Anti-Tesla-Proteste: „Dort, wo es Musk wehtut“

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Das Tesla-Geschäft an der Second Avenue im New Yorker Stadtteil Brooklyn hat erst vor knapp einem Jahr eröffnet. Es liegt direkt neben einer überirdischen U-Bahn und ist in einem renovierten alten Gebäude aus Ziegelstein untergebracht, in dem früher ein großer Lebensmittelhändler sein Lager hatte.

An diesem Samstagnachmittag sind nicht sonderlich viele Kunden im Laden, dafür ist der Trubel vor der Tür umso größer. Dutzende von Menschen protestieren gegen den Autohersteller und seinen Vorstandschef Elon Musk, den selbst erklärten „First Buddy“ des US-Präsidenten Donald Trump. Sie halten Schilder mit Aufschriften wie „Niemand hat Musk gewählt“ oder „Tesla finanziert Faschismus“, und sie skandieren Sätze wie: „Hey hey, ho ho, Trump and Musk have got to go.“

Hier im linksliberalen Brooklyn kommt das gut an. Viele Autofahrer, die an der Gruppe vorbeikommen, signalisieren ihre Unterstützung mit Hupen oder erhobenem Daumen.

„Da müssen wir in Amerika auch hinkommen“

Eine der Demonstrantinnen spricht bewundernd darüber, dass Teslas Verkaufszahlen in Deutschland im Februar um mehr als 75 Prozent abgestürzt sind: „Da müssen wir in Amerika auch hinkommen.“ Richtig laut wird es immer dann, wenn sich ein Tesla nähert. Dann ruft die Gruppe: „Sell your Tesla! Sell your Tesla!“ Manche der Fahrer schauen irritiert drein, andere ignorieren die Demonstranten.

Natasha Purdum hat kürzlich tatsächlich ihren Tesla verkauft, und sie organisiert unweit von New York in New Jersey selbst Proteste vor Tesla-Läden. Die 37 Jahre alte Mutter von zwei Kindern sagt, sie sei „angewidert“ von Musk und halte ihn für noch schlimmer als Trump. Die Demonstrationen sieht sie als Mittel, Musk finanziell zu schaden, eine Insolvenz des Autoherstellers fände sie „wunderbar“, auch wenn sie im Prinzip ein Fan von Elektroautos sei. „Ich weiß noch nicht, wohin unsere Protestbewegung führen wird, aber letztlich ist es unser Ziel, dass Musk von jeglicher Position der Macht entfernt wird.“

„Bye-bye, Tesla! Auf Nimmerwiedersehen!“

Den Verkauf ihres Autos hat Purdum öffentlichkeitswirksam und zeitgleich zu einem Tesla-Protest in einem Tiktok-Video inszeniert. Sie sitzt darin in ihrem Tesla, fährt winkend an den Demonstranten vorbei, und auf einem der Fenster klebt ein Schild mit der Aufschrift „Ich habe meinen Tesla eingetauscht, und ihr solltet das auch tun“. In einem nahe gelegenen Autohaus gibt sie den Wagen ab, im Gegenzug für ein gebrauchtes Elek­trofahrzeug der Marke Polestar. Damit fährt sie dann noch einmal an ihrem alten Tesla vorbei, der mittlerweile ohne Nummernschild auf einem Parkplatz steht, und sagt: „Bye-bye, Tesla! Auf Nimmerwiedersehen!“

Tesla sieht sich derzeit einer Welle von Protesten gegenüber. Vor Dutzenden Geschäften des Autoherstellers versammeln sich in jeder Woche unter dem Schlagwort „Tesla Takedown“ Demons­tranten, insbesondere in den USA, aber auch an einigen europäischen Standorten. Die Organisatoren hoffen auf weiter wachsende Beteiligung, für den 29. März haben sie das Ziel von 500 Demonstrationen an Tesla-Standorten auf der ganzen Welt ausgegeben.

Am Pranger steht das Unternehmen wegen Musks führender Rolle in der von Trump eingerichteten Arbeitsgruppe „Department of Government Efficiency“ oder „Doge“, die drastische Einschnitte in amerikanischen Behörden veranlasst hat. Auf der Internetseite für die „Tesla Takedown“-Proteste heißt es, Musk strebe eine „feindliche Übernahme“ der US-Regierung an und sei eine „Bedrohung“, die gestoppt werden müsse. Wer einen Tesla fahre oder Tesla-Aktien halte, solle sich davon trennen. „Lasst uns ihn treffen, wo es ihm wehtut – in seinem Geldbeutel.“

Tesla-Werbeshow vor dem Weißen Haus

Die Aktie von Tesla hat in jüngster Zeit schon erheblich an Wert verloren, seit Jahresbeginn gab es ein Minus von mehr als 40 Prozent. Ein zwischenzeitlicher Höhenflug nach der US-Präsidentenwahl im November, der weithin mit Musks Nähe zu Trump erklärt wurde, ist vorerst gestoppt.

