RWE kassiert seine Investitionsziele

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Die jahrelangen Jubelmeldungen des Essener Energieriesen RWE , die sich um Rekord­ausbau von Wind- und Solarparks, Energiespeichern oder Elek­tro­lyseuren drehten, sind merklich leiser geworden. Jetzt streicht der Konzern seine Investitionsziele konsequent zusammen und wird in den kommenden Jahren weniger Geld in die Hand nehmen als bislang vorgesehen. Für die Jahre 2025 bis 2030 sind nun noch 35 Milliarden Euro netto geplant, das bleibt zwar eine gewaltige Investitionssumme, aber es sind rund zehn Milliarden weniger als bislang gedacht. Das mittelfristige Ziel eines bereinigten Gewinns von vier Euro je Aktie im Jahr 2030 bleibt indes bestehen.

„Wir leben in unruhigen Zeiten“, sagte RWE-Chef Markus Krebber am Donnerstag vor Journalisten anlässlich der Bekanntgabe der Bilanzzahlen für das Jahr 2024. „Die weltpolitischen Spannungen sind mit Händen zu greifen. Die Situation ist sehr herausfordernd.“

Für die sorgenvollen Töne führt der Vorstandsvorsitzende des Energieriesen eine Reihe von Gründen an: „Weiter hohe Inflation und steigende Zinsen, Engpässe in den Lieferketten, geopolitische Spannungen, etwaige zusätzliche Zölle und mögliche Anpassungen in der energiepolitischen Ausrichtung in unseren Kernmärkten“ – all das seien „Risikofaktoren“. Sie führten dazu, dass man die Renditeanforderung für neue Projekte angehoben habe. Bislang sind es durchschnittlich acht Prozent, nun sollen es „mehr als 8,5 Prozent“ sein. RWEs „milliardenschwere Investitionen“ seien auf Jahrzehnte ausgelegt und bräuchten daher einen stabilen und verlässlichen Rahmen. „Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir angesichts größerer Unsicherheiten vorsichtiger agieren.“

Aktienrückkäufe bleiben möglich

Was mit den „Unsicherheiten“ gemeint sein könnte: im für RWE wichtigen Markt USA zum Beispiel der Kurs der Trump-Regierung. Dort macht sich der Konzern Gedanken über die Zukunft und Genehmigung von Windenergieprojekten, die für Klimawandelleugner Donald Trump keine Priorität mehr haben, Stichwort: „Drill, baby, drill“ (in etwa: „Bohrt, was das Zeug hält“). Das ist ein beliebter Spruch des republikanischen US-Präsidenten, der heißen soll, dass Amerikas Ölunternehmen vor allem heimisches Öl fördern sollen und dass er generell am liebsten auf fossile Brennstoffe denn auf erneuerbare Energien setzt.

Deshalb hatte RWE im vergangenen Herbst schon einmal Investitionsziele kassiert. Konkret ging es dabei um Genehmigungssorgen im Zusammenhang mit einem geplanten Windpark vor der Küste bei New York. Die eingesparten Mittel fließen nun in ein Aktienrückkaufprogramm über bis zu 1,5 Milliarden Euro, das im zweiten Quartal 2026 abgeschlossen werden soll, sagt das Unternehmen. Am Markt hieß es im Herbst, Investoren hätten Druck gemacht, ein solches Programm aufzulegen, um den Aktienkurs zu verbessern. Am Donnerstag schloss Krebber weitere Aktienrückkäufe nicht aus. Sie blieben „auch in Zukunft Teil unserer möglichen Kapitalallokationsentscheidungen“, sagte er.

Kraftwerksstrategie der neuen Regierung muss laut Krebber schnell kommen

Nicht nur der amerikanische Markt macht Sorgen. Im Heimatmarkt Deutschland bereitet Krebber zum Beispiel die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung Kopfzerbrechen. Sie liegt seit dem Bruch der Ampelkoalition auf Eis. Dabei geht es um die Ausschreibung neuer, wasserstofffähiger Gaskraftwerke zur Versorgungssicherheit und die Schaffung eines Kapazitätsmarkts, in dem schon das bloße Vorhalten von Kraftwerkskapazität bezahlt wird, und nicht nur der erzeugte Strom.

