Manchmal kann es sich auszahlen, langsamer zu sein. Das
erspart einem möglicherweise einige peinliche Fehler, die dann die Runde
machen. So erging es Google im vergangenen Jahr: Der Konzern wollte die Websuche
revolutionieren, mit seinem KI-Assistenten Gemini. Von sich reden machte der aber vor
allem, weil er seinen Nutzern eigenartige Tipps gab. So
empfahl Gemini etwa, den Belag einer Pizza zur besseren Haftung einfach
anzukleben oder jeden Tag einen Stein zu essen, um den körpereigenen Mineralhaushalt
zu regulieren.
Derartige öffentliche Fehltritte scheint auch Apple zu befürchten und tunlichst vermeiden
zu wollen. Der US-Konzern hat den Start der neuen versprochenen
KI-Funktionen für seine Sprachassistentin Siri erst von April auf Mai und dann
kurzerhand komplett auf 2026 verschoben, das
berichtete die US-amerikanische Nachrichtenagentur Bloomberg. Als Grund
dafür soll der für Siri
verantwortliche Apple-Manager Robby Walker bei einem internen Treffen Qualitätsmängel angegeben haben, so Bloomberg: Derzeit
funktioniere die Technologie nur in zwei Drittel bis 80 Prozent der
Fälle zuverlässig. Heißt, in jedem dritten Fall laufen die KI-Funktionen nicht
wie vorgesehen, was, so Walker, “hässlich
und peinlich” sei. Dem
US-amerikanischen Apple-Fachblog Daring Fireball gegenüber hat Apple
bereits bestätigt, dass “es länger dauern wird, als wir dachten”, man aber
davon ausgehe, ein personalisiertes
Siri-Update im kommenden Jahr einführen zu können.
Das Problem ist, dass Apple mit jeder
weiteren Verzögerung noch weiter hinter der Konkurrenz zurückfällt. Und: Das
Unternehmen hat den Zeitplan für seine KI-Innovationen bei seiner
Entwicklerkonferenz im vergangenen Juni eigentlich einmal ganz anders
angekündigt. Siri wurde dort als Kern der KI-Offensive des US-Konzerns
präsentiert. Damals glaubten Beobachter, KI-Siri hätte das Potenzial, eines
der am weit entwickeltesten persönlichen KI-Assistenzsysteme zu werden. Ein Update, das die etwas
eingerostete Sprachassistentin dringend nötig hätte: 13 Jahre nach seiner Einführung gilt das Apple-System als langsam und fehleranfällig.
Siri sollte ihre Nutzer besser verstehen können und
mehr über sie wissen, versprach der Konzern. Diese Hoffnung begeisterte
auch die Aktionäre, die
Apple-Aktie erreichte am Tag nach der Entwicklerkonferenz ein neues Rekordhoch.
KI-Funktionen könnten künftig ein wichtiger Grund für Kunden werden, sich neue
Geräte zu kaufen, prognostizierten damals Experten.
Darauf setzte offenbar auch Apple. Die
neue 16er-Reihe des iPhones, die vergangenen September vorgestellt wurde, soll
laut Apple besonders toll sein, weil sie eben intelligent ist, also
bestimmte KI-Fähigkeiten eingebaut hat. Damit ist Apple nicht allein, auch Samsung
und Google
bewerben ihre neuen Smartphones primär
mit mal mehr und mal weniger nützlichen KI-Funktionen.
Alexa: Sag KI-Agent!
Immerhin: Andere KI-Features von Apple, die etwas großspurig
als Apple Intelligence vermarktet werden, lassen
sich auf neueren iPhones (der 16er-Reihe und dem iPhone 15 Pro) inzwischen in
einer Beta-Version nutzen, seit Februar auch in Deutschland. Man kann damit
Texte verbessern, Bilder bearbeiten, sich Emojis generieren und
Pushmitteilungen zusammenfassen lassen, was sicherlich alles irgendwie
hilfreich
sein kann. Aber es ist fragwürdig, ob sich jemand dafür am Ende extra
ein neues
iPhone für 950 Euro oder mehr kaufen wird. Jenseits der KI-Features hat
sich das iPhone 16 gegenüber Vorgängermodellen kaum verändert. Wer sich jetzt schon ein
iPhone 16 gekauft hat, in der Hoffnung damit schon bald auch die intelligentere
Siri nutzen zu können, der muss nun länger warten als gedacht und greift vorerst
möglicherweise auf andere KI-Assistenzsysteme zurück.
Auch deshalb ist die Verzögerung für das Siri-Update ungewöhnlich
und peinlich für Apple. Ein Konzern, der bei seinen durchchoreografierten Präsentationen
sonst oft und sehr verlässlich one more thing geliefert hat, diese
eine Neuerung, die der verstorbene Firmengründer Steve Jobs immer wie eine vermeintliche Nebensache ankündigte – und die dann für Jünger des Konzerns den entscheidenden Unterschied zur Konkurrenz
ausmachte. Unfertige Apple-Produkte oder Verzögerungen waren hingegen in der
Regel nicht dabei.
Der aktuelle Feature-Fail von Apple ist nicht nur deshalb heikel, weil die Abteilung
für Marketing und Kommunikation des Unternehmens dieses Mal schneller vorgeprescht
ist, als es deren Entwickler waren. Der Zeitverzug fällt auch noch just in eine
Zeit, in der Amazon angekündigt hat, seine
Sprachassistentin Alexa – die direkte Konkurrentin von Siri – mit künstlicher Intelligenz ausstatten zu wollen. Künftig soll Alexa sogar mehrere Arbeitsschritte hintereinander
eigenständig erledigen können und so KI-Agent werden – der nächste
Modebegriff der Branche, der derzeit inflationär genutzt wird, bei dem aber
kaum jemand derzeit wirklich genau versteht, was
exakt damit gemeint ist.