An seiner Entwicklerkonferenz enthüllt Apple endlich seine KI-Strategie. Der iPhone-Konzern nutzt aus, wie viel er über unser aller Leben weiss – und lockt mit besserem Datenschutz als die Konkurrenz.
![Apple-CEO Tim Cook betritt das Podium an der Entwicklerkonferenz in Cupertino, Kalifornien.](https://adaglobalconcept.com/wp-content/uploads/2024/12/wie-KI-nun-Siri-wirklich-nutzlich-machen-soll.jpeg)
Apple-CEO Tim Cook betritt das Podium an der Entwicklerkonferenz in Cupertino, Kalifornien.
Strahlend blauer Himmel, Sonnenschein, 20 Grad – Cupertino präsentierte sich am Montagmorgen wie aus einem Apple-Werbefilm, als um kurz vor zehn Uhr Ortszeit der CEO Tim Cook auf die Bühne trat. «Willkommen bei der WWDC», begrüsste Cook – wie immer in Poloshirt und dunkler Hose – das Publikum am Firmensitz Apple Park. Die am Montag eröffnete Entwicklerkonferenz ist traditionell der Moment, an dem das geheimniskrämerische Apple der Welt zeigt, woran seine 160 000 Mitarbeiter im vergangenen Jahr getüftelt haben. Seit der Pandemie präsentiert Apple seine Neuheiten nicht mehr live, sondern in einem vorab aufwendig produzierten Film – typisch für die Firma, die gerne alles bis ins letzte Detail kontrolliert.
Hunderte Entwickler, Journalisten und geladene Gäste im Aussenareal des Apple Park trieb am Montag die gleiche Frage um, welche auch die Zuschauer im Livestream an die Bildschirme lockte: Was hat Apple punkto KI zu bieten?
Der Konzern muss sich vorwerfen lassen, die jüngste KI-Welle verschlafen zu haben. Während Konkurrenten wie Google, Microsoft, und Open AI in den vergangenen Monaten beeindruckende künstlich intelligente Chatbots, Smartphones und Suchfunktionen auf den Markt brachten, hüllte sich Apple zur eigenen KI-Strategie in Schweigen und vertröstete stets auf die Ankündigungen an der Entwicklerkonferenz.
Am Firmensitz Apple Park in Cupertino stellte Apple seine neue KI-Strategie vor.
Doch auch dort mussten sich die Zuschauer zunächst in Geduld üben: In der ersten Hälfte der Veranstaltung präsentierte Apple die üblichen Software-Updates für das iPhone, das iPad, die Apple Watch und andere Geräte.
Die wichtigsten sonstigen Ankündigungen von Apple
- iPhone: Apps lassen sich nun verstecken und verschlüsseln. Textnachrichten kann man ab dem iPhone 14 via Satellit absenden. Man kann Textnachrichten zeitversetzt absenden.
- Vision Pro: Apples Virtual-Reality-Brille wird ab dem 12. Juli in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und einer Handvoll anderer Länder verfügbar sein, die Schweiz ist nicht dabei.
- Apple Watch: Es gibt eine neue Gesundheitsfunktion namens «Vitals App» und ein Schwangerschafts-Tracking.
- Mac: Der Laptop wird zum verlängerten Arm des iPhone: Über die Funktion «iPhone mirroring» (iPhone spiegeln) kann man nun über seinen Laptop auf das iPhone zugreifen und dieses steuern.
- Airpods Pro: Steuerung der Kopfhörer mit Kopfnicken und -schütteln.
Persönliche Intelligenz dank einem Schatz an Nutzerdaten
Nach gut einer Stunde war dann der Augenblick gekommen, den Investoren, Apple-Fans und auch die Konkurrenz mit Spannung erwartet hatten. «Es ist ein Moment, an dem wir lange gearbeitet haben», sagte Cook und stellte die eigene KI-Strategie namens «Apple Intelligence» vor.
