„Warum sind solche XXL-Schulden nötig?“

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Die Präsidentin des Verbands „Die Familienunternehmer“, Marie-Christine Ostermann, hat sich am Freitag auf dem F.A.Z.-Leserkongress in Frankfurt kritisch zu dem Schuldenpaket von Union und SPD geäußert. „Als Unternehmer fragt man sich, was passiert mit den Rekordsteuereinnahmen, die erwirtschaftet werden, dass jetzt solche XXL-Schulden offenbar trotzdem nötig sind?“, sagte sie im Gespräch mit F.A.Z.-Herausgeber Gerald Braunberger.

Die Lockerung der Schuldenbremse sowie das Sondervermögen für Infrastruktur wurden am Freitag durch den Bundesrat gebilligt. Angesichts der geopolitischen Lage hat Ostermann Verständnis für Schulden im Verteidigungsbereich: „Aber dafür hätte man begrenzt Schulden aufnehmen können, denn wir befinden uns noch nicht im Krieg, und hoffentlich wird das auch nicht passieren.“

Kein Verständnis zeigte die Verbandsvertreterin, die selbst Unternehmerin ist, für das Infrastrukturpaket der Bundesregierung. „Investitionen in Daseinsvorsorge, Schulen und Straßen müssen in erster Linie aus dem Haushalt heraus finanziert werden“, sagte sie. Das sei eine staatliche Kernkompetenz. Sie habe Bedenken, dass durch die riesigen Schuldenpakete der Druck verschwinde, unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen zu ergreifen.

Der Weg über Schulden sei kurzfristig bequemer. „So eine Krise löst man nicht, indem man die Probleme weiter mit Geld zuschüttet und die Kosten des Standorts weiter erhöht“, sagte sie. Schließlich müssten hohe Zinszahlungen zeitnah geleistet werden, was schon jetzt 40 Milliarden Euro im Bundeshaushalt beanspruche, die für Zinsen reserviert seien.

Strukturelle Reformen gefordert

Stattdessen seien strukturelle Reformen erforderlich, um das Land wieder wettbewerbsfähig zu machen. Deutschland befinde sich in einer Strukturkrise, nicht in einer konjunkturellen Krise, sagte Ostermann. Sie kritisierte das Mi­kromanagement und die Unberechenbarkeit der Politik, die dazu geführt hätten, dass in den vergangenen Jahren unter der Ampelkoalition kaum unternehmerisch investiert wurde und mehr Investitionen ins Ausland flossen. Viele Anliegen der Unternehmen würden zwar politisch gehört, doch sei die Agenda für die Wirtschaft in den vergangenen Jahren „sehr planwirtschaftlich“ gewesen.

„Es saßen eher NGOs im Wirtschaftsministerium, aber nicht Menschen, die sich wirklich mit Wirtschaft auskennen und marktwirtschaftliche Überzeugungen haben“, sagte sie. Ostermann kritisierte auch die Subvention einzelner Unternehmen wie Northvolt oder Intel, die nicht den gewünschten Erfolg gebracht hätten, und forderte eine Kürzung der Subventionen mit dem „Rasenmäher“.

Dessert und Debatte: Mittagspause auf dem F.A.Z.-Kongress
Bilder vom F.A.Z.-KongressVon Gefahren über Geld bis Genuss

Besonders belastend für Unternehmen seien die Energiekosten, die in Deutschland zwei- bis dreimal höher seien als in Amerika oder China. Deutschland müsse mindestens auf dieses Niveau zurückkehren, sonst siedle sich kaum noch ein Unternehmen in Deutschland an. Dazu müsse man das Energieangebot ausweiten. „Es wäre klüger gewesen, die Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen“, sagte Ostermann, aber das sei nun Vergangenheit.

Auch steuerlich seien deutsche Unternehmen im Nachteil, so die Verbandsvertreterin: „Es wäre wichtig, dass die Belastung der Unternehmensgewinne auf den europäischen Durchschnitt sinkt.“ Das sei keine unverschämte Forderung, sondern nötig, damit die Unternehmen hohe Investitionen in die Zukunft tätigen könnten, etwa für die politisch gewünschte Klimaneutralität. Doch nicht nur Unternehmer, auch Arbeitnehmer bräuchten mehr Netto vom Brutto, sagte sie mit Blick auf die Sozialabgaben und die Steuern.

Die Bürokratie bezeichnete Ostermann als „Hauptinvestitionshemmnis“. „Gesetze dürfen nicht nur für Konzerne mit eigener Rechtsabteilung gemacht werden, sondern auch für den Mittelstand muss das praktikabel umsetzbar sein“, sagte sie. Der Anspruch, alles minutiös zu dokumentieren, verhindere Raum für Innovationen, sagte sie und verwies auf die Belastungen durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Für die Zukunft hofft Ostermann auf einen Koalitionsvertrag, der Maßnahmen festschreibe, um die „enorme Schuldenlast“ zu bewältigen und die Wirtschaft anzukurbeln. Bisher vermisse sie diese. „Wir brauchen mindestens zwei bis drei Prozent Wachstum, nicht künstlich über Schulden erkauft, und eine Senkung der Staatsquote von fast 50 Prozent“, sagte sie. Bisher findet sich das Wort „Sparen“ im Sondierungspapier jedoch nur in einem einzigen Satz, wie Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) auf dem F.A.Z.-Kongress einräumte.