“Frage des Überlebens” für Menschheit

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UN warnt vor Folgen des Gletscherschwunds

“Es ist eine Frage des Überlebens”


Aktualisiert am 21.03.2025 – 07:37 UhrLesedauer: 5 Min.

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Die Gletscher schwinden wegen der Klimaerwärmung rasant (Archivbild) (Quelle: Matthias Schrader/AP/dpa-bilder)

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Die Eisschmelze hat weltweit teils verheerende Auswirkungen. Die Vereinten Nationen werfen 2025 ein Schlaglicht auf die Misere.

Die weltweite Gletschermasse ist laut einer aktuellen Mitteilung der UN im dritten Jahr in Folge zurückgegangen. “Das hydrologische Jahr 2024 war das dritte Jahr in Folge, in dem alle 19 Gletscherregionen an Nettomasse verloren haben”, erklärte die Weltwetterorganisation (WMO) am Freitag.

Zusammen mit den Eisschilden der Antarktis und Grönlands halten Gletscher 70 Prozent der lebenswichtigen globalen Süßwasserressourcen, so die WMO. “Der Erhalt der Gletscher ist damit nicht nur eine Frage der Umwelt, Wirtschaft und gesellschaftlichen Notwendigkeit: Es ist eine Frage des Überlebens”, erklärte WMO-Chefin Celeste Saulo.

Die 19 Gletscherregionen der Welt haben im vergangenen Jahr 450 Milliarden Tonnen an Eismasse verloren, wie die WMO weiter unter Berufung auf Daten des Schweizer Gletscherbeobachtungsdienstes (WGMS) mitteilte. 2024 war damit das viertschlimmste Jahr für die Gletscherschmelze seit Beginn der Aufzeichnungen. Das bisher verheerendste Jahr war 2023. In fünf der vergangenen sechs Jahre sei zudem ein Rekordverlust an Gletschermasse gemessen worden, teilte die WMO weiter mit.

2024 schmolzen demnach vor allem die Gletscher in Skandinavien und Nordasien, diese Regionen erlebten im vergangenen Jahr einen Rekordverlust an Eismasse. Gegenden wie die kanadische Arktik und die Region um Grönland seien weniger betroffen gewesen. Dennoch: Sollte das Eis weiter im aktuellen Tempo schmelzen, würden viele Gletscher in Kanada, den USA, Skandinavien oder Neuseeland das 21. Jahrhundert nicht überleben.

Seit dem Beginn der Aufzeichnungen 1975 haben die Gletscher laut WGMS in den meisten Weltregionen mehr als 9.000 Milliarden Tonnen Eis verloren. “Das entspricht einem 25 Meter dicken Eisblock in der Größe von Deutschland”, sagte WGMS-Direktor Michael Zemp. Die Schmelze seit dem Jahr 2000 habe den Meeresspiegel um 18 Millimeter erhöht, berichtete die WMO. “Jeder Millimeter bedeutet, dass 200.000 bis 300.000 Menschen mehr dem Risiko von Überflutungen ausgesetzt sind”, so Zemp.

Hauptursache ist der menschengemachte Ausstoß von Treibhausgasen, die das Klima erwärmen. Um die Menschheit wachzurütteln, haben die Vereinten Nationen den 21. März neu zum Welttag der Gletscher erklärt. Die Folgen der Gletscherschmelze können verheerend sein.

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Es fällt wegen der Klimakrise weniger Schnee in den Bergen und das, was fällt, schmilzt schneller (Archivbild) (Quelle: Marcel Bieri/KEYSTONE/dpa/dpa-bilder)

Gletscherschmelzwasser ist ein entscheidender Bestandteil zur Versorgung der Weltbevölkerung mit Trinkwasser. Sie als Trinkwasserquellen zu erhalten, sei eine Frage des Überlebens für die Menschheit, warnt Gletscherforscher John Pomeroy von der kanadischen Universität Saskatchewan.

Gletscher sind Reservoire, Schmelzwasser nährt etwa in heißen Jahreszeiten Flüsse, die auch zur Bewässerung von Landwirtschaft genutzt werden. Zunächst wächst die Wassermenge durch die schmelzenden Gletscher, aber in Europa könnte der Höhepunkt schon überschritten sein, sagt Gletscherexperte Daniel Farinotti, Professor an der Universität ETH in Zürich und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).

“Die 273 Milliarden Tonnen Eis, die in einem einzigen Jahr (durch Gletscherschmelze) verloren gehen, entsprechen dem Wasserverbrauch der gesamten Weltbevölkerung während 30 Jahren, wenn man von drei Litern pro Person und Tag ausgeht”, zitiert die Universität Zürich den Glaziologen Zemp.

Am Eingang des Genfersees in der Schweiz macht Wasser des Rhone-Gletschers über das Jahr gerechnet etwa 15 Prozent aus, sagt Farinotti. In Europa stammt ein Großteil des Trinkwassers aus Grundwasser, das vor allem aus Niederschlägen gespeist wird. Welche Rolle Schnee- und Eisschmelze genau für das Grundwasser spielen, wird noch erforscht.

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Gletscherwasser nährt Seen und Flüsse – wenn es weniger wird, schrumpft die Trinkwassermenge für die Menschheit (Symbolbild) (Quelle: Felix Kästle/dpa/dpa-bilder)