Verschärft das Milliardenpaket die Baukrise?

2

500 Milliarden Euro verteilt über zwölf Jahre – für die angeschlagene Baubranche ist das am Dienstag im Bundestag beschlossene Sondervermögen für Infrastruktur auf den ersten Blick ein Glücksfall. Den Bauunternehmen geht es schlecht. Seit drei Jahren gehen die Baugenehmigungen zurück, seit zwei Jahren kann die Branche mit der ohnehin schwachen Umsatzentwicklung in der Gesamtwirtschaft nicht mehr Schritt halten, die Insolvenzen häufen sich. Das zeigt der Datev-Mittelstandsindex, über den die F.A.Z. exklusiv berichtet.

Doch statt einen schnellen Aufschwung zu bringen, könnte das Milliardenpaket der Regierung die Lage vieler kleiner und mittlerer Baubetriebe noch verschärfen, glaubt Datev-Geschäftsführer Robert Mayr. Schon angeschlagenen Unternehmen werden „auch in Zukunft überlebenswichtige Aufträge fehlen“, sagt er. Auch Datev-Chefökonom Timm Bönke rechnet mit einer noch prekäreren Lage für viele Unternehmen. Das Wort der Datev-Fachleute hat Gewicht, weil das Dienstleistungsunternehmen für Steuerberater tiefe Einblicke in die Geschäftslage kleiner und mittelgroßer Unternehmen hat und deren Daten anonymisiert auswerten kann.

Warum der 500-Milliarden-Topf die Krise vieler Bauunternehmen verschärfen könnte? Bönke sieht ein Bündel von Gründen: Die meisten kleinen und mittleren Bauunternehmen seien im Hochbau aktiv und auf private Aufträge, etwa von normalen Häuslebauern, angewiesen. Profitieren von dem Paket würden aber vor allem die großen Tiefbauunternehmen, wie etwa Hochtief. Die Aktie des Baukonzerns hat sich seit der Ankündigung des Sondervermögens um rund ein Viertel verteuert.

Für die private Bauaktivität sei das Infrastrukturpaket eher kontraproduktiv, heißt es. Erstens dürften die hohen Preise für Baumaterialien wegen der Zusatznachfrage weiter steigen. „Besonders betroffen sind essenzielle Baustoffe wie Beton, Stahl, Holz und Dämmstoffe, deren Preise in den letzten Jahren durch Lieferengpässe und Energiekosten massiv gestiegen sind“, sagt Datev-Geschäftsführer Mayr. Zweitens werde die geplante zusätzliche Kreditaufnahme des Bundes mittelbar die Bauzinsen steigen lassen. „Bereits nach der Ankündigung des Finanzpakets sind Bauzinsen sprunghaft angestiegen“, sagt Mayr. Sie befinden sich nun deutlich oberhalb von drei Prozent. Besonders Erstkäufer und kleinere Bauträger könnten dadurch unter Druck geraten, die private Bautätigkeit weiter einbrechen.

Drittens sind die Arbeitskräfte am Bau knapp. Vor allem im Tiefbau dürften die Löhne steigen, was die kleineren Unternehmen zusätzlich unter Druck setze. Um gegenzusteuern, empfehlen die Datev-Fachleute strukturelle Reformen. „Ein Bürokratieabbau in der Bauwirtschaft kann die Kosten erheblich senken und ist das beste Konjunkturprogramm“, sagt Mayr. Schnellere Genehmigungen, weniger Vorschriften und die Digitalisierung von Prozessen würden Planungssicherheit schaffen sowie Zeit und Kosten sparen.

Zarter Aufschwung in der restlichen Wirtschaft?

Eine weitere Zuspitzung der Lage wäre für die kleinen und mittleren Bauunternehmen fatal. „Seit 19 Monaten kämpft die Bauwirtschaft mit dramatischen Umsatzrückgängen“, sagt Mayr. Im Februar ist der nominale Umsatz im Bauhauptgewerbe im Vorjahresvergleich um sieben Prozent zurückgegangen, zeigt die aktuelle Analyse. In den vergangenen zwei Jahren sind die Umsätze der kleinen und mittleren Bauunternehmen um mehr als zehn Prozentpunkte gefallen (s. Grafik). Die Zahl der Insolvenzverfahren steigt seit Mitte 2021 im Vorjahresvergleich von Monat zu Monat kontinuierlich.

Die Entwicklung der Baubranche hat sich von der restlichen Wirtschaft abgekoppelt. „Gesamtwirtschaftlich scheint eine Bodenbildung erreicht, graduell verbessert sich die Lage“, sagt Bönke mit Blick auf den Mittelstandsindex, der gegenüber Januar um 1,7 Punkte auf 93,4 Punkte zugelegt hat. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sei der Umsatz der kleinen und mittleren Unternehmen nominal um 1,1 Prozent gestiegen. Positiv stechen das Gastgewerbe mit einem Umsatzplus von 7,4 Prozent zum Vorjahresmonat und der Handel (2,2) hervor. Im Gastrobereich half ein Sondereffekt durch Änderungen der Mehrwertsteuer, dennoch sieht Bönke einen Aufwärtstrend. „Die Konsumentenstimmung hellt sich auf“, sagt er. Im Idealfall sind das die Zutaten für einen zarten Aufschwung in den kommenden Monaten.