Der Automobilzulieferer ZF rutscht immer tiefer in die Krise. Nachdem das Traditionsunternehmen aus Friedrichshafen am Bodensee am Donnerstag einen Nettoverlust für das vergangene Jahr in Hohe von mehr als einer Milliarde Euro vermeldet hat, steigen die Netto-Gesamtschulden des Konzerns wieder über die Zehn-Milliarden-Euro-Marke auf nun 10,5 Milliarden Euro. Grund sind nach Angaben des Unternehmens vor allem die hohen Rückstellungen für Restrukturierungskosten in Höhe von 600 Millionen Euro.
ZF kämpft schon länger mit einem Bündel von Problemen: Die Transformation hin zur Elektromobilität macht dem Unternehmen zu schaffen, weil sein einstiges Kernprodukt Autogetriebe in Zukunft nicht mehr in dem Maße gefragt sein wird, wie das der Fall war. Dazu kommt nun der viel langsamere als geplante Hochlauf von elektrischen Autos, die die profitable Produktion von Komponenten für diese Fahrzeuge nun zusätzlich erschweren. Schließlich belasten hohe Schulden den Zulieferer, die aus den Übernahmen des Sensoranbieters TRW 2015 und des Bremsenherstellers Wabco 2019 resultieren.
Vor diesem Hintergrund hat ZF im vergangenen Sommer ein grundlegendes Restrukturierungsprogramm angekündigt, dessen Kosten die aktuellen Geschäftszahlen so sehr beeinträchtigen. Der bereinigte operative Gewinn (Ebit) sank um 36 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro, was bei einem Umsatzrückgang von elf Prozent einer operativen Umsatzrendite von 3,6 Prozent entspricht. Im Vorjahr lag diesen noch bei 5,1 Prozent. Unterm Strich hat ZF im Jahr 2024 einen Nettoverlust von 1,02 Milliarden Euro erwirtschaftet, im Vorjahr kam ZF noch auf einen kleinen Gewinn von 126 Millionen Euro.
„Klarer strategischer Maßnahmenplan“
„Das Jahr 2024 hat deutlich gemacht, unter welch enormem Druck unsere Branche und damit auch unser Unternehmen steht“, sagte der ZF-Vorstandsvorsitzende Dr. Holger Klein bei der Bilanzvorlage am Donnerstag in Friedrichshafen. „Wir begegnen diesen Herausforderungen mit einem klaren strategischen Maßnahmenplan. Dessen Ziel ist, ZF zu entschulden und zu einem agileren und profitableren Technologieführer zu entwickeln. Dieser Weg, den wir bereits vor zwei Jahren eingeschlagen haben, kostet uns viel Kraft. Wir werden ihn dennoch mutig und konsequent fortsetzen, denn wir sehen, dass sich erste Erfolge einstellen.“
Der Umsatzrückgang gründet sich zu einem Teil auf die Tatsache, dass ZF die Produktion von elektrischen Achsen in einem Gemeinschaftsunternehmen mit dem taiwanischen Elektronikkonzern Foxconn gegeben, weswegen seit April 2024 rund 2,6 Milliarden Euro an Umsatz nicht mehr in den ZF-Erlösen auftauchen. Bereinigt um M&A-Effekte und Wechselkurseinflüsse sind die Umsatzerlöse nach ZF-Angaben organisch um rund drei Prozent gesunken. „Die wirtschaftliche Entwicklung bleibt schwach, wir sehen geringere Volumina sowohl im Pkw- als auch zyklisch im Nutzfahrzeugsegment“, sagte Finanzvorstand Michael Frick.
