Die deutschen Energiepreise sind auch deshalb so hoch, weil Erzeugung und Verteilung in der Energiewende immer aufwendiger werden. Einer neuen Studie zufolge haben sich die Kosten für das Stromsystem seit 2010 um 70 Prozent erhöht. Inzwischen seien die Gaspreise fünfmal höher und die Strompreise zweieinhalbmal höher als in Regionen, mit denen die Bundesrepublik im Wettbewerb stehe, teilte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) am Donnerstag mit. Wenn die künftigen Bundesregierungen die Energiewende effizienter ausgestalteten als bisher, ließen sich bis zum Jahr 2035 mehr als 300 Milliarden Euro einsparen.
Die BDI-Empfehlungen haben Bedeutung, weil Union und SPD derzeit Koalitionsverhandlungen vorbereiten. In der Energie- und Klimapolitik wollen sie am gesetzlichen Ziel der Klimaneutralität 2045 festhalten. Damit die Transformation Privathaushalte und Unternehmen nicht überfordert, und damit die Akzeptanz nicht schwindet, wollen Schwarz-Rot die Verbraucher über Stromsteuersenkungen und Investitionszuschüsse zum Netzausbau entlasten. Dadurch soll der Strompreis um fünf Cent je Kilowattstunde sinken, die Netzentgelte will man halbieren.
Netzausbau auf tatsächliche Nachfrage anpassen
Die Einschätzung des BDI stützt sich auf die beim Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG) in Auftrag gegebene Studie „Energiewende auf Kurs bringen“. Ihr zufolge drohen die Energiekosten weiter aus dem Ruder zu laufen, etwa durch steigende CO2-Preise, wenn Deutschland nicht gegensteuert. Auch der Verband bekennt sich zur Energiewende, zur beschleunigten Elektrifizierung, zum Ausbau erneuerbarer Energie und zur Wasserstofferzeugung.
Die Transformation müsse aber kosteneffizienter erfolgen, forderte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. Jens Burchardt von BCG rechnete vor, die Energiewende könnte in zehn Jahren um 20 Prozent günstiger werden – bei sinkenden Emissionen.
Dazu schlägt die Analyse 20 „Hebel“ vor. So müsse der Ausbau von Erzeugung und Netzen auf die tatsächliche Nachfrage angepasst werden. Diese dürfte beim Strom im Jahr 2030 um 100 Terawattstunden unterhalb der Planungen liegen.
Auch gelte es, teure Erdkabel zu vermeiden und Unternehmen, die konstant Gas nachfragten, von der Finanzierung saisonaler Speicher zu befreien. Die Analyse spricht sich für mehr heimische Gasförderung aus und dafür, nicht nur auf „grünen“ Wasserstoff zu setzen. So müssten auch die CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) möglich sein.