Frau Böll, Sie erforschen seit vielen Jahren die Bäume in unseren Städten. Wie ist es im Jahr 2025 um sie bestellt?
Der Klimawandel setzt ihnen zu. Seit zehn Jahren haben wir einen Extremsommer nach dem anderen. Eine heimische Eiche oder Buche benötigt zwei bis drei Jahre, bis sie sich nach einem trockenen Sommer erholt hat. Aber diese Möglichkeit zum Erholen gab es seit 2018 so gut wie nicht mehr.
In heißen Sommern haben sie im Boden weniger Wasser zur Verfügung, gleichzeitig verdunsten sie mehr. Das führt zu absolutem Wassermangel. Die heimischen Arten wie Bergahorn und Sommerlinde, früher gängige Straßenbäume, sind in den wärmeren Städten längst über dem Limit. Im Jahr 2019 wurden in mehreren Städten über 40 Grad Celsius gemessen. Solche Temperaturen gab es früher nicht in Deutschland.
Wenn heimische Arten schwächeln, liegt es nahe, es mit anderen zu versuchen?
Wir haben bereits im Jahr 2010, sehr vorausschauend, für unser Forschungsprojekt „Stadtgrün 2021+“ mit Anpflanzungen an drei ganz unterschiedlichen Standorten begonnen: in Würzburg als einer der trocken-heißesten Städte Deutschlands, in Hof/Münchberg, wo Fröste und Spätfröste auftreten, und in Kempten mit niederschlagsreichem Voralpenklima. Die meisten Arten stammen aus kontinentalen Gebieten wie zum Beispiel Rumänien oder Bulgarien, wir haben aber auch asiatische und nordamerikanische Baumarten getestet.
Was können sie, was die heimischen nicht können?
Sie alle sind an trockene, heiße Sommer und kalte Winter angepasst. Wir werden hier in Deutschland im Winter immer wieder mit Frösten rechnen müssen, wir werden kein mediterranes Klima bekommen. Kontinentale Baumarten können noch Wasser aus dem Boden ziehen, wenn die heimischen bereits aufgeben. Hinzu kommt: Laubbäume benötigen vier Monate Vegetationszeit, um einen Zuwachs zu bewerkstelligen. Fällt durch Trockenheit im August bereits das Laub, wie bei vielen Heimischen, ist Wachstum schlicht nicht mehr möglich.

Was entgegnen Sie den Befürwortern von einheimischen Arten?
Dort, wo es passt, halte ich es für sehr sinnvoll, sie zu pflanzen – in Parkanlagen, in Neubaugebieten am Stadtrand oder entlang von Bächen in Städten etwa. Aber bei Stadtbäumen geht es um etwas ganz anderes: Wir brauchen eine möglichst große Vielfalt. Derzeit machen lediglich acht verschiedene Arten insgesamt 80 Prozent aller Straßenbäume aus. Schädlinge und Krankheiten können sich dadurch sehr schnell ausbreiten, zum Beispiel der Eichenprozessionsspinner oder die Massaria-Krankheit bei den Platanen. Wir benötigen eine viel breitere Palette an Bäumen. Auch, um den jeweiligen Standorten gerecht zu werden. Eine Hainbuche verträgt zwar Stadtklima, sie muss aber nachmittags im Schatten stehen, sonst wird ihr die Sonneneinstrahlung zu viel.
Welche Bäume sollten wir denn häufiger sehen im urbanen Raum?
Das lässt sich kaum verallgemeinern, denn es gibt wenige, die an allen Standorten gut gedeihen. Die Schwarznuss wächst in Kempten zum Beispiel ganz wunderbar, in Hof, wo es Frost gibt, deutlich schlechter. Die Zerr-Eiche mag aber Kempten gar nicht, möglicherweise wegen der starken Wolkenbrüche, dafür gedeiht sie im trockenen Würzburg sehr gut.
Die Purpur-Erle (Alnus x spaethii), der Japanische Schnurbaum (Styphnolobium japonicum), die Blumenesche (Fraxinus ornus), Ulmen wie die resistenten Hybride Ulmus ’Lobel‘ und Ulmus ’Rebona‘. Überhaupt sind Ulmen richtig toughe Bäume, sehr groß, sehr schön. Das führt schnell zum Wunsch, eine Ulmenallee zu pflanzen. Aber dank der Zickzack-Ulmenblattwespe, die im Jahr bis zu vier Generationen produzieren kann, ist so eine Allee im dritten Jahr kahl. Lieber gemischt pflanzen! Wir brauchen eine möglichst hohe Vielfalt. Je mehr Arten, desto besser.