Trump hat die Demonstranten „radikale linke Verrückte“ genannt, die versuchten, „Elons Baby“ zu schaden. Um Musk zu unterstützen, ließ er kürzlich als eine Art Werbeshow vor dem Weißen Haus fünf Tesla-Modelle auffahren und sagte, er werde persönlich eines dieser Autos kaufen. Purdum fand die Aktion „ziemlich widerlich“, Trump habe das Weiße Haus als Kulisse für ein „Pop-up-Geschäft von Tesla“ hergegeben. Aber sie sieht darin auch eine „Verzweiflungstat“ und ein Signal dafür, dass die Demonstrationen Wirkung zeigen. Auch der US-Wirtschaftsminister Howard Lutnick sah sich vor wenigen Tagen veranlasst, Tesla beizustehen, und gab in einem Fernsehinterview eine Kaufempfehlung für die Aktie ab.

Die Proteste werden von den Organisatoren ausdrücklich als „friedliche Bewegung“ beschrieben. Allerdings kam es in den vergangenen Wochen auch wiederholt zu mutwilliger Sachbeschädigung. Vor einer Tesla-Niederlassung in Las Vegas wurden mehrere Fahrzeuge in Brand gesetzt, auf das Gebäude wurde die Aufforderung „Resist“ („Leistet Widerstand“) gesprüht. Die Polizei sprach von einer „gezielten Attacke“.

Automesse schließt Tesla wegen „Sicherheitsbedenken“ aus

In der Nähe von Boston standen unlängst mehrere Ladestationen von Tesla in Flammen, in einem Tesla-Geschäft in Oregon wurde auf Autos und Fensterscheiben geschossen. Die Häufung solcher Vorfälle veranlasste vor wenigen Tagen die Veranstalter einer Automesse im kanadischen Vancouver, Tesla wegen „Sicherheitsbedenken“ als Aussteller auszuschließen.

Trump und seine Justizministerin Pam Bondi haben die Attacken auf Tesla „Terrorismus“ genannt. Vor wenigen Tagen gab das Ministerium Klagen gegen drei Personen bekannt, die Autos oder Ladesäulen von Tesla mithilfe von Molotowcocktails angezündet haben sollen. Ihnen wird mit Gefängnisstrafen von bis zu zwanzig Jahren gedroht.

Musk, der sich sonst gerne als Kämpfer für freie Meinungsäußerung inszeniert, setzt die ganze Protestbewegung mit Gewaltakten gleich. Dem Fernsehsender Fox News sagte er, das „Ausmaß an Hass“, das ihm und Tesla entgegenschlage, sei ein „ziemlicher Schock“ für ihn: „Tesla ist ein friedliches Unternehmen, wir haben nie etwas Schädliches getan. Ich habe auch selbst nie etwas Schädliches getan, sondern nur produktive Dinge.“ Seine Gegner wollten ihn „im Grunde umbringen“, weil er ihre Betrügereien stoppe.

Ablenkung durch Gewaltakte

Purdum beteuert, auf ihren Demons­trationen habe es keinerlei Vandalismus gegeben. Vielmehr sei die Atmosphäre „sehr entspannt“, es seien auch jedes Mal Familien mit Kindern dabei. Gewaltakte lenkten unnötig von der Protestbewegung ab. „Natürlich mag ich Tesla nicht, und ich hätte auch gerne, dass andere Leute Tesla nicht mögen, aber es gibt Grenzen, die wir nicht überschreiten.“

Ihren Tesla hatte Purdum, die im Qualitätsmanagement eines Biotechnologieunternehmens arbeitet, erst Ende 2023 gekauft. Es ist ein dunkelgraues Model 3 mit Allradantrieb. Sie wollte gerne ein Elektroauto, so wie ihr Mann, der einen Mach-E von Ford fährt. E-Modelle von BMW und Audi, die ihr gefallen hätten, waren ihr zu teuer, der Tesla passte mit einem Preis von 48.000 Dollar gerade ins Budget.

Über Musk hatte Purdum keine schlechte Meinung, als sie den Tesla kaufte. Sie fand ihn zwar etwas seltsam und verrückt, und sie stimmte oft nicht mit seinen Positionen überein. Unter dem Strich dachte sie aber, er könnte einen guten Einfluss auf die Welt haben, und sie sah das Auto als „positives Symbol“.

Hitlergruß und „Doge“-Kürzungen brachten das Fass zum Überlaufen

Als Musk dann im vergangenen Jahr anfing, Trump offen zu unterstützen, fand sie das furchtbar, versuchte aber zunächst, das nicht allzu sehr mit dem Tesla in ihrer Garage in Verbindung zu bringen. Ein entscheidender Moment für sie kam am Tag von Trumps Amtseinführung, als Musk auf einer Veranstaltung mit seinem Arm eine Geste machte, die viele Menschen als Hitlergruß interpretierten. Das und all die Berichte über radikale „Doge“-Kürzungen veranlassten sie bald, sich mit einem Aufkleber von ihrem eigenen Auto zu distanzieren, so wie das in jüngster Zeit viele Tesla-Fahrer getan haben. Darauf stand: „Dies war eine gute Idee, bevor Elon es nicht mehr war.“ Purdum stellte außerdem ein Schild mit der Aufschrift „Elon Musk ist ein schrecklicher Präsident“ ins Auto; eine Anspielung auf die Machtfülle, die Trump dem Tesla-Chef zu gewähren scheint.

