Hype Quantencomputer: Revolution oder unrealistische Versprechen?

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Sie sollen Wundermaschinen sein: Dank Quantencomputern könnte die Menschheit gegen Pandemien und die Klimakrise besser gewappnet sein. Aber ihren heutigen Nutzen zu übertreiben, könnte sich rächen.

Mit seinem neuesten Quantenprozessor namens Advantage 2 behauptet D-Wave, die sogenannte Quantenüberlegenheit bewiesen zu haben.

Mit seinem neuesten Quantenprozessor namens Advantage 2 behauptet D-Wave, die sogenannte Quantenüberlegenheit bewiesen zu haben.

PD

Quantencomputer nutzen die Eigenheiten der Quantenphysik aus, um gewisse Berechnungen effizienter durchzuführen, als es bisher möglich war. Statt wie bis anhin mit Nullen und Einsen rechnen sie mit den unendlich vielen Quantenzuständen von sogenannten Quantenbits. Sie sind der grösste Wurf der Computertechnik seit der Erfindung des Transistors vor 80 Jahren.

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Aber die wissenschaftlichen, technologischen und letztlich wirtschaftlichen Fortschritte, die man sich von den neuartigen Rechnern verspricht, sind mit den heutigen Modellen noch nicht machbar. Die Technologie ist noch zu unreif, um praktischen Nutzen abzuwerfen. Trotzdem lassen sich die Hersteller immer wieder zu unrealistischen Behauptungen hinreissen.

Letzte Woche kündigte die kanadische Firma D-Wave einen grossen Durchbruch an: Forscher hätten mit einem hauseigenen Quantencomputer ein magnetisches Material genauer simuliert, als es selbst mit den weltbesten Supercomputern möglich wäre. Damit sei die Überlegenheit von Quantencomputern gegenüber herkömmlichen Rechnern endgültig bewiesen.

Die triumphale Ankündigung wurde jedoch sofort von zwei Forschergruppen infrage gestellt. Diese zeigten, dass es doch bessere Rechenverfahren gibt, mit denen das gleiche Problem effizienter auf herkömmlichen Computern gelöst werden kann als von D-Wave angenommen.

Mehrere Experten kritisierten D-Wave dafür, den praktischen Nutzen heutiger Quantencomputer zu übertreiben. Und es ist auch nicht das erste Mal: Die 1999 gegründete Firma ist immer wieder mit überrissenen Marketingversprechen aufgefallen. Auch andere Entwickler der Technologie wie Google und IBM haben in den letzten Jahren den gleichen Fehler gemacht.

Wissenschaftlich unhaltbare Behauptungen

Statt Quantenüberlegenheit beweisen die grossspurigen Meldungen der Hersteller von Quantencomputern nur die eigene Selbstüberschätzung. Man könnte das Phänomen auch als Quanten-Überheblichkeit karikieren. Das Problem ist jedoch ernst. Mehr Bescheidenheit würde der Branche guttun.

Denn mit ihrer Vorgehensweise machen sich die Firmen einerseits aus wissenschaftlicher Sicht unglaubwürdig. Ein wasserdichter Beweis der ohnehin kontroversen Quantenüberlegenheit besteht nämlich aus zwei Teilen: Erstens muss gezeigt werden, dass ein Quantencomputer die Berechnung tatsächlich deutlich beschleunigt. Und zweitens muss ausgeschlossen werden, dass es jemals ein klassisches Rechenverfahren geben wird, das das gleiche Problem mindestens genauso schnell löst.

Letzteres lassen diejenigen, die die Quantenüberlegenheit ausrufen, aber immer aus – wohl deshalb, weil eine solche Behauptung selten bewiesen werden kann. Dass Quantencomputer einen theoretisch uneinholbaren Vorsprung bieten können, ist bisher nämlich nur für ein paar wenige praxisrelevante Probleme bewiesen. Und selbst dann ginge das nur, wenn der Quantencomputer fehlerfrei funktioniert – eine Voraussetzung, die heutige Quantencomputer nicht erfüllen.

Kurzfristige Gewinne können sich ins Gegenteil umkehren

Mit den unhaltbaren Erfolgsmeldungen setzen die Hersteller von Quantencomputern andererseits auf die falsche Kommunikationsstrategie. In ihrem Eifer zu zeigen, dass ihre Geräte heute schon nützlich seien, drohen sie das Vertrauen von Geldgebern und jungen Talenten zu verspielen. Diese brauchen sie jedoch, damit Quantencomputer von ihrem gegenwärtigen Status als teure Forschungsgeräte zu wirklich gewinnbringender Technologie avancieren.

In diesem Fall hat der Markt zunächst positiv reagiert: Die D-Wave-Aktie hat seit der Meldung der Quantenüberlegenheit kräftig zugelegt. Damit hat die Firma kurzfristig wohl ihr Ziel erreicht. D-Wave war zuletzt mehrmals davon bedroht, wegen des zu niedrigen Aktienkurses von der New-York-Börse gestrichen zu werden. Ob das Vertrauen in die Firma auch langfristig anhält, wird sich noch zeigen müssen.