Apples KI kann zum einen das, was man schon von der Konkurrenz kennt: E-Mails, Videos, Sprachaufzeichnungen und Dokumente zusammenfassen; neue Bilder schaffen und Emojis nach persönlichem Gusto kreieren. Die KI verbessert Rechtschreibfehler in Texten und entwirft Vorschläge für Antworten auf E-Mails und Textnachrichten, wobei man im Tonfall zwischen «lustig», «professionell» und «knapp» wählen kann. Das ist nützlich – aber wenig beeindruckend, denn man kennt diese Möglichkeiten bereits von Konkurrenten wie Microsofts Copilot und Googles Gemini. Zudem werden all diese Funktionen bei Apple erst «später im Jahr» und vorerst nur auf Englisch verfügbar sein.
Was bei Apple neu ist und die «Apple Intelligence» von der Konkurrenz unterscheidet, sind erstens die persönlichen Daten der Nutzer – die sogenannte «personal intelligence» – und zweitens der Datenschutz. Der Konzern nutzt aus, dass das iPhone, der Mac und andere Apple-Geräte tief im Leben ihrer Nutzer verwurzelt sind und viel über diese wissen. 2,2 Milliarden Apple-Geräte befinden sich weltweit im Umlauf, darunter mehr als 1 Milliarde iPhones.
Diesen Schatz an Daten hebt Apple nun: Es integriert die künstliche Intelligenz in alle Funktionen seiner Geräte und verknüpft die dort gefundenen Informationen anwendungsübergreifend. Das Ergebnis ist ein künstlich intelligenter, sprachgesteuerter Assistent, der tatsächlich einen Mehrwert für Nutzer schaffen könnte. Das Produkt erinnert stark an den von Open AI jüngst vorgestellten Assistenten – nur dass er zusätzlich alles über den Nutzer weiss.
Ein Beispiel: «Wann muss ich los, um rechtzeitig zur Theateraufführung meiner Tochter zu kommen?», soll man das iPhone künftig fragen können. Das Gerät weiss, wer gemeint ist, sucht in allen Anwendungen nach Informationen über die besagte Veranstaltung und weiss zudem, was das persönlich bevorzugte Transportmittel ist. Aus alldem strickt die Apple-KI dann eine persönliche Antwort. Wenn dann kurzfristig eine Terminanfrage aus dem Büro via E-Mail eingeht, soll die KI einem sagen, ob man es dennoch rechtzeitig zur Veranstaltung der Tochter schafft.
«Es ist Intelligenz, die dich versteht», fasste es Apples Software-Chef Craig Federighi zusammen.
Apples Software-Chef Craig Federighi erklärt die Funktionsweise der Apple-KI.
Eine Schlüsserolle spielt dabei Siri: Der Sprachassistent versteht nun natürliche Sprache im Kontext und kann auf der Suche nach Antworten ebenfalls auf alle Apps und Programme zugreifen. Auch kann man mit Siri bei Bedarf nun schriftlich kommunizieren. Dies ist ein enormer Fortschritt zum Status quo, bei dem der Sprachassistent – wenn überhaupt – nur einzelne Fragen beantworten kann und einen oft nicht versteht. Konkret kann man Siri etwa künftig fragen: «Finde das Foto meiner Tochter im roten Kleid, und füge es in eine Notiz ein», oder: «Spiele den Podcast ab, den mir meine Frau vor ein paar Tagen geschickt hat.»
Privatsphäre soll bestehen bleiben
Apple knüpft dabei an seinen Ruf als Datenschützer an. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, wie KI-Anfragen von Apple beantwortet werden – und bei jeder Form steht gemäss Apple die Privatsphäre der Nutzer im Vordergrund.
So schickt Apple, erstens, die KI-Berechnungen in der Regel nicht an externe Cloud-Datenzentren. «Du solltest nicht alle Details zu deinem Leben an ein Rechenzentrum aushändigen müssen, damit sie in der KI-Cloud von irgendjemandem ausgewertet werden können», sagte Federighi mit einem Seitenhieb auf die Konkurrenz. «Apple schützt deine Daten bei jedem Schritt.»
Um das zu schaffen, sind viele der neuen KI-Funktionen nur für die jüngste Generation von iPhones und Mac-Computern möglich; also solche, welche die ultraschnellen, Apple-eigenen Siliziumchips der Generationen M und A16 Bionic eingebaut haben.
