EU plant neuen Schutz gegen Billigstahl aus China

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Seit Monaten dringen Industrie und Bundesregierung auf konkrete Vorschläge aus Brüssel für die kriselnde Branche. Am Mittwoch hat die Europäische Kommission nun immerhin einen Aktionsplan für Stahl und Metalle vorgelegt. Sie setzt darin vor allem auf stärkeren Handelsschutz und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene. Dabei geht es ebenso um die globalen „Überkapazitäten“ wie den Belastung der europäischen Unternehmen durch die Klimaziele der EU.

Konkret will die Kommission den bestehenden Schutz vor einem zu starken Anstieg der Einfuhr aus Drittstaaten, namentlich China, anpassen. Momentan schützt die EU die Stahlbranche durch Schutzklauseln („Safeguard measures“). Diese sehen einen Sonderzoll von 25 Prozent auf die Einfuhr vor, sobald diese über das historische Niveau steigt.

Eingeführt hat die EU diese in Reaktion auf die von US-Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit eingeführten Stahlzölle. Später wurde die Laufzeit der Klauseln bis Juni 2026 verlängert. Die Kommission will sie nach der abermaligen Verhängung von US-Zöllen auf Stahl und Aluminium von 25 Prozent zum 1. April anpassen.

Umgehungs-Tricks verhindern

Unabhängig davon will man in Brüssel im Herbst einen Gesetzesvorschlag vorlegen, der den europäischen Stahlsektor effektiver vor Billigstahl aus China schützen soll. Die Industrie argumentiert, dass die bestehenden Schutzklauseln wegen des Anstiegs der chinesischen Produktion nicht mehr greifen. Die Kommission stellt in den Raum, auch Schutzklauseln für die Aluminiumbranche einzuführen.

Weiter will sie prüfen, ob die Definition der Herkunft von Stahl künftig daran geknüpft wird, wo er geschmolzen und gegossen wurde. So will sie verhindern, dass etwa China EU-Zölle umgeht, indem es Stahl in Drittländern weiterverarbeiten lässt. In Entwürfen für den Aktionsplan war sie weitergegangen und hatte diese neue Definition konkret angekündigt. Mit Blick darauf sprach der SPD-Handelspolitiker Bernd Lange „von einer verpassten Chance“.

Grenzausgleich auch für weiterverarbeitete Produkte

Um zu verhindern, dass die Europäer wegen ihrer Klimaziele im internationalen Handel benachteiligt werden, will die Kommission vor dem Sommer erste Ideen dazu vorlegen, wie die Ausfuhr europäischer Produkte geschützt werden kann. Die Industrie fordert das seit langem. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat das lange Jahre ignoriert, jedoch ihren Kurs in jüngster Zeit geändert. Was das konkret bedeutet, bleibt indes unklar.

Der beschlossene, aber noch nicht voll greifende CO2-Grenzausgleich (CBAM) schützt die Stahlbranche nur auf dem europäischen Markt vor billiger Konkurrenz aus Staaten mit niedrigeren Klimaziele. Die Kommission will zudem bei der Einfuhr mehr weiterverarbeitete Stahl- und Aluminiumprodukte unter CBAM erfassen.

Als Antwort auf die hohen Energiepreise verweist Brüssel auf den vor kurzem vorgelegten Aktionsplan für bezahlbare Energie. Der sieht vor allem die Staaten in der Pflicht. Sie sollen die Netzentgelte und Steuern senken. Auch ansonsten enthält der Plan wenig Neues. Die Kommission will Leitmärkte für grünen Stahl entwickeln, stellt eine stärkere Förderung der Dekarbonisierung in Aussicht und kündigt abermals praktikable Regeln für „klimafreundlichen Wasserstoff“ an.

Ein „Lichtblick“, aber zu vage

Mit den geplanten Handelsschutzmaßnahmen hat die EU-Kommission zumindest in der Branche einen Nerv getroffen. „Wenn wir jetzt keinen Handelsschutz kriegen, sind wir platt“, kommentierte die Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Kerstin-Maria Rippel, den Plan in Essen bei der Handelsblatt-Tagung „Zukunft Stahl“. Ansonsten reagierte die Industrie dennoch eher verhalten auf die Brüsseler Initiative. Rippel sprach zwar von einem „Lichtblick“. Der „massive Importdruck“ durch Billigstahl aus China und die hohen Energiepreise seien die Hauptschmerzpunkte der Branche. Der Aktionsplan deute an, dass die EU das „begriffen“ habe.

Der Vorstandschef des Industriekonzerns Thyssenkrupp , Miguel López, blieb am Mittwoch in seiner Rede vor dem Wirtschaftsausschuss des NRW-Landtags aber zurückhaltend. „Wichtig ist, dass es nicht bei Ankündigungen bleibt, sondern der Plan zügig und entschlossen umgesetzt wird“, sagte er.

Thyssenkrupps Stahl-Tochtergesellschaft hingegen stufte den Aktionsplan in einer ersten Reaktion als „wegweisenden Schritt“ ein. „Besonders hervorzuheben ist die klare Priorisierung des Handelsschutzes, der entscheidend für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Stahlindustrie ist“, sagte ein Sprecher auf Anfrage der F.A.Z. Angesichts globaler Überkapazitäten und unfairer Handelspraktiken sei ein wirksamer Schutz unerlässlich, um Arbeitsplätze zu sichern und faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.

IG-Metall: Bei grünen Leitmärkten bleibt Plan hinter den Erwartungen

„Die Überschriften sind richtig, doch viel bleibt an der Oberfläche“, sagte indes Uwe Reinecke vom Mittelständler ESF Elbe Stahlwerke Feralpi im sächsischen Riesa. Der Plan sei „in der Tiefe noch sehr stark auszubauen“. Auch die IG Metall kritisierte, der Plan sei in vielen Punkten zu vage. Der zweite Vorsitzende der Gewerkschaft, Jürgen Kerner, ließ sich in einer Mitteilung damit zitieren, er begrüße „ausdrücklich“ die angekündigte Reform des Grenzausgleichmechanismus CBAM und die geplante Nachfolgeregelung für die Schutzmaßnahmen „Safeguards“.

Dagegen fehlen aus seiner Sicht „schnelle, konkrete Maßnahmen, die zu einem wettbewerbsfähigen Strompreis führen“ können. Auch bei den Themen Aufbau von grünen Leitmärkten und Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, „bleibt der Aktionsplan hinter unseren Erwartungen zurück“.