Russlands Schattenflotte: Zoll beschlagnahmt Tanker

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Es ist ein sehr robuster Schritt, dem offenbar in Berlin ein längeres Ringen vorausgegangen war: Erstmals setzt die Bundesrepublik mit der Eventin ein Schiff der russischen Schattenflotte wegen möglicher Sanktionsverstöße fest. Der Zoll beschlagnahmte das Schiff Ende vergangener Woche. Damit könnten auch die fast 100.000 Tonnen Rohöl an Bord an Deutschland übergehen. Die Zeitschrift „Spiegel“ hatte als erste über den Vorgang berichtet. Demnach soll das ungewöhnlich robuste Vorgehen aus Sicht des Kanzleramts und des Außenministeriums ein Zeichen an Russland sein, dass Deutschland dem Transit von russischem Öl durch die Ostsee nicht tatenlos zusieht. Aus Berlin hieß es dazu gegenüber der F.A.Z., es handele sich nicht um ein deutsches, sondern ein europäisches Zeichen. Verwiesen wurde auf bereits zuvor erfolgte verstärkte Aktivitäten Finnlands und Schwedens gegen die russische Schattenflotte.

Allerdings geht das Vorgehen gegen die Eventin deutlich über die genannten Beispiele hinaus. Finnland hatte im Dezember die Eagle S festgesetzt wegen des Verdachts auf Sabotage von Unterwasserkabeln. Doch wurde dem Schiff, das ebenfalls zur Schattenflotte gezählt wird, die Weiterfahrt nun wieder erlaubt. Zudem hatte es sich freiwillig in finnische Hoheitsgewässer begeben. Die Eventin aber trieb wegen eines Blackouts in deutsche Gewässer. Der 270 Meter lange Tanker unter der Flagge Panamas war im Januar auf dem Weg vom russischen Ust-Luga nach Ägypten havariert. Notschlepper unter Leitung des Havariekommandos brachten ihn vor Sassnitz auf Rügen.

Das Vorgehen ist nicht unumstritten

Kurz nach dem Abschleppen lief dann die Hauptmaschine der Eventin wieder, das Schiff bat um Ausfahrerlaubnis. Doch die Dienststelle Schiffssicherheit hatte ein Weiterfahrverbot angeordnet. Geprüft wurden Unterlagen des Schiffes sowie dessen Verkehrstauglichkeit. Wäre diese negativ beschieden worden, hätte das eine Möglichkeit eröffnet, das Schiff längerfristig festzusetzen. Der Prüfbericht zu dem Vorgang liegt nun vor. Nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums wurde das schiffssicherheitsrechtliche Weiterfahrverbot aufgehoben. Offenbar ist der Zustand des Schiffs besser als angenommen. Es handele sich keineswegs um einen Schrotttanker, heißt es nun dazu. Warum genau er havarierte, ist unklar.

Parallel lief seit Mitte Januar eine zollrechtliche Überprüfung. Diese ergab nun offenbar, dass die Eventin mit ihrem Eintreiben in die Ausschließliche Wirtschaftszone der Bundesrepublik gegen Sanktionsrecht verstoßen hat – ein europaweit bisher einmaliger Vorgang, dem dem Vernehmen nach ein längeres Ringen zwischen den zuständigen Behörden vorausgegangen war. Das Vorgehen ist nicht unumstritten. Immerhin lief das Schiff ja nicht freiwillig die deutsche Küste an. Auch dürfte der Fall mutmaßlich einen Rechtsstreit nach sich ziehen. Kaum vorstellbar ist, dass der Eigentümer die Ladung von knapp 100.000 Tonnen Rohöl ohne juristischen Widerstand aufgibt. 

Das Zollkriminalamt teilte mit, die zollrechtlichen Maßnahmen seien im Falle der Eventin noch nicht rechtsverbindlich abgeschlossen. Eine Weiterfahrt sei untersagt. Aktuell werde das weitere Vorgehen im Hinblick auf Schiff und Ladung von den zuständigen Behörden geprüft. Darüber hinaus könne man sich derzeit zu dem Sachverhalt nicht äußern. Das Hauptzollamt Stralsund ließ eine Anfrage unbeantwortet. Das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommerns wollte keine Auskunft geben.

Die Eventin wurde von der EU Ende Februar als Teil der russischen Schattenflotte mit Sanktionen belegt. Zu dieser werden Hunderte Schiffe gezählt, von denen viele marode sind und unter der Flagge von Kleinststaaten fahren. Russland nutzt sie, um Rohöl unter Umgehung des Ölpreisdeckels zu exportieren – meistens durch die Ostsee. In der Region ist deswegen die Sorge vor einer Umweltkatastrophe groß. Schwedens Küstenwache warnte kürzlich, Russland könnte im Extremfall als Teil eines hybriden Kriegs seine Schattenflotte gezielt einsetzen, um eine Umweltkatastrophe zu verursachen.