Doch nicht alle KI-Anfragen können auf dem Gerät ausgeführt werden, weil sie zu viel Rechenleistung erfordern. Aus diesem Grund sendet Apple, zweitens, bestimmte Anfragen eben doch in die Cloud – dann allerdings an eigene, Cloud-basierte Rechenzentren, die auf den hauseigenen Siliziumchips basieren. Keine Daten, die einen Nutzer identifizieren könnten, würden dort gespeichert, versicherte der Software-Chef Federighi vor Journalisten am Nachmittag.
Chat-GPT zieht auf dem iPhone ein
Darüber hinaus sollen Apples Nutzer, drittens, bei spezialisierten Anfragen auch Zugang zu den KI-Sprachmodellen der Konkurrenz erhalten. Dank einer Kooperation mit Open AI integriert Apple nun das Sprachmodell GPT-4 in all seine Produkte. Ein Beispiel dafür sind Anfragen, bei denen der Nutzer auf bestimmte Lebensmittel zeigt und Chat-GPT um Rezeptvorschläge dafür bittet. Ebenso kann sich der Nutzer bei komplexeren Siri-Anfragen mit Chat-GPT verbinden lassen.
Bevor eine Anfrage an Chat-GPT weitergeleitet werde, müssten Nutzer dem jedoch explizit zustimmen, erläuterte Cook. Gemäss Apple werden die Anfragen zwar an die Server von Open AI geleitet, aber ohne Informationen, welche die Identität der Nutzer preisgeben könnten.
Sam Altman, der CEO von Open AI, war am Montag ebenfalls im Apple Park dabei, hatte dort aber keinen Auftritt. «Sehr glücklich, mit Apple zusammenzuarbeiten, um Chat-GPT später im Jahr in ihre Geräte zu integrieren», schrieb Altman auf Twitter. «Ich denke, ihr werdet es wirklich mögen.»
Sam Altman, CEO von Open AI, bei der Entwicklerkonferenz von Apple am Montag.
Über die genauen Konditionen der Zusammenarbeit ist nichts bekannt, weder Apple noch Open AI gaben hierzu Details an. Klar ist jedoch, dass die Kooperation für Apple auch eine Risikominderung darstellt im Vergleich zu einem eigenen Sprachmodell: Sollte Chat-GPT falsche Antworten liefern – sogenannte Halluzinationen –, könnte Apple die Schuld daran auf Open AI schieben.
very happy to be partnering with apple to integrate chatgpt into their devices later this year!
think you will really like it.
— Sam Altman (@sama) June 10, 2024
Apple deutete am Montag an, dass man künftig auch andere spezialisierte Sprachmodelle auf das iPhone bringen könnte – etwa eines zum Programmieren, ein anderes für juristische Fragen, sagte Federighi – und erwähnte als Beispiel dafür Googles Gemini.
KI könnte die Nutzer tiefer ins Apple-Ökosystem sperren
KI sei «der nächste grosse Schritt für Apple», sagte Cook. Dank der Integration von Hardware, Software und Siliziumchips sei Apple in einer einzigartigen Position, um die Nutzer ins neue Zeitalter zu führen. Allerdings war es den anwesenden Journalisten nicht möglich, die KI selbst zu testen.
Tatsächlich sind die neuen KI-Funktionen für Apple von grosser Bedeutung: Sie dürften zum einen dabei helfen, dem 14 Jahre alten iPhone neuen Schwung zu verleihen. Das Smartphone ist nach wie vor das Zugpferd von Apple, es macht mehr als die Hälfte des Konzernumsatzes aus. Doch der iPhone-Absatz ist zuletzt auf hohem Niveau zurückgegangen, weil die technischen Unterschiede zwischen den Geräten der 13., 14.und 15. Generation gering sind. Die neuen KI-Funktionen dürften Nutzern nun also einen Anreiz liefern, ihre Geräte upzugraden.
Zum anderen dürfte die neue «personal intelligence» auch den Boden bereiten für zukünftige Produkte aus dem Hause Apple – etwa humanoide Roboter, an denen die Firma angeblich forscht. Sollte es Apple tatsächlich gelingen, dank KI alle Informationen zu einem Nutzer crossmedial zu verknüpfen, daraus Schlüsse zu ziehen, und das auch noch auf eine sichere Art und Weise – dann dürfte es die Kunden endgültig in sein Ökosystem einschliessen.
Der Hauptsitz von Apple in Cupertino, Kalifornien.