Ist das Trumps großer Wirtschaftsplan?

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Im Jahre 2002 schrieb der konservative amerikanische Politiker und Journalist Patrick Buchanan ein Buch mit dem Titel „The Death of the West“. Darin setzte er als bibelfester Christ „globale Kapitalisten“ mit Kain und „wahre Konservative“ mit Abel gleich, und er sagte voraus: „Weil er ein Elitenprojekt unbekannter und ungeliebter Architekten ist, wird der Globalismus am Great Barrier Reef des Patriotismus scheitern.“

Donald Trump mag sich nicht auf Buchanan berufen. Doch nicht nur habe Trump, wie der Politikwissenschaftler Hal Brands in einem Beitrag für „Foreign Affairs“ schreibt, ebenfalls erkannt, dass die Globalisierung zu weit gegangen sei, Trump verstehe zudem intuitiv, was viele liberale Internationalisten vergessen hätten: Ordnung ergibt sich aus Macht und kann ohne sie kaum bewahrt werden. Falsch liegt Trump nach Brands Ansicht mit dieser Wahrnehmung nicht. Gerade in einer Welt sich ausbreitender Autokratien „wäre eine Supermacht mit scharfen Ellbogen derzeit vielleicht nicht das Schlimmste“.

Scharfe Ellbogen zeigt die Supermacht auch in Wirtschaftsfragen mit Ankündigungen von Zöllen und gelegentlich raschen Widerrufen dieser Ankündigungen durch ihren hyperaktiven Vormann. Hinter diesen erratisch anmutenden Entscheidungen könnte sich gleichwohl ein von konservativen Denkfabriken entwickelter und von anderen Wissenschaftlern diskutierter Entwurf verbergen, der politische, militärische und wirtschaftliche Anforderungen auf eine umfassende Weise zusammenfasst, der in unbefangeneren Zeiten als eine „Grand Strategy“ bezeichnet worden wäre.

Die Macht des Dollars

Der Ausgangspunkt ist die These, dass in einer konfliktreicheren Welt die Vereinigten Staaten ihre Verteidigungsfähigkeit stärker auf die eigene Industrie stützen müssen. „Ohne Stahl hat man kein Land“, sagte Trump einmal. Der herbe Verlust von Industrie in den vergangenen Jahrzehnten wird diesbezüglich als ein Hindernis für die eigene Rüstungsproduktion verstanden. Erklärt wird der Verlust der Industrie allerdings nicht mit einem Mangel an internationaler Wettbewerbsfähigkeit, sondern als Ergebnis einer aus Sicht der Industrie schädlichen Überbewertung des Dollars, die sich zu einem Teil aus der Nachfrage globaler Anleger nach amerikanischen Staatsanleihen als sichere Kapitalanlage für die Welt ergibt.

Auf die internationale Rolle des Dollars wollen die Vereinigten Staaten aber auch aus sicherheitspolitischen Gründen nicht verzichten. Weil er ihnen über die Dollar-Dominanz an den Kapitalmärkten der Welt Macht sichert. Und weil dies ermöglicht, den Dollar als Waffe etwa in Form von Wirtschaftssanktionen einzusetzen. Daraus entsteht für Washington ein Dilemma: Mit Blick auf die Industrie ist der Dollar zu stark – aber mit Blick auf den Kapitalmarkt darf er nicht zu schwach werden.

Druck machen mit Zöllen

Wirtschaftspolitische Handlungswege für eine solche Situation hat im November 2024 Stephen Miran ausgearbeitet. Miran arbeitete damals für das Finanzunternehmen Hudson Bay Capital; seit kurzer Zeit steht er dem ökonomischen Beratergremium des Präsidenten (Council of Economic Advisors) vor. „Im Gegensatz zu vielen Diskussionen an der Wall Street und in der Wissenschaft gibt es wirksame Instrumente, mit denen eine Regierung die Bedingungen des Außenhandels, den Wert der Währung und die Struktur der internationalen Wirtschaftsbeziehungen beeinflussen kann“, schrieb Miran im November. „Die Trump-Administration wird Handelspolitik wahrscheinlich zunehmend mit Sicherheitspolitik verknüpfen, indem sie die Bereitstellung von Währungsreserven und einen Sicherheitsschirm als miteinander verknüpft betrachtet und eine gemeinsame Lastenverteilung für beide Bereiche anstrebt.“

Aus der Perspektive des in den vergangenen Jahrzehnten geopolitisch in tiefen Schlummer gefallenen Deutschlands erscheint eine Verknüpfung von Wirtschafts- und Sicherheitspolitik wesensfremd. Für die „Grand Strategy“ einer Weltmacht ist sie eher geläufig; aber gewöhnlich ist ihre Umsetzung eher von Diplomatie begleitet als von Hieben mit einem Kantholz.

