums ein Geschenk, das beinahe den Lauf der Geschichte verändert hätte.
Die Entomologin Evelyn Cheesman, eine kühne Forscherin mit einer Leidenschaft für Insekten, hatte sich tief in den Dschungel der Vulkaninsel Malekula gekämpft. Dort begegnete sie Ringapat, dem Anführer der Großen Nambas, eines berüchtigten Kannibalenstammes auf den Neuen Hebriden. Ein Treffen mit mörderischem Potenzial.
Doch statt als Festmahl zu enden, gewann sie das Vertrauen des Stammesführers mit einem einfachen Geschenk: einem Foto von König Georg zu Pferd.
“Ringapat hatte 17 Frauen – sechs waren tot, aber die überlebenden elf wurden in seinem Anwesen festgehalten”, schreibt Sarah Lonsdale in ihrem neuen Buch “Wildly Different” über den Kannibalen-Anführer. Cheesman verbrachte mehrere Nächte in diesem Anwesen und brachte Ringapat unter anderem den Umgang mit einer Taschenlupe bei.
Der Kannibalen-Fürst war so beeindruckt, dass er Cheesman ein Gegengeschenk für den britischen Monarchen anbot: eine Muschelkette und einen 4,2 Meter langen Speer mit doppelseitiger Spitze. Das Geschenk wurde feierlich überreicht und nach England verschickt.
In Sandringham, einem Landsitz der britischen Königsfamilie, angekommen, sorgte der Speer für Stirnrunzeln. Ein Beamter am Hof hielt es für ratsam, das Stück reinigen zu lassen, bevor es dem König übergeben würde. Also landete die Waffe im British Museum zur Inspektion. Dort entdeckten die Experten ein tödliches Geheimnis: Die Speerspitze war mit Strychnin versetzt, einem der gefährlichsten Gifte der Welt. Eine Berührung hätte gereicht, um Georg V. zu töten.
Der Zufall hatte den britischen König gerettet – und womöglich die gesamte Geschichte des Empire verändert. 1929 war Georg V. schwer krank, geschwächt von einer Lungenentzündung. Hätte der vergiftete Speer sein Ziel erreicht, wäre sein Sohn Edward VIII. sieben Jahre früher auf den Thron gelangt.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Prinz seine Affäre Wallis Simpson jedoch noch nicht kennengelernt. Er begegnete ihr erst 1931. Wäre Edward also 1929 König geworden, hätten sich ihre Wege wahrscheinlich nie gekreuzt. Sie war der formelle Grund für die Abdankung Eduards VIII. im Jahr 1936.
Hätte es die Begegnung nicht gegeben, wäre es auch wahrscheinlich zu keiner Abdankung gekommen. Die Herrschaft von König Edward VIII. hätte bis zu seinem Tod 40 Jahre später gedauert.
Das bedeutet, dass Königin Elisabeth II. bis zum Tod ihres Onkels 1972 nicht auf den britischen Thron gelangt wäre. Und wenn Edward eine der britischen Hoigh Society genehme Frau gefunden und mit ihr Kinder bekommen hätte, wäre Elisabeth II. nie Königin geworden. Keine Königin Elisabeth bedeutet keinen König Charles. Heute wäre er ein weiteres Mitglied der königlichen Familie. Und das alles nur wegen eines vergifteten Speers.
Ein vergifteter Speer aus einem entlegenen Dschungel hätte also nicht nur das Leben eines Monarchen beendet, sondern auch die britische Krone in eine andere Zukunft geführt. Und vielleicht wäre das Empire selbst heute ein anderes.