Der Klimawandel setzt auch den Wasserversorgern zu. Vor allem im Sommer laufen die Pumpen auf Hochtouren. In Rheinland-Pfalz suchen Versorger nach einer neuen Trinkwasser-Quelle – und setzen auf den Rhein.
“Für uns ist der Rhein ein Glücksfall”, sagt Thomas Mösl. Der Vorstand der Technischen Werke Ludwigshafen (TWL) steht am Ufer des Flusses, das Wasser rauscht vorbei. Hier direkt am Ufer könnte ein Wasserwerk entstehen – und die Menschen der Region mit Trinkwasser versorgen.
Der Impuls, sich Gedanken um die Zukunft der Trinkwasserversorgung zu machen, komme vom Land Rheinland-Pfalz, sagt Mösl. Das Land hat einen “Zukunftsplan Wasser” aufgestellt. Darin geht es auch darum, die Wasserversorger fit für die Klimakrise zu machen. Also für eine Zeit mit mehr Hitzetagen und langen Trockenzeiten, Starkregen und möglichen Veränderungen beim Grundwasser.
Heiße Sommer bringen Wasserversorger ans Limit
“Bei uns in Ludwigshafen laufen die Pumpen in heißen Sommern auch nachts auf Hochtouren. Wir müssen dann mit allen Tricks schauen, wie wir den hohen Wasserbedarf der Menschen decken können”, erklärt Mösl vom städtischen Energie- und Wasserversorger. Dadurch aber gingen die Pumpen schneller kaputt, auch die Grundwasserbrunnen würden schneller versanden.
Die Lösung könnte ein Uferfiltrat-Wasserwerk sein. Solche Werke gibt es zum Beispiel schon in Düsseldorf, in Franken und bei den Berliner Wasserbetrieben. In der Vorderpfalz könnten sich elf Wasserversorger – darunter die Städte Ludwigshafen, Speyer und Frankenthal – am Rheinwasser bedienen und so rund 20 Prozent ihres gesamten Wasserverbrauchs decken.
Was ist Uferfiltrat?
Uferfiltrat ist Wasser, das in der Nähe von einem Fluss oder See gewonnen wird. Zu dem Brunnen des Wasserwerks fließt ein Teil des Flusswassers und mischt sich mit Grundwasser. Auf dem Weg durch den Boden wird das Flusswasser teilweise schon gereinigt.
Wasserversorger sollen sich stärker vernetzen
Zusätzlich sollen sich die Versorger mit neuen Leitungen untereinander besser vernetzen. Die Technik sei nicht neu, betont Mösl, neu sei die Idee, das im Verbund zu tun. Insgesamt rund 43 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr verbrauchen alle elf Versorger zusammen.
Und es gibt noch einen Grund, warum in der Vorderpfalz über Trinkwasser aus dem Rhein nachgedacht wird. Das Land Rheinland-Pfalz hat festgestellt, dass sich in den vergangenen Jahren deutlich weniger Grundwasser in Teilen des Landes neu gebildet hat. Betroffen ist auch die Vorderpfalz.
Bei den TWL in Ludwigshafen führt das noch nicht dazu, dass der Grundwasserspiegel merklich sinkt. “Aber das kann in Zukunft kommen”, sagt Rainer Barchet, der Projektleiter für das geplante Wasserwerk. Wobei Barchet eine Zukunft plant, die er selbst vielleicht nicht mehr erleben wird. Das Grundwasser, dass die TWL aus dem Untergrund pumpen, fließt sehr langsam und ist zwischen 1.000 und 25.000 Jahre alt. Veränderungen machen sich nicht so schnell bemerkbar.
Thomas Mösl (links), Vorstand der Technischen Werke Ludwigshafen, und Rainer Barchet, Projektleiter für das geplante Wasserwerk.
Uferfiltrat muss stärker gereinigt werden
Trotz der Pläne in der Pfalz: Deutschlandweit führt die Gewinnung von Trinkwasser aus Uferfiltrat ein “Schattendasein”. So sagt es Bertold Niehues vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Von rund 4.200 Wasserversorgern im Land nutzten aktuell weniger als 70 Uferfiltrat. Denn: “Uferfiltrat muss in der Regel stärker aufbereitet werden als Grundwasser.”
“Es kann Probleme mit der chemischen Beschaffenheit des Flusswassers geben. Das Risiko ist einfach größer, dass man Spurenstoffe wie PFAS oder Schadstoffe hat, die man aufwändig und mit höheren Kosten entfernen muss”, so Niehues vom DVGW. Die Regel sei: Wenn ein Wasserversorger in Deutschland genügend Grundwasser zur Verfügung habe, dann sei Grundwasser das “vernünftigste Mittel der Wahl”.
Grundwasser-Forscher hat Bedenken
“Das alte Grundwasser ist ein Schatz, den man hüten und schonen muss”, sagt Hans Jürgen Hahn, Grundwasserökologe der Rheinland-Pfälzisch Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. Uferfiltrat zu nutzen sei prinzipiell ein Ansatz, aber man müsse genau abwägen, was man entnimmt, wieviel und ob das wirklich notwendig ist.
Uni-Forscher Hahn hat mehrere Bedenken wegen eines möglichen neuen Wasserwerks direkt am Rhein. Erstens bediene sich das nicht nur aus dem Fluss, sondern es fließe auch immer Grundwasser von der anderen Seite, also vom Land her, in die Brunnen. Was das für die Landschaft bedeute, müsse unbedingt untersucht werden: “Da geht es um die Auswirkungen auf die damit verbundenen Ökosysteme und Lebensräume”, so Hahn.
Zweitens: “Fakt ist, dass die Begehrlichkeiten auf den Rhein massiv ansteigen”, sagt Hahn. “Man muss sich die Frage stellen, wie viel ist noch nachhaltig dem Fluss entnehmbar.” Schon jetzt wird Uferfiltrat zum Beispiel in Rheinhessen oder in Düsseldorf gefördert. Die Landwirtschaft nutzt Rheinwasser zum Bewässern der Felder und würde das im Süden von Rheinland-Pfalz gerne ausweiten.
Machbarkeitsstudie soll Uferfiltrat untersuchen
Was das alles für ein mögliches Uferfiltratwasserwerk bei Ludwigshafen heißt, soll eine Machbarkeitsstudie herausfinden. Klären soll die Studie unter anderem die Kosten für solch ein Werk, die Auswirkungen auf Natur und Umwelt und wie ein Brunnen am Rhein gebaut werden müsste, zu dem möglichst viel Flusswasser und möglichst wenig Grundwasser fließt.
Der Projektleiter, Rainer Barchet von den Technischen Werken Ludwigshafen, sagt, wegen des Klimawandels sei die Planung mit vielen Unsicherheiten behaftet: “Wir gehen auch das Risiko ein, dass man am Ende des Tages sagt, warum habt ihr so einen großen Aufwand betrieben, es ist ja gar nicht so schlimm gekommen. Aber wenn wir keinen großen Aufwand betreiben, dann heißt es vielleicht, warum habt ihr nicht daran gedacht.” Frühestens in 15 Jahren, schätzen die TWL, könnte das Wasserwerk direkt am Rhein in Betrieb gehen.