Mit der Suche nach Partnern für weitere Geschäftsbereiche will ZF-Chef den Konzern stabilisieren. So hat Klein im vergangenen Sommer nicht nur bekannt gegeben, dass das Unternehmen bis zum Jahr 2028 die Zahl der Beschäftigten in Deutschland um 11.000 bis 14.000 reduziert und Werke und Produktionen zu Standortverbünden zusammenlegt, sondern ZF die Sparte für Elektromobilität ausgliedert, um Partner hereinzuholen. Hintergrund ist, dass das Unternehmen die Entwicklung von zukunftsträchtigen Produkten und deren Industrialisierung nicht mehr allein finanzieren kann. Auch für den Bereich Automatisierte Fahrsysteme sucht ZF externe Geldgeber, um das Geschäft für die Zukunft auszurichten. „Wir investieren weiter gezielt in Kernbereiche wie die Fahrwerk-, Nutzfahrzeug- und Industrietechnik sowie unser Aftermarket-Geschäft“, erläutert Klein. „In den Bereichen E-Mobilität sowie Elektronik und Fahrerassistenzsysteme streben wir Partnerschaften an, um diese Bereiche für die Zukunft zu stärken und Wachstumspotenziale freizusetzen.“
Spar-Programme für das Auto- und das Nutzfahrzeuggeschäft
Die Airbag-Sparte von ZF agiert seit Oktober unter dem Namen ZF Lifetec eigenständig und soll verkauft werden, um mit den Erlösen die Schulden zu drücken. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg interessiert sich der irische Autozulieferer Adient für die ZF-Sparte. Auch die Private-Equity-Unternehmen American Industrial Partners und FountainVest Partners könnten sich eine Übernahme von ZF Lifetex vorstellen, wie Bloomberg unter Verweis auf mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtet.
Zusätzlich zu diesen strategisch-strukturellen Veränderungen hat ZF bereits 2023 Spar-Programme für das Auto- und das Nutzfahrzeuggeschäft sowie das sogenannte Deutschland-Projekt gestartet, mit dem das Unternehme die Produktion in Deutschland wieder in die schwarzen Zahlen bringen will. „Wir können uns auch in Deutschland keine Werke erlauben, die Verluste schreiben“, sagt hatte Produktionsvorstand vor wenigen Wochen im Interview mit der F.A.Z. gesagt. Bei der Restrukturierung der deutschen Werke mit den angekündigten Stellenstreichungen liegen alle Möglichkeiten auf dem Tisch: von einfachen Effizienzmaßnahmen für die Werke über die Veränderung von Produkten bis hin zum Verkauf oder zu der Schließung von Fabriken.
„Uns ist bewusst, dass dies teils große Einschnitte für unsere Mitarbeiter bedeutet. Unser Ziel ist, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und notwendige Stellenreduzierungen so sozialverträglich wie möglich umzusetzen“, betonte Klein. Im vergangenen Jahr sei in Deutschland Personalkapazität im Umfang von rund 4.000 Stellen reduziert worden, überwiegend durch Altersteilzeit, Fluktuation, das Auslaufen befristeter Arbeitsverträge sowie das kollektive Senken der wöchentlichen Arbeitszeit. Ende vergangenen Jahres beschäftigte ZF weltweit 161.631 Menschen, das sind rund vier Prozent weniger als im Vorjahr. In Deutschland verringerte sich die Mitarbeiterzahl nominell ebenfalls um gut vier Prozent auf 52.027.
Der Ausblick auf das Geschäftsjahr 2025 bei ZF ist verhalten. Besonders für die Eurozone und Deutschland rechnet das Unternehmen abermals nur mit einem nur schwachen Wirtschaftswachstum; ebenso mit Fahrzeugmärkten, die noch unter den Werten des Vorjahres verharren könnten. „Zudem bleibt der Transformationsdruck hoch, ebenso die Unsicherheiten durch geopolitische und protektionistische Einflüsse. Die bereits eingeleitete Neustrukturierung wird ZF auch in diesem Jahr intensiv beschäftigen“, heißt es bei dem Zulieferer. Vor diesem Hintergrund rechnet ZF für das Jahr 2025 mit einem Konzernumsatz von mehr als 40 Milliarden Euro. Die bereinigte operative Umsatzrendite (Ebit) erwartet das Unternehmen zwischen drei bis vier Prozent.