Ihre Untersuchung hat auch unerwartete Erkenntnisse gebracht, warum eine Vielfalt so wichtig ist – Sie haben die Baumkronen untersucht?
Baumkronen sind ein Hort der Biodiversität. Wir haben vergleichende Untersuchungen zur Insekten- und Spinnenvielfalt in den Kronen heimischer und nicht heimischer Stadtbaumarten in Würzburg unternommen. In drei Jahren – 2017, 2021, 2022 – haben wir auf 30 untersuchten Bäumen jeweils über 25.000 Insekten und Spinnentiere gefangen und die Wildbienen, pflanzenfressende Käfer, Wanzen, Zikaden, Erzwespen und Spinnen bis zur Art bestimmt.
Gab es Unterschiede zwischen dem, was Sie auf heimischen und nicht heimischen Bäumen fanden?
Wir konnten keinen Trend feststellen, dass auf heimischen Bäumen mehr Lebewesen sind als in nicht heimischen. Auch kann man nicht allgemein sagen, dass es auf heimischen Bäumen mehr Arten gibt. Es ist viel komplexer.
Wir konnten zum Beispiel feststellen, dass Zikaden als saugende Insekten Ulmen lieben. Denen ist es egal, ob die Ulme eine heimische oder eine resistente asiatische Züchtung ist. Auch Purpur-Erlen kommen bei Zikaden gut an. Eschen dagegen mögen sie nicht, Linden auch nicht sonderlich. Heimische Wanzen lieben sowohl Eschen als auch Ulmen und Purpur-Erlen. Wanzen, die speziell auf Eschen gehen, sind jedoch auf amerikanischen Roteschen nicht zu finden. Ulmen und Purpurerlen sind also gut für saugende Insekten. Aber Roteschen sind kein Ersatz für unsere kränkelnde heimische Esche aus der Perspektive der saugenden Insekten.

Wie sieht es mit Bienen aus?
Wir haben in jedem Jahr mehr als 50 Arten in den Kronen unserer Bäume gezählt, über die gesamte Saison hinweg. Bei den heimischen Bienen handelt es sich um Arten, die in ganz Mittel- und Südeuropa zu finden sind – Wildbienen sind also Europäerinnen. Unterschiedliche Bienenarten fliegen zu unterschiedlichen Zeiten. Die meisten von ihnen sind Bodennister und auf den Grünstreifen für ihre Nester angewiesen, in dem unsere Bäume stehen.
Bei Wanzen haben Sie Arten aufgespürt, die bereits als verschwunden galten?
Wir haben in den Baumkronen – in einem Gewerbegebiet! – drei Arten gefunden, die seit bis zu 50 Jahren in Bayern als verschollen galten. Normalerweise leben sie auf Sandrasen und Magerrasen.
Was haben sie dann in Baumkronen zu suchen?
Ein Kollege der Uni Würzburg hat mit seinen Studierenden festgestellt, dass während Hitzeperioden auch die Grünflächen bis über 60 Grad erreichen können. Das halten Insekten nicht aus, bei 45 Grad ist bei allen Schluss. Sie suchen also den Schatten, und in Baumkronen ist es in der Mittagshitze um bis zu neun Grad kühler als die Lufttemperatur. Baumkronen sind also ein Refugium für urbane Insekten, die dort dem Hitzetod entgehen. Und da ist es relativ egal, wie der Baum heißt.

Was müssen wir tun, damit wir auch in 50 Jahren noch genügend Schatten spendende Baumkronen haben?
In meinen Augen muss das Stadtgrün einen völlig anderen Stellenwert bekommen, es muss Grün vor Grau gelten. Im Grunde wäre ein Rückbau von Straßen notwendig, um die Standortbedingungen von Straßenbäumen zu verbessern. Zumindest benötigen Bäume eine angemessene Baumgrube von mindestens zwölf Kubikmetern, genügend Wasser und gute Pflege als Jungbaum. Sie sollten in Grünstreifen stehen, wo sie zumindest starke Längswurzeln ausbilden können.
Grünstreifen sind also die Lösung?
Sie sind extrem wichtig als Teillebensraum, zum Beispiel für die Wildbienen. Ohne ihn hätten wir auch die Hälfte der Wanzen- und Zikadenarten nicht gefangen. Denn sie verbringen einen Teil ihres Lebens in der Krautschicht. Natürlich auch noch andere Tiere.
Wie sieht es im urbanen Garten aus, zu welchen Bäumen raten Sie?
Pflanzen Sie Obstbäume aller Art, zum Beispiel Quitten, Mirabellen oder Maulbeeren. Der Dreilappige Zierapfel, Malus trilobata, hat ein schönes Blatt. Anstatt der häufig empfohlenen Kupfer-Felsenbirne, die bei Trockenheit früh ihr Laub verliert, würde ich die Schnee-Felsenbirne, Amelanchier arborea ’Robin Hill‘, verwenden. Oder auch die Weidenblättrige Birne, Pyrus salicifolia, sie ähnelt der Olive. Ein Hingucker ist auch der Tulpenbaum mit seinem tollen Laub und faszinierenden Blüten.
Und wenn es heimische Gehölze sein sollen, welche eignen sich für den Garten?
Wenn ich viel Platz hätte, würde ich sofort eine Walnuss pflanzen, obwohl sie eigentlich eine Südosteuropäerin ist. Die Walnuss siedelt sich, wie auch die Elsbeere, in den fränkischen Wäldern heute von alleine an. Feldahorn, Französischer Ahorn, Mehlbeere, Winterlinde wachsen gut im Garten. Wählen Sie immer die reine Art, keine Sorte. Denn bei Sorten weiß man nicht, auf welcher Unterlage gepfropft wurde, und das kann kontraproduktiv sein, wenn es um Klimaresistenz geht. Und wenn Sie eine Eiche möchten, pflanzen Sie eine Traubeneiche. Sie verträgt mehr Hitze als die Stieleiche.