Für die Handelspolitik ist zunächst die Feststellung wichtig, dass der von den Vereinigten Staaten erhobene durchschnittliche Zollsatz auf Güter und Dienstleistungen niedriger liegt als der durchschnittliche Zollsatz, den die Europäische Union, die Volksrepublik China und viele andere Länder erheben. Trumps Klagen über eine handelspolitische Benachteiligung der Vereinigten Staaten gegenüber ihren Handelspartnern besitzt durchaus ein Fundament. Was eher erstaunt, das ist die von Trump und seinen Anhängern vertretene Vorstellung einer nahezu grenzenlosen Macht der Zollpolitik, die andere Länder bestrafen und disziplinieren und gleichzeitig die amerikanischen Staatskassen füllen soll – und das langfristig ohne Schaden für die Vereinigten Staaten. „Diese Politik kann dazu beitragen, den amerikanischen Vorteil in hochwertiger Industrieproduktion zu sichern, die Abwanderung von Industrie zu verlangsamen und zu verhindern und die Verhandlungsbasis zu verbessern, um von anderen Ländern eine Öffnung ihrer Märkte für amerikanische Produkte oder eine Verteidigung amerikanischer Rechte geistigen Eigentums zu erreichen“, schreibt Miran.

Ein neuer Wechselkurspakt?

Andere Herausforderungen als die Handelspolitik stellt die Sicherung des Dollars als führende Währung und der amerikanischen Staatsanleihen als sichere Kapitalanlage. Miran betont, seine Überlegungen seien nicht als wirtschaftspolitische Empfehlungsliste zu verstehen, da sie entweder noch nie ausprobiert worden seien oder aus einer fernen Vergangenheit stammten. Im Kern geht es um die Gründung eines neuen Wechselkurssystems in der Welt, verbunden mit für die Vereinigten Staaten untypischen und für den Status ihrer Staatsanleihen potentiell gefährlichen Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs.

Eine neue Vereinbarung über Wechselkurse hatte zuvor mit Zoltan Poszar einer der an der Wall Street meistgelesenen Ökonomen vorgeschlagen; sie kursiert seitdem unter der Bezeichnung „Mar-a-Lago Accord“ in der Finanzszene. Die Bezeichnung nimmt Anleihen beim „Louvre Accord“ und dem „Plaza Accord“, zwei eher kurzlebigen Vereinbarungen der führenden westlichen Industrienationen über Zielzonen für Wechselkurse aus den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts.

Poszar hatte für einen künftigen „Mar-a-Lago Accord“ enge Verbindungen zwischen der Wechselkurs- und der Sicherheitspolitik gezogen. Seine Prinzipien lauten: Eine gemeinsame Sicherheitszone mit den Vereinigten Staaten ist ein öffentliches Gut, das von ihren Mitgliedern durch den Kauf amerikanischer Staatsanleihen finanziert werden soll. Eine gemeinsame Sicherheitszone ist eine Investition, die daher durch hundertjährige amerikanische Staatsanleihen und nicht nur kurzfristige Staatswertpapiere finanziert werden sollte. Und drittens wird eine gemeinsame Sicherheitszone sozusagen durch Stacheldraht gestützt: Mitglieder, die hundertjährige Anleihen gegen kürzer laufende Wertpapiere tauschen, werden mit Zöllen bestraft. Denkbar wäre auch, den Verkauf amerikanischer Staatsanleihen durch Strafgebühren zu verteuern.

Für die Amerikaner hätte der erzwungene Kauf hundertjähriger Staatsanleihen durch Zentralbanken und Staatsfonds von Sicherheitspartnern große Vorteile: Sie müssten sich auf lange Sicht um die Refinanzierung auch sehr großer Staatsdefizite keine Sorgen machen. „Überzeugen“ könnte man Partner von einem solchen Arrangement, indem man sie erst mit hohen Zöllen überzieht, die nach ihrem Eintritt in einen „Mar-a-Lago Accord“ zurückgenommen werden.

Das sind wohlgemerkt Überlegungen von Ökonomen, die in keiner Weise Teil der offiziellen amerikanischen Politik werden müssen. Selbst Miran empfiehlt für den Fall einer Implementierung größte Behutsamkeit – eine Eigenschaft, die Trump eher fernzuliegen scheint. Die Reaktionen der Wall Street auf die bisherigen Darbietungen der neuen Administration sprechen schon jetzt für einen schädlichen Einfluss der Unsicherheit, die Trump erzeugt. Der Pfad, der sich für eine erfolgreiche Kombination von Wirtschafts- und Sicherheitspolitik eröffne, sei eng, räumt Miran ein.

Politikwissenschaftler Brands wiederum äußert sich unverblümter über das, was Trump bisher in Aussicht gestellt hat. „Dieses Programm könnte an seinen eigenen Widersprüchen scheitern“, warnt er, und er ergänzt: „Trump wird es schwer haben, gleichzeitig die Militärausgaben zu erhöhen, die Steuern zu senken und das Defizit zu reduzieren.“

Ebenfalls in „Foreign Affairs“ beschreibt der Politikwissenschaftler Michael Kimmage die verheerenden Folgen einer zu aggressiven Zollpolitik. „Wenn Trump die von ihm angedrohten extremen Zölle von 60 Prozent verhängt, wird er Chinas exportabhängige Wirtschaft schwer treffen“, schreibt Kimmage. „Ein aggressiver Protektionismus würde den kollektiven Wohlstand verringern, der die demokratische Welt lange zusammengehalten hat, und den Zusammenhalt zerstören, der zur Eindämmung eines merkantilistischen Chinas erforderlich ist.“ Kurz und bündig resümiert Brands: „Die potentiellen Vorteile einer Trump-Präsidentschaft sind beträchtlich. Die potentiellen Nachteile gleichen einem Abgrund.“