Putin macht Versprechungen, seine Armee feuert weiter

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Es waren gerade die ersten Details des Telefonats zwischen dem russischen und dem amerikanischen Präsidenten bekannt geworden, als in vielen Gebieten der Ukraine der Luftalarm aufheulte. Zwar hatte Wladimir Putin russischen Angaben zufolge Donald Trump zugesagt, 30 Tage lang die Angriffe auf ukrainische Energieanlagen einzustellen.

Dennoch schoss die russische Armee Kiew zufolge in der Nacht 145 Drohnen sowie mehrere Raketen auf das Nachbarland ab. Dabei seien auch wieder Energieanlagen getroffen worden, ergänzte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwochvormittag. „Das ist der Wert von Putins Versprechen“, sagte er vor Journalisten in der finnischen Hauptstadt Helsinki. Die Vereinigten Staaten müssten entsprechende Ankündigungen kontrollieren. „Putin hat Trump zum Narren gehalten, und das zeigen die Angriffe diese Nacht“, sagt der Abgeordnete Wolodymyr Arijew von der Oppositionspartei „Europäische Solidarität“ der F.A.Z. am Mittwoch. Der russische Diktator wolle einseitig nicht Teil des Friedensplans des US-Präsidenten sein.

Angekündigte Einigung ukrainischer Erfolg?

Das russische Verteidigungsministerium behauptete indes, auf Putins Befehl hin sieben eigene Drohnen abgeschossen zu haben, die Energieanlagen in der Südukraine zum Ziel hatten. Selenskyj hat noch am Mittwoch mit Trump telefoniert. Trump sprach von einem „sehr guten“ und Selenskyj von „sehr „sub­stantiellen und offenen Gespräch“. Der ukrainische Präsident bekräftigte die Bereitschaft der Ukraine für einen Waffenstillstand im Energiebereich.

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Tatsächlich hatte er dies vor den Gesprächen in Dschidda in der vergangenen Woche selbst vorgeschlagen. Entsprechend sieht der ukrainische Politologe Wolodymyr Fesenko nun einen Teilerfolg für die Ukraine. Was Trump und Putin besprochen hätten, spiegele teilweise die Verhandlungsposition der Ukraine wider, sagte er der F.A.Z. Auf Putins Forderungen sei das Weiße Haus hingegen nicht eingegangen. Generell bedeute die Vereinbarung aber, dass für die Ukraine „der komplexe und widersprüchliche Kampf um den Friedensprozess und die Idee eines Waffenstillstands weitergeht“.

Selenskyj stellte am Mittwoch auch klar, nicht zusehen zu wollen, wenn Russland weiter Energieanlagen angreife. In der Nacht hatte die Ukraine abermals ein Öllager im südrussischen Gebiet Krasnodar attackiert. Im Netz wurden Videos geteilt, die zeigen sollen, wie es in Flammen steht.

Produktionskapazität russischer Raffinerien gesunken

Die ukrainische Armee hat in den vergangenen Monaten ihre Angriffe auf russische Raffinerien, Treibstoff- und Munitionslager verstärkt. Der Analyst Sergey Vakulenko vom Carnegie Center schrieb im Sommer dazu, dass es einerseits darum gehe, zu zeigen, wozu die Ukraine imstande sei, und so die eigene Moral zu heben. Schließlich lägen manche Ziele mehr als 1500 Kilometer von der Grenze entfernt. Zudem rechne Kiew wohl mit langfristigen Kosten durch Reparaturen und Einnahmeverluste, die sich wiederum auf die militärischen Möglichkeiten Russlands auswirkten. Zudem gehe es darum, die russische Wirtschaft zu schwächen.

Damals waren die wirtschaftlichen Auswirkungen der ukrainischen Angriffe kaum messbar. Russland hat riesige Ressourcen, produziert zweieinhalbmal so viel Treibstoff, wie der heimische Markt verbraucht, und exportiert weiter Öl und Gas, vor allem an China und Indien. Das scheint sich mittlerweile geändert zu haben. Ukrainische Medien gehen davon aus, dass das russische Raffinerievolumen im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit 2012 gesunken sei.

Im Februar analysierte die Agentur Reuters, dass die Produktionskapazität russischer Raffinerien seit Jahresbeginn um zehn Prozent eingebrochen sei. Größere Anlagen wie in Rjasan, Wolgograd oder Astrachan hätten die Kraftstoffproduktion unterbrochen; es werde Wochen oder Monate dauern, bis sie vollständig wiederhergestellt sei.Reuters zufolge gingen die Ölexporte aus den russischen Häfen Primorsk, Ust-Luga und Noworossijsk im Januar um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück.

Russland hatte im Herbst 2022 damit begonnen, die ukrainische Energieinfrastruktur anzugreifen. Im November bezifferte die Kyiv School of Economics den Schaden im ukrainischen Energiesektor auf 14,6 Milliarden Dollar. Mehrere Wasser- und Wärmekraftwerke seien vollständig zerstört worden.

Nun haben die Ukrainer den dritten Kriegswinter fast hinter sich. Sie haben sich an die Stromabschaltungen gewöhnt, halten sich Generatoren und Powerbanks vorrätig, zünden Kerzen an, wenn das Licht ausbleibt, und greifen auf ihre Wasservorräte zurück, wenn die Pumpen in den Häusern ausfallen. Die ukrainischen Energieunternehmen und Netzbetreiber arbeiten rund um die Uhr daran, Schäden zu reparieren. Zudem helfen Stromimporte aus EU-Ländern – und noch immer versorgen drei Atomkraftwerke das Land mit Energie.