Gut einen Monat nach Trumps Vereidigung ging sie dann zu ihrer ersten Anti-Tesla-Demonstration und übernahm sofort eine tonangebende Rolle, indem sie Schlachtrufe mit anstimmte („Ich mache nichts zu 50 Prozent“). An dem Tag kam sie zu dem Schluss, ihren Tesla loswerden zu müssen. Sie versuchte, dies umgehend ihrem Mann beizubringen, der zähneknirschend zustimmte, mit der Einschränkung: „Solange du uns nicht finanziell ruinierst.“ Nach einigem Suchen fand sie den gebrauchten Polestar, der bis dahin 10.000 Kilometer gefahren war.

Der Tesla wurde ihr mit etwas mehr als 26.000 Dollar angerechnet, und sie zahlte 3000 Dollar drauf. Ein Verlustgeschäft also, das sie aber für „sehr minimal“ hält und das es ihr wert war, zumal sie ohnehin nie so richtig zufrieden mit ihrem Tesla war. Das große Display am Armaturenbrett fand sie zwar schick, aber auch verwirrend. Einmal baute sie fast einen Unfall, und sie gibt Teslas Fahrassistenzsystem „Full Self-Driving“ die Schuld daran. Es habe versucht, sie auf die benachbarte Fahrspur zu drängen.

Sängerin Sheryl Crow macht es vor

Als die Entscheidung einmal gefallen war, das Auto abzustoßen, ging es ihr noch darum, das „so laut und öffentlichkeitswirksam wie möglich“ tun. So entstand die Idee für das Tiktok-Video. Damit folgte Purdum dem Vorbild der Sängerin Sheryl Crow, die ihren Tesla einige Wochen vorher verkauft hatte. Crow dokumentierte dies in einem Video auf Instagram, in dem sie dem Auto hinterherwinkt, als es von einem Lastwagen abgeholt wird. „So long, Tesla“, schrieb sie dazu. Der US-Senator Mark Kelly von der Demokratischen Partei kündigte gerade in einem Video auf Musks Plattform X an, seinen Tesla zu verkaufen. Darin sagt er: „Elon Musk hat sich als Arschloch herausgestellt. Und ich will kein Auto fahren, das von einem Arschloch gebaut und entworfen worden ist.“

Purdum sagt, in ihren Augen habe sich Musk „von einem verrückten Genie zu einem bösartigen Genie“ gewandelt. Er sehe Menschen als „Rädchen im Getriebe und Mittel zum Zweck“. Als einen Beleg dafür wertet sie, wie er kürzlich in einem Interview Empathie als eine Schwäche beschrieb. „Eine Zukunft ohne Empathie ist eine furchterregende Vorstellung“, sagt sie.

Hinter der „Tesla Takedown“-Aktion steckt ein loser Verbund von Bürgerinitiativen, die sich als Graswurzelbewegungen verstehen, Purdums Gruppe heißt 50501. Musk hat suggeriert, die Proteste würden von reichen Spendern aus dem linken politischen Lager wie dem Investor George Soros mitfinanziert. „Darüber können wir nur lachen“, sagt Purdum. 50501 bekomme von niemandem Geld, sie habe ihr Megafon selbst gekauft – und auch aus ihrer eigenen Tasche die Mietgebühr für Dixi-Klos bezahlt.

Einer der Demonstranten in Brooklyn, der 36 Jahre alte Chris Lee, hat einiges mit Purdum gemeinsam. Auch er ist ein Tesla-Kunde, der heute auf Distanz zum Unternehmen geht. Anders als Purdum hat er sein blaues Model 3 aber noch. Es ist sechs Jahre alt und „fast wertlos“, wie er sagt, deshalb sieht er Eintauschen als keine realistische Option. Wie Purdum hat auch er Aufkleber gekauft, einen für die Motorhaube und einen für die Heckklappe, jeweils mit der Aufschrift „Anti Elon Tesla Club“.

Lee erzählt, das Auto sei schon dreimal Ziel von Vandalen geworden, einmal habe es jemand am helllichten Tag zerkratzt. Dafür hat er keinerlei Verständnis, aber im Prinzip fühlt er sich solidarisch mit der Protestbewegung. Er hupt zustimmend, als er vor dem Geschäft ankommt, und stellt sich zu den anderen Demonstranten, deshalb ruft ihm auch niemand zu, er solle seinen Tesla verkaufen.

Einem Fahrer eines grauen Model 3 wird es rund eine Stunde später anders ergehen. Als er die „Sell your Tesla“-Rufe hört, steigt er aus und versucht, den Demonstranten zu erklären, er könne es sich finanziell nicht leisten, das Auto zu verkaufen, weil es zu wenig wert sei. Er stößt aber auf wenig Verständnis, und es kommt zu einem Wortgefecht. Lee findet diese Szene frustrierend und beschließt, vorzeitig nach Hause zu gehen. Hinterher sagt er: „Ich hatte das Gefühl, der Protest lässt keinen Spielraum für Nuancen.“