Weltglücksbericht: Warum Finnland wieder auf Platz eins ist

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Stand: 20.03.2025 11:19 Uhr

“Caring and sharing” – das Motto des diesjährigen Weltglücksberichts. Er zeigt: Ein Fürsorgliches Miteinander beeinflusst die eigene Zufriedenheit. Gut darin ist man offenbar in Finnland.

Von Sofie Donges, ARD Stockholm, und Jan-Claudius Hanika, BR

Yu-Yi ist besonders glücklich. Die 31-jährige Finnin streichelt ihren kugelrunden Bauch, sie bekommt in zwei Wochen ihr erstes Baby. Damit die Familie entspannt ins neue Leben starten kann, hilft der Staat.

Er schickt jungen Eltern eine sogenannte Babybox nach Hause: einen riesigen, bunt bemalten Pappkarton mit der Erstausstattung. “Das ist ein Merinowolle-Anzug, den man drunter ziehen kann. Und Wollmützen sind auch dabei”, sagt sie. Fast 40 unterschiedliche Teile hat Yu-Yi geschenkt bekommen.

Ein teurer Merino-Wollanzug, ein Schneeanzug, Bodys, Hosen, Strampler und vieles mehr hat Yu-Yi Huynh vom finnischen Staat bekommen. Die Teile hat sie Autorin Sofie Donges, ARD Stockholm, gezeigt.

Ein Staat, der sich kümmert. Der Chancengleichheit für alle ab dem ersten Tag garantieren will. Das gibt Menschen Sicherheit und Zufriedenheit. Doch am Ende habe das persönliche Glück auch etwas mit der Gesellschaft an sich zu tun, mit jedem einzelnen, sagt John Helliwell, ein kanadischer Wirtschaftswissenschaftler, der am World Happiness Report mitgeschrieben hat.

Finnland ist glücklichstes Land der Welt

“Wenn Sie eine unbekannte Person auf der Straße für einen Freund halten, den sie noch nicht kennen, dann verhalten sie sich ganz anders, als wenn Sie dem Unbekannten gleich misstrauen”, so Helliwell. “Das Gefühl von Zusammengehörigkeit und der Bereitschaft, einander zu helfen – das ist aus historischen und anderen Gründen weit verbreitet in den nordischen Ländern. Menschen kümmern sich um andere.”

Zum achten Mal schon steht Finnland an Platz eins des World Happiness Reports – dicht gefolgt von den anderen nordischen Ländern. Auch wenn am finnischen Sozialstaat kräftig gespart wird, haben viele noch das Gefühl, in einem intakten System zu leben.

Generell sei in den skandinavischen Ländern der Wohlfahrtsstaat ausgeprägter und Einkommensunterschiede geringer, erklärt Daniel Gräber, der am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin unter anderem zum Thema Wohlbefinden forscht.

Der sogenannte Weltglücksbericht widmet sich in diesem Jahr dem Thema “caring and sharing”, also “Fürsorge und Teilen”. Darin zeigte sich weltweit das Phänomen: Andere Menschen sind netter als die meisten annehmen. Einen verlorenen Geldbeutel geben mehr als doppelt so viele Finder zurück, als ihre Mitmenschen vermuten.

147 Länder im Ranking
Ranking Länder
Rang 1

Finnland

Rang 2

Dänemark

Rang 3

Island

Rang 4

Schweden

Rang 5

Niederlande

Rang 22

Deutschland

Rang 145

Libanon

Rang 146

Sierra Leone

Rang 147

Afghanistan

Gemeinsamkeit als wichtiger Faktor

Das persönliche Glück wird unter anderem davon bestimmt, mit wem man Wohnung und Essen teilt. Hier zeigt der Glücksbericht: Wer allein wohnt, fühlt sich weniger wohl, als wenn er mit anderen zusammenlebt, zum Beispiel mit seiner Familie. Zu viele Mitbewohner dürfen es aber auch nicht sein, dann sinkt die Lebenszufriedenheit. Am höchsten war sie bei denen, die mit vier bis fünf Menschen zusammenlebten.

Auch gemeinsames Essen hat Einfluss auf das Wohlbefinden, so viel wie das Einkommen. In Ländern, in denen Menschen beim Mittag- und Abendessen traditionell beisammen sind, zum Beispiel in Lateinamerika, ist die Zufriedenheit höher als dort, wo Menschen öfter allein vor ihrem Teller sitzen.

