Die miserable Stahlkonjunktur hinterlässt auch beim zweiten größten deutschen Hersteller, der Salzgitter AG, deutliche Spuren. „Wir arbeiten mit voller Kraft daran, den Salzgitter-Konzern krisenfest aufzustellen“, sagte Vorstandschef Gunnar Groebler bei der digitalen Bilanzpressekonferenz mit Blick auf einen deutlichen Umsatzrückgang um 7 Prozent auf 10 Milliarden Euro und einen Konzernverlust von 348 Millionen Euro – nachdem voriges Jahr noch ein Plus von 204 Millionen Euro erwirtschaftet wurde. Damit könne man nicht zufrieden sein, räumte Groebler ein – verwies aber darauf, dass ein Plus unterm Strich stünde, wenn man Sondereffekte herausrechne, etwa Abschreibungen und Restrukturierungskosten. Obwohl sich ein Verlust je Aktie von 6,51 Euro errechnet, will das Unternehmen seine Dividende stabil halten und plant eine Ausschüttung von 20 Cent je Aktie.
Um die Lage weiter zu verbessern, wird der Sparkurs forciert. Ein weiteres sogenanntes Performance-Programm soll in den Bereichen Einkauf, Logistik und Vertrieb zu Kosteneinsparungen und höheren Margen führen. Verbesserungen im Volumen von 250 Millionen Euro bis zum Jahr 2028 sind das Ziel. Damit wird das bisherige Programm aus dem Jahr 2022 auf eine halbe Milliarde Euro verdoppelt. Aus dem ersten Programm seien Einsparungen im Volumen von 130 Millionen Euro schon umgesetzt, berichtete Finanzvorständin Birgit Potrafki. Personalabbau stehe dabei nicht im Vordergrund. Es gebe aber Kurzarbeit und restriktivere Einstellungen, außerdem würden Budgets gekürzt, auch für Investitionen.
Die Transformation des Stahlwerks Salzgitter steht aber nicht zur Disposition, bekräftigte Groebler. Die Produktion von klimafreundlichem Stahl, für den Elektrolichtbogenöfen statt koksbefeuerte Hochöfen eingesetzt werden, soll im Jahr 2026 in großem Stil anlaufen. „Alle wichtigen Aggregate sind im Bau“, erklärte Groebler. Allein auf der Baustelle seien ständig bis zu tausend Menschen beschäftigt, beschrieb der Salzgitter-Chef die ganz praktische Herausforderung, das Salcos-Projekt im laufenden Betrieb umzusetzen. Insgesamt werden in die erste Stufe des Projekts 2,3 Milliarden Euro investiert, von denen knapp eine Milliarde Euro aus Fördermitteln des Bundes und des Landes Niedersachsen stammen.
Für dieses Jahr rechnet Salzgitter mit einer weiterhin schwachen Nachfrage und sinkenden Stahlpreisen, wodurch der Umsatz weiter auf 9,5 Milliarden Euro sinken könnte. Immerhin soll sich die Rendite auf das eingesetzte Kapital aus jetziger Perspektive leicht verbessern. Diese lag 2024 bei minus 3,4 Prozent.
Salzgitter will Hüttenwerke nicht übernehmen
Zuversichtlich stimmt den Vorstand die Entscheidung für die beiden Sondervermögen für Infrastruktur sowie Verteidigung, für die am Freitag durch die Zustimmung im Bundesrat der Weg endgültig frei gemacht wurde. Salzgitter sei bestens positioniert für den Ausbau der Infrastruktur, erklärte Groebler. „Wir gehören zu den ganz wenigen überhaupt in Europa, die Rohre für den Wasserstofftransport liefern können“, führte er zur Veranschaulichung auf. Auch im Bereich Windenergie sei Salzgitter aktiv, zudem als Lieferant für Schienen sowie Brücken.
Für den Einstieg in das Geschäft mit der Rüstungsindustrie hat Salzgitter eine Arbeitsgruppe („Taskforce Defence“) gebildet, die schnell klärt, welche Produkte aus den Bereichen Flachstahl, Grobblech und Rohre für militärische Nutzung oder auch im zivilen Bereich gebraucht würden. Groebler mahnte an, dass die Zulassungsprozesse der Bundeswehr beschleunigt werden müssten. „Wir stehen bereit“, sagte der Salzgitter-Chef. Man habe die notwendigen Kapazitäten und auch die erforderlichen Produkte. Unter anderem hat der zweitgrößte deutsche Stahlhersteller erst vor drei Jahren von Thyssenkrupp die Technologie und die Marke für Sicherheitsstähle aus dem Bereich Grobblech übernommen und weiterentwickelt.
Eine andere Entscheidung von Thyssenkrupp könnte Salzgitter vor die Herausforderung stellen, die Lieferungen zu ersetzen, die bisher aus den gemeinschaftlich betriebenen Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) bezogen werden, „erhebliche Mengen“, wie Groebler betonte. Zwar gibt es dafür langfristige Verträge, doch nachdem die Gespräche über den Verkauf von HKM an CE Capital Partners scheiterten, ist die Zukunft unklar. „Sollte ein Verkauf nicht möglich sein, wird Thyssenkrupp Steel mit den weiteren Gesellschaftern Gespräche über Schließungsszenarien führen“, hatte Thyssenkrupp-Chef Miguel López schon Ende Januar bei der Hauptversammlung angekündigt. Groebler sagte nun, man spreche mit dem Partner über Alternativszenarien. Salzgitter könne die Hüttenwerke mit rund 3000 Beschäftigten aber nicht übernehmen: „Das ist viel zu groß und würde uns überfordern.“ Den Buchwert auf HKM von zuletzt 110 Millionen Euro hat Salzgitter mittlerweile komplett abgeschrieben.
Weiter zurückhaltend äußert sich Groebler zu den Übernahmeabsichten durch GP Papenburg und TSR Recycling. „Wir sind in Gesprächen und versuchen zu verstehen, was das industrielle Konzept dahinter ist“, sagte Groebler. Das unverbindliche Angebot von 18,50 Euro liegt allerdings weit unter dem aktuellen Börsenkurs, obwohl dieser nach der Bilanzvorlage um fast 3 Prozent auf 25,50 Euro nachgegeben hat.