Nvidias Geschäft boomt, doch am Horizont ziehen Wolken auf

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Nvidias Höhenflug ist beachtlich, doch Risikofaktoren von globalem Handelskrieg über Inflation bis hin zu neuen Chipkonkurrenten bedrohen das Geschäftsmodell. Was der CEO Jensen Huang dazu sagt.

Nvidias CEO Jensen Huang gab sich an der Entwicklerkonferenz als Star-Verkäufer, der für den Konzern nur rosige Aussichten prognostiziert.

Nvidias CEO Jensen Huang gab sich an der Entwicklerkonferenz als Star-Verkäufer, der für den Konzern nur rosige Aussichten prognostiziert.

Brittany Hosea-Small / Reuters

Entwicklerkonferenzen sind im Silicon Valley der alljährliche Moment, in dem die Tech-Konzerne ihre Türen für Entwickler, Firmenkunden und Journalisten öffnen und Einblicke in ihr Innenleben gewähren. Sie sind aber auch ein Gradmesser dafür, wie sehr sich der Rest der Welt für ebendiesen Konzern interessiert.

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So gesehen ist Nvidia in der Champions League angekommen. 25 000 Besucher aus aller Welt strömten diese Woche nach San Jose für die GPU Technology Conference – kurz GTC –, wie Nvidias Entwicklerkonferenz heisst. Die Stadt musste all ihre Konferenzzentren und Aussenareale zur Verfügung stellen, um dem Ansturm gerecht zu werden. «Wenn wir noch grösser werden, muss San Jose wachsen», scherzte der CEO Jensen Huang. 2024 noch kamen weniger als halb so viele Besucher zu dem Anlass. Und 2009, als Nvidia erstmals eine solche Entwicklerkonferenz abhielt, kamen ein paar Dutzend Akademiker, ein Hotel in San Jose reichte da noch als Austragungsort.

Kein Zweifel: Nvidia ist der Superstar der KI-Industrie. Jensen Huang hat aus der einstigen Firma für Grafikkarten innerhalb weniger Jahre einen der wertvollsten Tech-Konzerne der Welt gemacht. Nvidia hat mit seinen Hochleistungschips ein Quasimonopol im derzeitigen KI-Boom erlangt. «Wir sind zur einzigen KI-Firma weltweit geworden, die mit jeder anderen KI-Firma zusammenarbeitet», erklärte Huang diese Woche geradezu euphorisch. Jedes Land, jede Industrie sei auf der Entwicklerkonferenz vertreten.

Anders als bei anderen Tech-Konzernen führte der CEO ganz alleine durch die fast zweistündige Keynote am Dienstag, sass auf allen wichtigen Expertenpanels und raunte seinen Presseleuten selbst vor Hunderten Journalisten zu: «Ihr macht eine furchtbare Arbeit.» Der 62-Jährige ist einer der wenigen verbleibenden Gründer-CEO im Silicon Valley und lässt sich entsprechend feiern. «Ich bin der einzige Tech-CEO weltweit, der schon so lange arbeitet», sagte Huang an der Pressekonferenz, nur halb scherzend. Immer wieder begegnete man auf dem Konferenzgelände Cartoon-Versionen von ihm in seiner charakteristischen Lederjacke. In San Jose wurden auch Huang-Festspiele abgehalten.

Nvidias Wachstumsraten, seine Gewinnmarge von 70 Prozent, seine Aktienbewertung von 3 Billionen Dollar – all das beeindruckt. Der CEO lässt sich in San Jose als Herrscher über die Weltmeere der KI feiern. Und doch ziehen am Horizont durchaus Wolken auf. Da stellt sich die Frage: Wie will Huang seinen Nvidia-Dampfer durch diese Stürme lenken?

Unterbrechungen der globalen Lieferkette

Nvidia bezieht die Komponenten für seine Hochleistungschips und Prozessoren aus Dutzenden Ländern. Ein Handelskrieg, wie er sich zwischen den USA und mehreren anderen Ländern abzeichnet, könnte den Warenbezug enorm erschweren, schlimmstenfalls ins Stocken bringen. Beispiel Mexiko: Dort baut der chinesische Auftragsfertiger Foxconn zurzeit die weltgrösste Fabrik für GB200-Blackwell-KI-Server; die Blackwell-Chips sind der Klassenprimus in Nvidias Chipangebot.

Auch zahlreiche andere Nvidia-Produkte produziert Foxconn in Mexiko. Doch die Regierung Trump hat Importzölle für Produkte aus Mexiko von 25 Prozent erhoben und plant zudem weitere, spezifische Zölle auf Halbleiterimporte. Und das könnte erst der Anfang sein: Wie sich Trumps Handelspolitik weiterentwickelt, welche Exportkontrollen, -verbote und Zölle die Regierung erheben wird – diese Unsicherheiten belasten auch Nvidias Geschäft.

Kurzfristig zumindest mache er sich um die Lieferkette keine Sorgen, sagte Huang im Gespräch mit Journalisten am Mittwoch, «wir haben ein sehr flexibles Netzwerk an Zulieferern». Doch langfristig sieht der CEO durchaus Handlungsbedarf. «Wir wollen unsere Wendigkeit behalten, aber dafür fehlt uns derzeit noch ein wichtiger Bestandteil: Onshoring der Produktion.»