Wohlbefinden beeinflusst auch Wahlentscheidungen

Die Zufriedenheit der Menschen bestimmt auch die Politik. Nach Ansicht der Autoren des World Happiness Reports ist geringe Zufriedenheit eine Ursache dafür, dass sich Gesellschaften polarisieren. Sie haben Daten aus den vergangenen Jahrzehnten über die Lebenszufriedenheit der Menschen gesammelt.

Diese verglichen sie mit deren Werten und wem sie bei Wahlen ihre Stimme gaben, erklärt Claudia Senik, Professorin an der Universität Sorbonne in Paris. “Die Kernerkenntnis dieser Forschung ist, dass das Sinken der Lebenszufriedenheit die Menschen zu den Extremen des politischen Spektrums treibt, zur äußersten Linken und zur äußersten Rechte”, sagt sie.

Aber dann komme noch das soziale Vertrauen ins Spiel. “Unter unzufriedenen Menschen tendieren diejenigen, die wenig Vertrauen haben, zur extremen Rechten des politischen Spektrums. Während diejenigen, die mehr vertrauen, eher dazu neigen, für die extreme Linke zu stimmen”, so Senik.

Zufriedenheit als Erklärung für die eigenen Werte

In individualistischen Gesellschaften ist die persönliche Lebenszufriedenheit wichtiger als früher. Sie steuert dann auch das politische Verhalten der Menschen, sagt Yann Algan, Professor an der Wirtschaftshochschule HEC Paris und ebenfalls Mit-Autor des World Happiness Reports.

“Wir haben festgestellt, dass Lebenszufriedenheit und soziales Vertrauen viele kulturelle und wirtschaftliche Werte erklären, wie Einstellungen gegenüber Einwanderung, Sexualität oder Einkommensungleichheit und Umverteilung – und wie sich dies auf das politische Verhalten auswirkt”, erklärt Algan. “Menschen denken vielleicht, dass Fürsorge und Teilen keine Rolle spielen, aber das ist nicht wahr. In einer Gesellschaft zu leben, in der die Menschen sich nicht kümmern, nicht teilen und einander nicht vertrauen, hat dramatische Konsequenzen für die Politik.”

Zufriedenheit in Deutschland

Die Unterschiede in der Lebenszufriedenheit sind auch eine Erklärung für die Unterschiede bei den Wahlergebnissen zwischen Ost und West hierzulande. Im aktuellen World Happiness Report liegt Deutschland auf Platz 22.

Die Bundesrepublik ist jedoch ein Sonderfall, sagt Forscher Graeber vom DIW. “Was Deutschland nochmal sehr kennzeichnet, sind innerdeutsche regionale Unterschiede. Also man sieht einmal ein Gefälle zwischen Ost und West: In Ostdeutschland ist in der Regel die Lebenszufriedenheit durchschnittlich niedriger als in westdeutschen Ländern”, erklärt Graeber. “Und dann sehen wir aber auch noch einen Unterschied zwischen den norddeutschen Bundesländern und den süddeutschen Bundesländern.

Auch Yu-Yi kennt das Leben in Deutschland. Während ihrer Ausbildung war die Finnin immer wieder im Ausland und lebte auch einige Zeit in Deutschland. Als es um die Familienplanung ging, war aber schnell klar: Das Kind soll ein Finne werden. “Mein Sohn soll die gleichen oder mehr Möglichkeiten haben als ich hatte”, sagt sie. Denn Finnland habe schon immer viel Wert auf Bildung für alle gelegt. “Ich bin froh, dass er in Finnland aufwächst.”

Der World Happiness Report

Der Weltglücksbericht wird alljährlich von einem interdisziplinären Forscherteam um das Wellbeing Research Centre der Universität Oxford zum Weltglückstag am 20. März veröffentlicht. Dieser internationale Tag wurde 2012 durch eine UN-Resolution beschlossen. Der Bericht liefert auf Basis subjektiver Einschätzungen Einblicke, wie es um die Zufriedenheit und die wahrgenommene Lebensqualität der Menschen in aller Welt bestellt ist. In die Auswertung fließen auch Kriterien wie Gesundheit, Lebenserwartung, Wirtschaftsleistung, soziale Beziehungen, Korruption, Spendenbereitschaft sowie Möglichkeiten zu einer freien Lebensgestaltung ein.