Warum Fliegen in Deutschland teuer ist

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Fliegen ist in Deutschland deutlich teurer als in vielen anderen Ländern in Europa – und die Erholung des Flugverkehrs hin zum Vor-Corona-Niveau gerät zäher als im Rest der EU. Grund dafür sind laut eines Gutachtens des Instituts für Luftverkehr im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das das Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegeben hatte, die hohen Kosten rund um Abflüge in Deutschland, die über die Corona-Jahre auch noch überproportional gestiegen sind. Seit 2019 haben sie sich laut DLR-Zahlen um 38 Prozent erhöht, während im Rest Europas die Kosten lediglich um 26 Prozent gestiegen sind.

Das Bundesverkehrsministerium nahm dieses Ergebnis zum Anlass, der künftigen Regierung eine Senkung der Standortkosten ans Herz zu legen. „Wir wollen Luftverkehr, wir brauchen Luftverkehr, und wir können nicht akzeptieren, dass wir in Europa Schlusslicht sind“, sagte der zuständige Staatssekretär, Stefan Schnorr, am Donnerstag in Berlin mit Blick auf die Passagierentwicklung. 2024 hatten knapp 212 Millionen Passagiere deutsche Flughäfen genutzt, was 85 Prozent des Vor-Corona-Niveaus entspricht, im Rest Europas erreichte das Flugangebot insgesamt Werte von 2019.

Ein wesentlicher Faktor dafür sei die Luftverkehrssteuer, die reformiert oder abgeschafft werden sollte, sagte DLR-Studienleiter Sven Maertens. Denkbar sei auch ein anderes Design der Steuer. So könnten Business-Class-Kunden stärker zur Kasse gebeten werden, weil sie mehr Platz im Flugzeug einnähmen. Das französische Pendant zur deutschen Steuer ist so gestaltet. Das Verkehrsministerium dringt in diesem Zusammenhang darauf, die nationale Steuer durch eine europä­ische Abgabe zu ersetzen.

„Standort Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig“

Die Luftfahrtbranche veröffentlichte am Donnerstag ihrerseits einen Appell an die nächste Regierung. Sie fordert nicht weniger als eine Halbierung der staatlichen Abgabenlast aus Luftverkehrsteuer sowie Gebühren für die Sicherheitskontrollen und Lotsendienste der staatlichen Deutschen Flugsicherung. Eine Abschaffung der Ticketsteuer würde dem im Volumen in etwa entsprechen. Der Luftfahrtverband BDL hatte für den Appell diverse Lobbyorganisationen aus dem Tourismus und der Geschäftsreisewelt, den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie die Gewerkschaften Verdi und IG Metall als Mitunterzeichner gewonnen.

Der Luftverkehrsstandort Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig“, sagte Jens Bischof, der Präsident des Luftfahrtverbands BDL. „Die Politik muss jetzt handeln, um Arbeitsplätze und die internationale Anbindung Deutschlands zu sichern.“ Der BDL hatte jüngst argumentiert, die staatlichen Kosten rund um Abflüge hierzulande hätten sich gegenüber 2019 gar verdoppelt.

So müsse eine Airline für den Start eines A320 mit 150 Passagieren ab Düsseldorf 4639 Euro an den Staat zahlen, 2019 seien es 2227 Euro gewesen. Der Unterschied in den Steigerungsraten gegenüber dem DLR-Gutachten erklärt sich zum Teil damit, dass der BDL die Flughafenentgelte, die bei den Airportbetreibern verbleiben, nicht in seine Beispielrechnungen einbezogen hatte. Diese Entgelte waren zuletzt schwächer gestiegen als die Abgaben, die an den Staat fließen.

Für die Luftverkehrssteuer hatte es im Frühjahr 2024 einen größeren Aufschlag gegeben. Die Abgaben für Sicherheitskontrollen, die nach dem tatsächlichen Aufwand bemessen werden, waren zum Jahreswechsel teils sprunghaft gestiegen, weil die Gebühren seitdem nicht mehr gesetzlich auf 10 Euro je Passagier, sondern nun auf 15 Euro gedeckelt sind. An einigen Airports stieg die je kontrolliertem Passagier zu entrichtende Abgabe in der Folge um 50 Prozent. Die Höhe der Abgaben für die Lotsen wird seit längerem beklagt, weil sich Deutschland – anders als andere EU-Staaten dafür entschieden hatte, die Verluste der staatseigenen Deutschen Flugsicherung aus den Corona-Jahren nicht zu übernehmen, sondern über Aufschläge auf die aktuellen Gebühren wieder hereinzuholen.

Gutachten sieht diverse Ursachen für schwächere Entwicklung

Einig sind sich Vertreter der Luftfahrtbranche und das DLR-Gutachten darin, dass hohe Abgaben als Bremse für die Luftfahrt wirken. Ralf Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV, sagte: „Die Analyse des Gutachtens ist eindeutig. Die Wettbewerbssituation der deutschen Flughäfen wird insbesondere durch die ausufernden Steuern und Gebühren belastet.“ Laut der Studie im Auftrag des Verkehrsministeriums würde ein Aus der Ticketsteuer aber bloß zu 2,5 Millionen bis 5 Millionen mehr Passagieren führen. Den Fiskus würde das rund zwei Milliarden Euro kosten.

Das allein könnte das Pro­blem aber nicht lösen, sagte Staatssekretär Schnorr. Auf Strecken zu innereuropä­ischen Zielen seien nämlich gegenüber dem Vor-Pandemie-Niveau zwanzig Millionen Passagiere verloren gegangen. Der Wettbewerb mit der Bahn vor allem auf Inlandsstrecken, ein „Flugscham“-Gefühl in Teilen der Bevölkerung sowie Spardruck von Unternehmen bei Geschäftsreisen hätten ebenso zur Verkehrsentwicklung beigetragen.

Die Luftfahrt setzt mit ihrer Forderung nach weniger Belastungen auch auf das künftige Infrastruktursondervermögen. Die Argumentation dazu: Der Schutz kritischer Infrastruktur vor terroristischen Bedrohungen sei Kernaufgabe des Staates. Die zuletzt gestiegenen Kosten für Sicherheitskontrollen sollten daher nicht mehr über eine im Ticketpreis enthaltene Gebühr allein auf Passagiere umgelegt werden, sondern zwischen Staat und Luftfahrt geteilt werden. Dem Vernehmen nach wünscht man auch Beistand, wenn Flughafenzäune umgebaut werden, die mehrfach von Klimaaktivisten überwunden wurden.