Überflutete Sie nicht auch eine Welle des Mitgefühls, als Sie am Dienstag Olaf Scholz im Bundestag sahen? Sie wissen schon, das war der Tag, den alle historisch nannten, weil sich an ihm die Regierung Merz noch vor Amtsantritt einen Kredit genehmigte, von dem der scheidende Kanzler nur träumen konnte. Mit diesen Milliarden wäre doch auch Scholz der King of Kotelett gewesen! Er hätte zum Beispiel beim ewigen Streit um die Knete im Koalitionsausschuss Kir Royal servieren lassen und wie der Fabrikant Haffenloher zu Baby Schimmerlos alias Christian Lindner sagen können: „Ich scheiß dich so was von zu mit meinem Geld!“
Doch der Traum ist wie die Koalition geplatzt, und daher saß Scholz am historischen Dienstag, während ringsherum im Hohen Haus die Emotionen aufloderten, still auf seinem Stuhl und blickte verloren in den Saal. Wir wären nicht überrascht gewesen, wenn die Bundestagspräsidentin die Sitzung für die Durchsage unterbrochen hätte: Der kleine Olaf wartet auf der Regierungsbank darauf, dass ihn seine Eltern endlich abholen.
Selbst Esken hat Mitleid mit Scholz
Selbst Saskia Esken, die der Kanzler einmal stehen ließ wie einen alten Regenschirm im Ständer, hat nun Mitleid mit ihm. Sie nannte es eine „große, große Ungerechtigkeit der Geschichte“, dass Merz Scholz beerben dürfe – und das nur, weil Lindner die Ampel zerstört habe. Das sei „schon sehr ungerecht und bitter“.
Es ist den Sozis immer noch nur ein schwacher Trost, dass Lindner nicht nur die Ampel, sondern auch die FDP und sich selbst auf den Schrotthaufen der Geschichte beförderte. Andererseits darf die SPD aber weiter mitregieren, ohne sich um die schwierigen Zeitgenossen kümmern zu müssen. Trump und Putin sind natürlich Chefsache. Zum Antrittsbesuch in Washington sollte Merz einen großen Eimer Schleim mitnehmen; der NATO-Generalsekretär Rutte hat da ja neue Maßstäbe gesetzt.
Wenigstens der Kotau vor Trump bleibt Scholz erspart. Und bestimmt wird sich auch für ihn noch ein Abklingbecken finden lassen, das so angenehm temperiert ist wie Baerbocks künftiger Job in New York. Den hätte natürlich auch Scholz selbst übernehmen können. Aber dann wäre ja der Teufel los gewesen!
Denn für den UN-Posten war schon eine Topdiplomatin auserkoren. Der hätte ein Mann nicht den Job stehlen können, ohne in einem Shitstorm historischen Ausmaßes unterzugehen. So aber muss nur eine verdiente Frau einer ganz besonders verdienten weichen, die nach drei harten Jahren im Auswärtigen Amt eine angemessene Übergangsversorgung braucht. Selbst bei den Feministinnen gilt eben die enorm maskuline Schafkopfregel: Ober sticht Unter.
Schuld an allem ist wer? Natürlich Lindner!
Und letztlich schuld daran, dass nicht die erfahrene Spitzendiplomatin Schmid zum Einsatz kommt, sondern ein „Auslaufmodell“ (so Christoph Heusgen, der selbst auch gerade ausläuft), ist ja keine Frau, sondern ein Mann. Sie wissen schon: Lindner.
Selbst wenn Scholz nicht auf Anhieb Präsident von irgendetwas wird, muss er aber nicht auf alle Annehmlichkeiten verzichten, die mit seinem Amt verbunden waren. Schröder hatte sie einmal „communication and transportation“ genannt. (Trump hat auch noch einen Knopf, mit dem er eine Cola bestellen kann.) Gut, die Flugbereitschaft und das Rote Telefon stehen einem Ex-Kanzler nicht mehr jederzeit zur Verfügung, aber ein Büro mit Mitarbeitern und ein Auto mit Fahrer schon, solange man nicht noch einen Nebenjob als Putins Lakai hat.
Vielleicht leiden Kanzler aber auch gar nicht so sehr unter dem Macht- und Bedeutungsverlust, wie man als Normalsterblicher denkt. Auf die Frage, was sie aus ihrer Amtszeit am meisten vermisse, nannte Merkel nicht etwa die Gipfeltreffen, auf denen Weltgeschichte geschrieben wurde, oder die historischen Abendessen mit Obama. Nein, am meisten fehlen ihr – Achtung, Herr Professor Sauer! – die täglichen Blumen und „das gute Mittagessen der Kanzlerküche“. Seit wir das lasen, verstehen wir noch besser, warum Scholz am Dienstag so traurig schaute.