RWE möchte an all dem gern partizipieren. Zwar wollen Union und SPD bis 2030 bis zu 20.000 Megawatt Gaskraftwerksleistung im Rahmen einer neuen Kraftwerksstrategie anreizen – unter der alten Regierung war es nur halb so viel. Krebber nannte diese neue Strategie „pragmatischer“, machte aber auch klar: Für RWE dränge die Zeit, denn Kraftwerksbau sei aufwendig und langwierig.

Krebber fordert daher eine Genehmigung der Strategie innerhalb von drei Monaten. Wenn die Ausschreibungen Ende diesen oder Anfang kommenden Jahres stattfänden, dann sei ein Bau bis Ende des Jahrzehnts „immer noch möglich“, sagte er. RWE habe die entsprechende Projektentwicklung weitergetrieben: „Wir wissen, dass die Kapazität gebraucht wird.“ Verzögert sich aber alles weiter, könnte das den eigentlich vereinbarten Kohleausstieg bis 2030 gefährden. Was dann passiere, sei eine Frage, die der Bundesregierung zu stellen sei, sagte Krebber.

Eine Art Essener Lobby-Allianz mit Eon

Dass der Konzern unter Druck steht, zeigt sich auch daran, dass sich kürzlich Krebber und der Chef des Netzriesen Eon, Leonhard Birnbaum in einer Art Lobby-Allianz zusammengetan haben. In einem Interview mit der F.A.S. und ei­nem gemeinsam veröffentlichten Papier forderten sie eine kostengünstigere Energiewende in Deutschland. Krebber bekräftigte viele dieser Forderungen am Donnerstag. Die deutsche Energiepolitik brauche einen „Neustart“.

Großes Kostensenkungspotential stecke darin, dass der Stromverbrauch hierzulande in den kommenden Jahren voraussichtlich weniger stark steigen werde als bislang angenommen. Windräder und Stromnetze könnten daher langsamer und gezielter ausgebaut werden, auch das Wasserstoffkernnetz müsse erst einmal nicht in jeden Winkel Deutschlands reichen. Krebber mahnte auch „Vertrauen in Marktinstrumente“ wie den Emissionshandel an: „Jede Doppelregulierung macht die Energiewende teuer.“

Gewinnrückgang, aber „robust aufgestellt“

Zu den sorgenvollen Tönen passt, dass RWE 2024 einen deutlichen Gewinnrückgang vermelden musste. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen sank im vergangenen Jahr um mehr als ein Viertel auf rund 5,7 Milliarden Euro. Der bereinigte Nettogewinn ging im Vergleich zum Aus­nahmejahr 2023 um mehr als 43 Prozent zurück und betrug rund 2,3 Milliarden Euro. Allerdings war am Markt sogar noch Schlimmeres befürchtet worden, im alltäglichen Geschäft lief es für RWE zuletzt relativ gut. Trotz aller Sorgen sieht Krebber seinen Konzern daher „robust aufgestellt und auf gutem Kurs“. 2024 habe RWE 10 Milliarden Euro in erneu­erbare Energieanlagen investiert. Mit knapp 50 Terawattstunden habe die Stromproduktion aus Erneuerbaren ein neues Allzeithoch erreicht.

Die Ergebnisziele für das laufende Jahr hat der Konzern trotzdem eher konser­vativ gesetzt. Er prognostiziert, dass der bereinigte operative Gewinn weiter auf 4,55 bis 5,15 Milliarden Euro sinken wird. Krebber glaubt, dass sich mit im Voraus verkauftem Strom, dem kurzfristigen Einsatz von Kraftwerken und auch im Energiehandel künftig weniger Marge er­zielen lasse.

Am Aktienmarkt kamen die Nachrichten insgesamt schlecht an. Die im Dax geführte RWE-Aktie verlor am Donnerstag zwischenzeitlich rund vier Prozent auf weniger als 32 Euro. Die Investoren können allerdings mit dem schon an­ge­kün­digten Dividendenvorschlag von 1,10 Eu­ro je Aktie rechnen, das sind 10 Cent mehr als ein Jahr zuvor. Für 2025 plant RWE eine Dividende von 1,20 Euro.