Nach der Wahl sieht manches anders aus als vor der Wahl. Das gilt nicht nur für politische Inhalte rund um die Schuldenbremse. Es gilt auch für die Personalpolitik, konkreter: für die Frage, welche Regierungsposten eigentlich als attraktiv gelten. Und welche nicht so sehr.
Im Wahlkampf überboten sich Unionspolitiker mit Attacken auf den grünen Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck, den sie als schlechtesten Ressortchef aller Zeiten darstellten. Damit legten sie den Schluss nahe, er gebiete über ein allmächtiges Ministerium, das Deutschland im Alleingang in die ökonomische Stagnation treiben oder – in anderer Besetzung – eben auch den Aufschwung herbeizaubern kann. Das klang, als sei die CDU auf das Haus sehr erpicht.
Sie könnte es immer noch übernehmen, aber zuletzt wirkte es, als ob das der Trostpreis wäre. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, lange als zukünftiger Wirtschaftsminister gehandelt, spekuliert seit einiger Zeit erkennbar aufs Arbeitsressort – vorausgesetzt, die SPD lässt sich ihr angestammtes Themenfeld abhandeln. Auch über die parteipolitische Aufteilung anderer Ministerposten wird lebhaft spekuliert, Finanzen oder Inneres, Äußeres oder Verteidigung. Wirtschaft spielt hingegen nach dem Ende des Wirtschaftswahlkampfs keine zentrale Rolle mehr.
Warum schätzten Gabriel und Habeck es so hoch ein?
Das hat weniger mit dem wichtigen Themenfeld zu tun als mit der unwichtigen Rolle, die das gleichnamige Ressort hier spielt. Andere Ministerien haben auf die ökonomische Zukunft des Landes einen viel größeren Einfluss. Der Kabinettskollege für Arbeit und Soziales etwa verfügt nicht nur über einen ungleich größeren Etat, er hat von den Sozialbeiträgen bis zu den Arbeitszeitregeln auch einen viel größeren Einfluss auf die Standortpolitik. Und der Finanzminister kann als Herrscher übers Geld ohnehin in alles hineinregieren. Der Wirtschaftsminister hingegen durfte schon vor dem Verlust von Kompetenzen ans Finanzministerium nach dem rot-grünen Regierungswechsel 1998 zwar überall mitreden, aber fast nirgends selbst entscheiden.
Das mussten auch die beiden politischen Schwergewichte erleben, die in jüngerer Zeit das Haus führten. Da war zum einen der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, der 2013 nach dem Ressort griff, um die Wirtschaftskompetenz seiner Partei zu beweisen. Das Ergebnis waren unerquickliche Debatten über Handelsverträge und Rüstungsexporte.
Und der grüne Frontmann Robert Habeck konnte vor allem dort etwas bewegen, wo er klimapolitische Zuständigkeiten aus dem Umweltministerium an sich gezogen hatte, Kompetenzen also, die jetzt womöglich zurückwandern. Die große Rolle, die Habeck beim Abwenden der Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine spielte, war einer historischen Ausnahme geschuldet. Nachdem er erfolgreich verhindert hatte, dass in Deutschland Lichter und Heizungen ausgingen, begann sein Stern gleich wieder zu sinken.
Erstaunlich bleibt, warum Gabriel und Habeck den Einfluss des Wirtschaftsministeriums überhaupt so hoch einschätzen. Das hat mit Ressortchefs wie Ludwig Erhard zu tun, auch mit Karl Schiller oder Otto Graf Lambsdorff, deren Ruf die Amtszeit überdauerte.
Erhard hatte seinen größten Einfluss allerdings noch unter dem Besatzungsrecht vor 1949. Als Minister konnte er sich gegen den ersten Kanzler Konrad Adenauer selten durchsetzen. Schiller wurde von der eigenen Partei, der SPD, bald nur noch ignoriert. Und Lambsdorffs Wort hatte vor allem deshalb Gewicht, weil er anstelle des weltreisenden Parteichefs Hans-Dietrich Genscher den Koalitionspartner FDP vertrat, nicht so sehr wegen des Ministerpostens an sich.
Seither standen an der Spitze des Hauses oft Politiker, die als nicht ganz satisfaktionsfähig galten, von Martin Bangemann über Michael Glos bis zu Rainer Brüderle. Das trug zu dem Verdacht bei, es müsse nur ein Vollblutpolitiker den Sessel einnehmen, um das Wirtschaftsministerium zu Macht und Einfluss zu führen. Womöglich war das Gegenteil der Fall: Es hatte eben seinen Grund, dass die führenden Parteipolitiker das Amt nicht anstrebten.