Was das bedeutet, präzisierte er gegenüber der «Financial Times» dann am Mittwoch: In den kommenden vier Jahren wolle Nvidia «Hunderte Milliarden von Dollar» in den USA investieren, insbesondere in der Fertigung. Die Idee dürfte sein, die wichtigsten Produkte notfalls in den USA produzieren zu können. Doch bis Nvidia dazu imstande ist, dürfte es noch Jahre dauern.

Chipproduktion in Taiwan

Nvidia ist für seine Hochleistungschips bekannt, doch diese entwickelt es lediglich – die eigentliche Produktion hat Nvidia an die taiwanische Firma TSMC ausgelagert. Über Taiwan schwebt allerdings die Gefahr einer Invasion durch China, was einen Krieg mit den USA bedeuten könnte – und womöglich die Zerstörung der dortigen Chipfabriken. Zudem droht die Regierung Trump inzwischen auch taiwanischen Halbleiterfirmen mit Zöllen. Selbst das Risiko schwerer Erdbeben ist in Taiwan stets immanent.

Aus diesem Grund lobbyierte Nvidia bei TSMC schon seit Jahren dafür, Teile der Chipproduktion in die USA zu verlegen – mit Erfolg: Seit 2022 baut TSMC dort an neuen Chipfabriken, gemäss Medienberichten soll Nvidias Blackwell-Chip nun ab diesem Jahr in Phoenix, Arizona, gefertigt werden.

Das sind gute Nachrichten. Allerdings müssen die Chips danach weiterhin für einen letzten Arbeitsschritt nach Taiwan verschickt werden. Der Grund: Die Fabrik in Phoenix verfügt nicht über die Technologie, um unterschiedliche Chips und Speicher in einem Gehäuse zu kombinieren (sogenannte «Chip on Wafer on Substrate»- oder Cowos-Technologie). Ob TSMC im Zuge seiner neu angekündigten Investitionen in den USA auch diesen Fertigungsschritt in die USA verlegen kann, ist nicht bekannt.

Aus China droht mehr Gegenwind – und Konkurrenz

Auch im Handelskrieg zwischen Peking und Washington gerät Nvidia immer mehr zwischen die Fronten. Der Konzern darf seine neusten Hochleistungschips nicht nach China exportieren, dabei ist das Reich der Mitte nach den USA der grösste Markt für den Konzern – und ein wichtiger Rohstofflieferant.

Im Dezember haben umgekehrt chinesische Behörden eine Untersuchung gegen Nvidia angekündigt, weil die Firma gegen chinesische Antimonopolgesetze verstossen haben soll. An Nvidia wird nun von beiden Seiten heftig gezogen.

Zudem nimmt die Konkurrenz aus China zu: Der chinesische Chiphersteller Huawei hat in letzter Zeit grosse Fortschritte bei seinen KI-Chips gemacht. «Ihre Präsenz in der KI wächst mit jedem Jahr», gab Huang im Gespräch mit der «Financial Times» zu. «Wir können nicht davon ausgehen, dass (Huawei) kein Faktor sein wird.» Überhaupt sei China punkto KI hervorragend aufgestellt: Die Hälfte der weltweiten KI-Forscher stammten heute aus dem Reich der Mitte, sagte Huang. Er selbst hatte Ende November ein Ehrendoktorat der Hongkong University of Science and Technology verliehen bekommen.

Doch die Frage ist, wie lange Huang diesen Spagat zwischen den Regierungen noch aufrechterhalten kann – oder ob ihn Washington dazu zwingen wird, sich zu einer Seite zu bekennen.

Big Tech als Klumpenrisiko

Nvidias Umsatz von zuletzt 130,5 Milliarden Dollar (2024) beruht zu einem beachtlichen Teil auf einer Handvoll Tech-Konzerne: Microsoft, Meta, Amazon und Apple machen rund 40 Prozent davon aus. Doch Big Tech tüftelt an eigenen Hochleistungschips, die Nvidias Chips zumindest teilweise ablösen sollen.

Schlimmer noch: Einige der Konzerne dürften in absehbarer Zeit zur Konkurrenz von Nvidia werden. Wie die Plattform «The Information» diese Woche berichtete, versucht Amazon bereits, Nvidia-Kunden mit einem eigenen Chip abzuwerben, indem es ihnen die gleiche KI-Rechenleistung zu einem Viertel des Preises verspricht. Das könnte auf lange Frist Nvidias Gewinnmarge von stolzen 70 Prozent unter Druck bringen.

Amerikas Wirtschaft könnten Rezession und Inflation drohen

Nvidias rosige Wachstumsprognosen basieren auf der Annahme, dass die amerikanische Wirtschaft als Motor der Weltwirtschaft nicht ins Stocken gerät. Doch sollten die geopolitischen Spannungen zunehmen oder die US-Wirtschaft durch die Handelskriege in eine Rezession rutschen oder die Inflation im Land wieder zunehmen – dann könnte sich das Gesamtbild schnell ändern.

Zudem werden zunehmend Stimmen laut, die vor einem KI-Hype warnen und kritisieren, dass die vielgelobten Produktivitätsgewinne durch KI noch nicht sichtbar oder messbar seien. Sollten deswegen weniger Firmen KI-Produkte nachfragen, bekämen das auch die drei weltgrössten Cloud-Anbieter Microsoft, Amazon und Google schnell zu spüren – und würden ihrerseits geplante KI-Datenzentren auf Eis legen. Das wiederum würde Nvidias prognostizierten Chipumsatz hart treffen.