Was das Schuldenpaket für die Gesundheitsreform bedeutet

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Wenn es frisches Geld gibt, strecken alle die Finger danach aus. Falls die Grundgesetzänderung von Union, SPD und Grünen zum billionenschweren Schuldenpaket am Freitag auch den Bundesrat passiert, dürfte nicht zuletzt das deutsche Gesundheitssystem davon profitieren. Möglicherweise verbessert sich der schlechte Ruf des Systems, und die Furcht der Krankenversicherten vor weiteren Bei­tragsschocks sinkt. Noch steht es um beides nicht zum Besten: Einer neuen repräsentativen Forsa-Umfrage zufolge ist fast ein Drittel der Deutschen unzufrieden mit dem Gesundheitswesen, dreimal so viele wie vor vier Jahren.

Annähernd zwei Drittel der Befragten wünschen sich Reformansätze, um das System wieder flottzumachen. Sage und schreibe 94 Prozent rechnen mit weiter steigenden Beiträgen – obgleich die Sätze zu Jahresbeginn auf einen Höchstsatz von durchschnittlich 17,1 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens gestiegen sind; diese Belastungen teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In Auftrag gegeben hatte die Erhebung die Techniker Krankenkasse, die größte Krankenversicherung in der Bundesrepublik.

Deren Vorstandsvorsitzender Jens Baas sprach von einer Trendumkehr, da die Zufriedenheit mit dem Gesundheitswesen bis zur zurückliegenden Erhebung vor vier Jahren stetig zugenommen hatte. Die jetzt eingetretene Wende sei keine Überraschung. „Seit Jahren steigt die finanzielle Belastung der Versicherten, gleichzeitig klagen Menschen vermehrt über lange Wartezeiten für Arzttermine“, sagte Baas zur Vorstellung der Ergebnisse am Mittwoch in Berlin. „Viele haben das Gefühl, dass dieses System, für das sie immer mehr bezahlen, immer schlechter funktioniert.“

Milliarden könnten fließen

Möglicherweise zeigt sich aber ein Silberstreif am Horizont. Mithilfe des Schuldenpakets könnten nämlich viele Milli­arden Euro in die ambulante Versorgung und in das Krankenhauswesen fließen, etwa in den sogenannten Transformationsfonds. Dieser soll für den Umbau des Klinikwesens über zehn Jahre hinweg 50 Milliarden Euro bereitstellen. 25 Milliarden Euro davon müssen dem jüngsten Reformgesetz zufolge von den Ländern kommen, die sich dafür in dem neuen Sonderver­mögen für die Infrastruktur bedienen können. Dort sind über zwölf Jahre hinweg 100 Milliarden Euro für sie reserviert.

Die übrigen 25 Milliarden Euro für den Transformationsfonds sollten die fast 100 deutschen Kassen beisteuern. Das könnte obsolet werden, wie die gesetz­lichen Krankenversicherungen (GKV) freudig feststellen. Die Chefin des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, begrüßte die Grundgesetzänderung. „Gerade im Hinblick auf unsere veraltete Krankenhauslandschaft war es höchste Zeit, die Fesseln der Schuldenbremse zu lösen“, sagte sie. „Mit dem geplanten Sondervermögen gibt es jetzt die Möglichkeit, den Transformationsfonds zur Modernisierung der deutschen Kliniken aus Steuern zu finanzieren.“ Schließlich sei das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Da­seins­vorsorge. Als solche sei sie von der öffentlichen Hand zu finanzieren und nicht, wie von der Ampelkoalition verfassungswidrigerweise beschlossen, von der GKV.

Wirkung und Nebenwirkung

Bei aller Freude über die frischen Mittel sehen Fachleute die Gefahr, dass der Geldsegen den Reformeifer im Gesundheits­wesen zum Erliegen bringe. „Bislang hat die Politik Reformen gescheut, Leistungsausweitungen beschlossen und die Finanzierungsproblematik der umlagefinanzierten Sozialversicherungen durch Bundeszuschüsse abgemildert“, gibt Thiess Büttner zu bedenken. Er ist VWL-Professor und Vorsitzender des unabhängigen Beirats des Stabilitätsrats. Dieses Gremium dient dazu, Haushaltsnotlagen zu vermeiden. 2024 hätten sich die Zuschüsse zur Renten- und Krankenversicherung auf 130,8 Milliarden summiert, mehr als ein Viertel des Bundeshaushalts, rechnet Büttner vor.

Private Versicherer skeptisch

„Diesen Weg weiter fortzusetzen, war der Ampelkoalition durch die wachsenden Finanzierungsprobleme versperrt“, sagte er der F.A.Z. „Jetzt steht zu befürchten, dass neu gewonnene Finanzierungsspielräume für ein Weiter-so genutzt werden und die Bundeszuschüsse ausgeweitet werden, ohne die Nachhaltigkeit zu verbessern.“ Mit Blick auf die GKV stelle sich aber zu Recht die Frage, ob Mittel des neuen Sondervermögens genutzt werden könnten, um den chronischen Investitionsstau der Länder anzugehen. „Hier bietet der geplante Transformationsfonds zur Krankenhausfinanzierung möglicherweise einen Anknüpfungspunkt“, so Büttner.

Skeptisch gegenüber dem Schuldenpaket ist der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV). Die Pläne vergrößerten den Spielraum für kreditfinanzierte Ausgaben im Bundesetat, so Verbands­direktor Florian Reuther. „Daher ist zu befürchten, dass die dringend notwendigen Schritte zu mehr Eigenvorsorge und zur Ausgabendämpfung in der Sozialversicherung unterbleiben, indem die künftige Koa­lition einfach zusätzliche schulden­finanzierte Bundeszuschüsse in die Kranken- und Pflegeversicherung pumpt.“